„Die Natur in Mitteleuropa ist eigentlich ständig im Wandel, doch durch die Klimaveränderungen geschieht dies in den letzten Jahrzehnten besonders rasch“, sagt Martina Schnaidt von der Ökologiestation Bremen. Wie weit lässt sich dieser Wandel auch auf dem naturbelassenen Stationsgelände ablesen? Und in welcher Form zeigt er sich?
Im Rahmen der Ausstellung „Tatort Natur“ im Overbeck-Museum lud die Ökologiestation zu einem Rundgang ein, der durch den Rotbuchenwald auf der Geest bis in die tiefer gelegenen Feuchtwiesen am Rande der Schönebecker Aue führte.
„Seitdem im Jahre 1979 die Ökologiestation gegründet wurde, hat man diesen Standort mit vielen seltenen Arten und einer Vielzahl von Lebensraumtypen sich selbst überlassen. Dabei wurde bewusst auf touristische Attraktionen, wie zum Beispiel einen Baumwipfelpfad, verzichtet“, sagt Martina Schnaidt. Von einer typischen Geestanhöhe bis in die tiefen Tallagen sollte die Natur unbeeinflusst bleiben, wobei allerdings die Niederung der Schönebecker Aue als Feuchtgrünland genutzt und jährlich gemäht wird.
Stürme warfen Bäume um
Auch wenn die Natur geschont wurde, hat sich in den letzten Jahren in Wald und Wiese einiges getan: „Einige für Feuchtwälder typische Pflanzenarten wie Milzkraut, Lungenkraut oder auch die Schlüsselblume sind deutlich seltener geworden“, sagt Martina Schnaidt, scheut sich aber, allein den Klimawandel dafür verantwortlich zu machen. „Häufig ändern sich die Konkurrenzverhältnisse in der Pflanzenwelt, und einige Arten profitieren, andere werden benachteiligt“, sagt Martina Schnaidt, „in der Ökologie wirken meist viele Faktoren auf komplexe Weise zusammen.“
Wenn allerdings Extremereignisse in Form von Stürmen zunehmen, wirkt sich dies auch auf dem Stationsgelände direkt und weithin sichtbar aus: Bei dem Rundgang stoßen die Teilnehmer auf große Stapel abgesägter Eichen- und Buchenstämme: „Viele Bäume wurden vom letzten Sturm umgeworfen und müssen nun vom Umweltbetrieb Bremen beseitigt werden“, sagt die Biologin. „Weil einige der Bäume vom Brandkrustenpilz befallen waren, der Holzfäule verursacht, waren sie nicht mehr standfest“, erklärt sie. Wenige Meter weiter ragt der Wurzelteller einer Eiche schräg aus den Waldboden – auch dieser Baum wurde vor rund zwei Monaten Opfer der heftigen Stürme.
Efeu profitiert von höheren Temperaturen
Zum Wandel in der Natur gehört nicht nur das Seltenwerden oder das Verschwinden, sondern auch die Zunahme anderer Arten: Im Rotbuchenwald der Ökologiestation gilt dies zum Beispiel für das deutlich häufiger gewordene Hexenkraut – doch worin die Ursachen liegen, ist unbekannt, so Martina Schnaidt.
Die starke Zunahme von Efeu auf dem Stationsgelände lasse sich jedoch plausibel durch den Klimawandel erklären, denn diese kletternde und kriechende Pflanze profitiert von höheren Temperaturen. „In den Jahren, als es noch lange kalte Winter gab, ist Efeu abgefroren – das ist heute nicht mehr der Fall“, sagt sie. Und als sie die Kräuter am Waldboden zeigt, fällt dort der Keimling einer weiteren Gehölzart auf: Die Spätblühende Traubenkirsche wird offenbar auch vom Klimawandel begünstigt, da sie von Sommertrockenheit profitiert.
Doch die Einschleppung von Arten aus anderen Kontinenten spielt eine ebenso wichtige Rolle für den Wandel in der Natur wie Klimaveränderungen: „Besonders das Drüsige Springkraut, das ursprünglich aus dem Himalaya stammt, hat sich in Bremen-Nord extrem ausgebreitet. Es gilt als invasive Art, die vor allem feuchte bis nasse Standorte dominiert, zum Beispiel an der Lesum“, berichtet Schnaidt.
Ein weiterer Faktor, der zu drastischem Wandel in der Natur führt, ist eindeutig: die Zunahme von Stickstoff, bedingt durch den starken Einsatz von Dünger in der Landwirtschaft. „Arten, die bereits sehr häufig sind, wie die Brennnessel, werden durch Stickstoff gefördert – der auch durch die Luft transportiert wird“, weiß Martina Schnaidt.
Um ökologischen Wandel zu verstehen, muss das Interagieren vieler Arten untereinander und mit ihrer Umwelt erfasst werden, sagt sie: Klimawandel, Nährstoffeinträge und Entwässerungen bis hin zum Ausfall von Blütenbesuchern wirken oft miteinander verzahnt. Höhere Temperaturen infolge des Klimawandels wirken jedoch direkt auf die Wachstums- und Entwicklungsprozesse der Pflanzen ein: „Viele Kräuter und Bäume blühen inzwischen weit früher im Jahr – wie zum Beispiel in diesem Jahr die Obstbäume. Doch viele Insektenarten, wie zum Beispiel Honigbienen, waren auf die um zwei bis drei Wochen vorverlegte Blütezeit nicht eingestellt. Sie konnten deshalb ihre Bestäubungsdienste an Äpfeln und anderen Obstarten kaum erfüllen – das synchrone Auftreten von Blütenpflanzen und Insektenbestäubern werde durch den Klimawandel auseinandergerissen", sagt Martina Schnaidt.