Die Halle auf dem Vegesacker Sedanplatz ist in blau-lilafarbenes Licht getaucht, das das Eis zum Leuchten bringt. Auf der Eisbahn strahlt das Spielfeld für den Eisstock-Cup. Es ist Vorrunden-Tag, und 14 Mannschaften kämpfen um den Einzug ins Halbfinale. Zwei Spielpunkte werden letztlich für das Weiterkommen in die nächste Runde reichen. Sieben Mannschaften erreichen dieses Ziel.
Zwei Minuten vor Beginn stehen sieben Zuschauer an der Bande. Doch die Halle füllt sich schnell, als die Moderatoren zum Mikrofon greifen. Zur Begrüßung der Mannschaften ist das Publikum laut. Manche Zuschauer haben sogar Ratschen und Tröten dabei. Um Stimmung zu machen reicht es aber auch, gegen die Bande zu klatschen.
Einige Teams sind verkleidet: Maori-Krieger, Hexen, Weihnachtswichtel und Schneemänner tummeln sich auf der Eisfläche. Wie bei jedem Vorrunden-Turnier wird auch an diesem Abend ein Preis für das beste Kostüm vergeben. Da die Jury sich ob der ausgefallenen Kostüme nicht entscheiden kann, wird die Auswahl dem Los überlassen. Die Scheren-Hexen haben Glück. Sie tragen schwarze Kleider mit grauem Tüll und bunten Lichterketten. Ihre Köpfe werden von weißen Perücken und passenden Kopfbedeckungen geziert.
Das erste Spiel beginnt: „Die Protestanten“ gegen „Die Rettungsringe“. Vegesacks Kirchenvorstand gegen Maori-Krieger. „Wir haben vorher ein Mal geübt. Hätten wir das nicht gemacht, wäre es fatal gewesen. Ich wüsste dann nicht einmal, wie ich mich bewegen müsste“, sagt Susanne Böttcher vom Kirchenvorstand. Es ist das erste Jahr, in dem das Team um Pastor Volker Keller an dem Wettkampf teilnimmt. Viele der anderen Teams sind bereits erfahren, dennoch wird es der Kirchenvorstand als eines der sieben Teams bis ins Stechen um den Einzug ins Halbfinale schaffen.
Ziel des Spiels ist es, den Eisstock, der aussieht wie ein Pömpel aus Holz, in ein Viereck, das sogenannte Haus, zu schießen. Möglichst nah an die sich darin befindende Daube. Schießt einer der Sportler die Daube, ein Ring aus Hartgummi, aus dem Haus, bekommt das Team einen Punkt abgezogen. Der Bewegungsablauf der Sportler ist ähnlich wie beim Kegeln. Zunächst wird Schwung geholt, dann geht der Spieler leicht in die Knie und entlässt den Eisstock auf die Bahn.
Sehr spontan bekommen auch Katrin Dunst und Nicole Pipper die Möglichkeit, sich auf dem Eis zu profilieren. Die beiden Zuschauerinnen stehen an der Bande, um das Turnier zu verfolgen und Glühwein zu trinken. Als einer der Organisatoren in ihre Richtung kommt und nach Freiwilligen sucht, meldet Dunst sich und ihre Freundin prompt an. Denn eines der angemeldeten Teams ist spontan abgesprungen. Ein Zuschauerteam soll der Ersatz sein. „An so etwas habe ich immer Spaß“, freut Katrin Dunst sich. Pipper scheint noch nicht ganz von der Entscheidung ihrer Freundin überzeugt zu sein: „Eigentlich wollte ich hier nur zuschauen.“
Prompt ein Treffer
Ein Spiel später ist es soweit. Dunst und Pipper betreten die Eisfläche. Ergänzt wird ihr Zuschauerteam von zwei Männern. Die Taschen werden abgestellt. Das Gegnerteam „Mir ist kalt, ich will einen Glühwein“ beginnt. Der Eisstock schafft es nicht ganz bis ins Haus. Katrin Dunst bespricht sich vor ihrem ersten Versuch mit Nicole Pipper. Sie nimmt den Eisstock in die Hand, schwingt ihn, geht in die Knie, nimmt noch mehr Schwung auf und lässt den Pömpel los. Er schlittert über die glatte Eisfläche und stoppt im Haus, ganz knapp neben der Daube.
„Eins zu null für die Zuschauer“, schreit der Moderator ins Mikrofon. Dunst reißt die Arme nach oben und springt in die Höhe. Mit dem nächsten Schuss des Glühwein-Teams ist die Freude allerdings verflogen. Denn auch dieser Eisstock trifft das Haus und schiebt dabei den Eisstock der Zuschauerin nach draußen. Dadurch ist der Punkt verloren. Bis zum letzten Schuss sieht es so aus, als würde das Hinspiel an das frierende Glühwein-Team gehen. Doch dann wischt der Mann im Werder-Pullover als letzter Schütze für das Zuschauer-Team über den Boden des Eisstocks, schwingt ihn, geht in die Knie und trifft. 45 Zentimeter liegen zwischen Eisstock und Daube. Der Eisstock von „Mir ist kalt, ich will einen Glühwein“ ist 54 Zentimeter von dem Plastikring entfernt. Das Zuschauer-Team gewinnt den ersten Siegespunkt. Auch im zweiten Durchgang kann das Glühwein-Team die Zuschauer nicht besiegen.
„Das war ein total ungewohntes Gefühl mit diesem Eisstock. Ich hab keine Ahnung, wie das funktioniert, aber wir haben gewonnen“, freut sich Nicole Pipper. Ursprünglich hatten sie und Katrin Dunst nicht vor spät nach Hause zu gehen. „Um neun müssen wir wieder aufs Eis, mal sehen, wie das dann läuft.“ Letztlich schafft es das Zuschauer-Team bis ins Stechen. „Wenn wir es echt ins Halbfinale schaffen, kommen wir am 27. natürlich wieder und versuchen zu gewinnen“, sagt Dunst.
„Wenn das Zuschauerteam ins Halbfinale einziehen sollte, können sie natürlich auch antreten. Wenn die Truppe von heute allerdings keine Zeit hat, muss es auch nicht dieselbe Konstellation sein“, erklärt Jürgen Linke, der an diesem Abend gemeinsam mit Gundmar Köster alias „Sharky“ das Turnier moderiert. Die Kommentatoren haben sich eingegrooved. Sie schreien, fiebern mit. Auf dem Eis herrscht eine Stimmung wie bei einem Bundesliga-Spiel. Auch das Publikum lässt sich anstecken. Es wird gejohlt, gegen die Bande geschlagen und mitgefiebert.
Während der Rückrunde kommt es zu kleineren Unstimmigkeiten. Die Weserjungs 2 beschweren sich bei den Schiedsrichtern und den Moderatoren. Es sei vergessen worden, die Daube zurück ins Haus zu legen, wodurch die Mannschaft um Punkte betrogen worden ist. Der Fehler wird eingeräumt und die Weserjungs 2 ziehen schließlich mit zwei Punkten ins Halbfinale ein. Dort werden sie gegen 23 Teams um einen Platz im Finale antreten.
Das Zuschauer-Team und das Team der Kirche werden das Turnier allerdings bei den weiteren Spielen nur noch aus der Publikums-Perspektive miterleben.