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Schloss Schönebeck Salon-Atmosphäre mit „La Traviata“

Im Zuge der Konzertreihe „Musikalischer Gartensalon“ präsentiert Julia Bachmann Opernmelodien am Schönebecker Schloss.
16.07.2020, 05:00 Uhr
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Von Jörn Hildebrandt

Schönebeck. Wenn wunderschöner Gesang aus einem Garten erklingt, verzaubert er die gesamte Umgebung. So bleiben denn auch einige Spaziergänger entlang der Schönebecker Aue vor den hohen Hecken und dem Tor des Schlosses stehen, um den Tönen zu lauschen, die aus dem Garten kommen.

Es ist das erste Konzert seit Beginn der Corona-Pandemie, zu dem das Heimatmuseum Schloss Schönebeck eingeladen hat. Es findet draußen statt, bei sonnigem Wetter. Trotzdem wird die Luft am frühen Abend ziemlich frisch. Rund 40 Gäste haben sich auf dem Rasen vor dem Treppenaufgang versammelt, wo die Sängerin Julia Bachmann, begleitet von der Akkordeonistin Nastja Schkinder, Stücke aus Giuseppe Verdis meistgespielter und populärster Oper „La Traviata“ singt – ein Werk, in dem Julia Bachmann ihre breite Ausdruckspalette klangvoll realisieren kann, mit einer strahlenden Stimme, mit einem wunderbaren Timbre und meisterlicher Nuancierung.

In der Reihe „Musikalischer Gartensalon“ kommt Salon-Atmosphäre in ausgesuchte Gärten Bremens. In kleiner Besetzung erklingen Klassik, Musicals, Chansons oder Tango, die von herausragenden Musikern zu Gehör gebracht werden. „Das Konzept der Reihe knüpft an die traditionsreiche Salonkultur des 19. Jahrhunderts an“, erläutert Julia Bachmann, die auch künstlerische Leiterin der Reihe ist. „Bereits damals fanden Musikdarbietungen unter freiem Himmel in sogenannten musikalischen Gartensalons statt. Die Corona-Krise hat uns motiviert, eine künstlerische Idee, die schon länger existierte, jetzt ganz konkret in die Tat umzusetzen. Und das Konzept, etwas Kleines und Feines zu schaffen, findet sehr großen Anklang.“ Und so werden in diesem Sommer umfriedete Gärten von Bremer Museen und Kultureinrichtungen wie dem Focke-Museum oder der Gärtnerei Kolonko in Mahndorf Schauplätze für diesen besonderen Musikgenuss.

Im Garten von Schloss Schönebeck singt Julia Bachmann Partien aus Verdis Oper und nimmt dabei die Rolle von „La Traviata“ ein, zu deutsch „die vom Wege Abgekommene“. Die Oper, 1853 in Venedig uraufgeführt, erregte damals großes Aufsehen, weil eine Kurtisane namens Violetta im Mittelpunkt steht, die zudem noch an Tuberkulose erkrankt ist. Als sie in ihrem Salon eine Feier gibt, wird sie dem attraktiven Alfredo vorgestellt, der ihr seine Liebe erklärt. Violetta ist jedoch noch voller Zweifel: „Vergiss es, du bist absolut kein Mann für mich“, sagt sie zu ihm. Aber Alfredo setzt etwas in ihr frei, was noch kein Mann vorher bei ihr ausgelöst hat – auch wenn sie mit starken Zweifeln zu kämpfen hat. Ihr Hin-und-Hergerissensein kommt durch Julia Bachmanns Stimme auf ergreifende Weise zum Ausdruck. Sie drückt äußerste Leidenschaft aus, indem sie höchste Töne singt, als Violetta zu ihrer Liebe steht, und ihre Stimme wird leise und getragen, als sie den Geliebten Alfredo per Brief zu einem Treffen einlädt.

Eingängige Melodien, sich kraftvoll steigernde Läufe, auch ein gesungenes Kichern – Verdis Oper thematisiert die Liebe, das schwere Schicksal durch eine lebensbedrohliche Krankheit und schließlich den Tod. Der Einfluss von Richard Wagner, der zeitgleich komponierte, ist deutlich zu spüren, nicht zuletzt in den Leitmotiven. Bei Verdis „La Traviata“ ist es das berühmte Trinklied, das, immer wieder variiert, sich durch das gesamte Werk zieht.

Verdis Musik, in der ein lyrisch-elegischer Ton vorherrscht, wechselt zwischen Aufgewühltheit, Nervosität und Beschwingtheit bis zum Leisen und Zarten und setzt sich damit deutlich von der schwerblütigen Mystik Wagners ab. In einem Traum sieht Violetta das Wasser eines Brunnens in Blut verwandelt – Vorahnung ihres bösen Endes, das kommen muss. Zwar gibt sie Alfredo zuliebe ihr mondänes Leben auf und sucht die Zweisamkeit, doch Alfredos Vater hat etwas gegen die Beziehung: Er sieht durch Violettas anrüchige Vergangenheit die Familienehre gefährdet und bewegt sie zum Verzicht. Alfredo reagiert missverstehend mit Eifersucht und schmäht Violetta in aller Öffentlichkeit. Doch als er erfährt, welches Opfer Violetta für ihre Liebe gebracht hat, ist es zu spät: Sie stirbt in seinen Armen.

Zwischen den Gesangspartien gibt Julia Bachmann Erläuterungen zum Gang der Handlung – so wird die Oper trotz der Reduktion auf eine Stimme und ein Instrument im Ganzen verständlich und lebendig. Nastja Schkinder zeigt, welche Ausdrucksfülle im Akkordeon steckt, und Julia Bachmann gibt mit dem enormen Reichtum ihrer Stimme eine Quintessenz des gesamten Werks, das im großen Garten des Schönebecker Schlosses viele Gäste verzaubert.

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