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Johanna Borchert startet Crowdfunding-Kampagne für CD-Produktion / Jazzmusikerin mit Nordbremer Wurzeln Mit Hilfe der Fans

Für ihre Abiturprüfung in Vegesack wurde eigens eine Ausnahme von der Prüfungsordnung beantragt. So sehr hatte das Improvisationstalent von Johanna Borchert ihren Musiklehrer beeindruckt. Heute spielt sie auf allen Jazzfestivals der Welt und will – mit finanzieller Hilfe ihrer Fans – ein neues Album einspielen. Die Musikerin ruft über Facebook zum sogenannten Crowdfunding auf.
30.06.2013, 05:00 Uhr
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Von Christian Pfeiff

Für ihre Abiturprüfung in Vegesack wurde eigens eine Ausnahme von der Prüfungsordnung beantragt. So sehr hatte das Improvisationstalent von Johanna Borchert ihren Musiklehrer beeindruckt. Heute spielt sie auf allen Jazzfestivals der Welt und will – mit finanzieller Hilfe ihrer Fans – ein neues Album einspielen. Die Musikerin ruft über Facebook zum sogenannten Crowdfunding auf.

Vegesack. Als Jazzpianistin und Komponistin konnte Johanna Borchert bereits internationale Anerkennung ernten. Borchert lebt und arbeitet heute in ihrer Geburtsstadt Berlin. Den Grundstein für ihre Laufbahn legte sie im Teenageralter jedoch im Bremer Norden.

Das dreißigste Lebensjahr hat sie kaum vollendet, und doch kann Jazzpianistin Johanna Borchert bereits eine Vita vorweisen, die manch gestandenem Routinier zur Ehre gereichen würde. Ihr Können brachte sie bereits auf großen Bühnen rund um den Globus zu Gehör und erntete unzählige Preise und Auszeichnungen.

Bereits während ihres ersten Studienjahres absolvierte Johanna Borchert 2002 mit einem eigens gegründeten Studenten-Bandprojekt eine Tournee durch Südkorea. "Die Tournee kam damals über die Kontakte eines Soundtechnikers der Uni zustande", erinnert sich die Musikerin. Die Reise bescherte unkonventionelle Erfahrungen: "Wir haben da vor kreischenden Teenies gespielt. Damit hätte wirklich niemand von uns gerechnet."

Barpianistin in der Strandlust

Ihre ersten Schritte als Jazzmusikerin unternahm Johanna Borchert hingegen im Bremer Norden, wo sie ihre Kindheit und Jugend verbrachte. Durch Studienaufenthalte in Dänemark, Indien und Amerika erweiterte sie ihren stilistischen Horizont. "Meine Vorliebe für Improvisation entdeckte ich eigentlich bereits, als ich zum ersten Mal Klaviertasten drücken konnte", blickt die Künstlerin weit zurück. Zu ihren ersten Förderern zählten neben ihren Bremer Klavierlehrern Keko Kleinschmidt und Hartmut Meiners auch der in Vegesack lebende Künstler Peter K.F. Krueger, in dessen Galerie "Z&M" Johanna Borchert 1999 ihre ersten öffentlichen Auftritte als Jazzmusikerin hatte.

Wenig später betätigte sie sich als Barpianistin in der "Strandlust" und errang als Mitglied des vornehmlich aus jungen Nordbremern bestehenden "Broszinski-Septetts" im selben Jahr den ersten Preis des Bremer Wettbewerbs "Jugend jazzt". Auch Gerhard Linke, dessen Musikleistungskurs Borchert am Gymnasium Vegesack besuchte, war von dem Improvisationstalent seines Schützlings so beeindruckt, dass er für Borchert eine Ausnahmegenehmigung für ihre praktische Abiturprüfung erwirkte, damit Borchert auch diese in Teilen mit Improvisationen bestreiten durfte.

Seither ist Borchert als Mitglied von bisher zwölf Band- und Duoprojekten Gast auf internationalen Bühnen in Europa, Asien, Südamerika und den USA, spielte dort auf nahezu allen relevanten Jazzfestivals, kooperierte mit Musikern aus Amerika, Kolumbien, Norwegen und Dänemark, wo sie von 2004 bis 2010 ein Magister- und ein anschließendes Kompositionsstudium am Kopenhagener Rytmisk Musikkonservatorium absolvierte. "Ich wollte ursprünglich nur für ein Jahr bleiben und blieb sieben Jahre."

Während dieser Zeit gründete sie mit Kommilitonen auch das Duo "Little Red Suitcase" und das Quartett "Schneeweiss und Rosenrot", welche sie auch heute als ihre Hauptprojekte bezeichnet. Mit beiden veröffentlichte sie bereits CD-Alben und absolvierte Konzerte. Obwohl Johanna Borchert seit drei Jahren wieder in ihrer Geburtsstadt Berlin wohnt, sind beide Projekte noch aktiv.

Während "Schneeweiss und Rosenrot" 2012 den "Neuen Deutschen Jazzpreis" gewannen, der noch vor ein paar Wochen im Kito zu sehen war, stellt das mittlerweile auf Bigbandgröße gewachsene Duo "Little Red Suitcase" gleich in mehrfacher Hinsicht eine Schlüsselfunktion in Borcherts künstlerischer Biografie dar. Neben Erfolgen und euphorischen Fachkritiken gab diese "Little Red Suitcase" auch den Initialfunken für Borcherts Laufbahn als Solomusikerin.

"Wir sollten 2010 auf einem Jazzfestival in Frankreich auftreten", so die Musikerin. Nachdem ihre Duopartnerin Elena Setién tags zuvor erkrankte, entschloss sie sich, den Auftritt allein zu absolvieren und erstmals auch den Gesang zu übernehmen – bis dato unbekanntes Terrain für die vielseitige Künstlerin. Dies beflügelte Borchert, künftig verstärkt auch als Solokünstlerin in Erscheinung zu treten. 2012 finanzierte der Berliner Radiosender RBB ihre erste CD-Produktion "Orchestre Idéal”.

Drei Monate in Oakland

Eine weitere Solo-CD ist in Planung, jedoch: "In Deutschland ist das Klima für Künstler erheblich rauer als in Dänemark.” Dort gebe es wesentlich mehr Förderungsmöglichkeiten für kulturelle Projekte einschließlich Studioproduktionen. Das Songmaterial steht bereits. Und mit dem Schlagzeuger Julian Sartorius und der amerikanischen Gitarren-Ikone Fred Frith, die Johanna Borchert zuvor für drei Monate als "Artist in Residence” auf das Mills College in Oakland einlud, arbeitet Borchert derzeit unter der Ägide des New Yorker Produzenten und Mitmusikers Shahzad Ismaily in Bern bereits an den Albumaufnahmen.

Die Produktionskosten hofft Borchert – zumindest zum Teil – über ein sogenanntes Crowdfunding-Modell decken zu können. Auf ihrer Homepage und ihrer Facebookseite will Johanna Borchert Fans und Freunde ihrer Musik dazu aufrufen, sich möglichst mit Spenden am Produktionsprozess zu beteiligen und sich hierdurch gleichzeitig ein Exemplar des Albums zu sichern. "Normalerweise funktioniert so etwas nur bei Künstlern, die bereits eine große Fangemeinde haben, was bei mir noch nicht der Fall ist.” Auf einen Versuch will es die frühere Nordbremerin dennoch ankommen lassen.

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