So einen großen Auflauf hat die kleine Straße in Aumund wahrscheinlich noch nie gesehen. Rund 40 Menschen säumen den Weg auf beiden Seiten. Sie alle sind gekommen, um Detlef Ammermann zu verabschieden, der an diesem Morgen zu einer Tour in Richtung Bodensee aufbrechen will. Dabei nutzt er weder Zug noch Auto, sondern einen Trecker. Entsprechend lange wird die Reise dauern.
Der 60-Jährige ist seit Mitte Mai in Altersteilzeit. Zuvor war er 35 Jahre im Sportwagenbau bei Mercedes tätig und hat dort nicht wenig gearbeitet, wie er selbst sagt. Die Fahrt zum Bodensee biete ihm nach dreieinhalb Jahrzehnten harter Arbeit die Möglichkeit, sich zu erholen und abzuschalten.
Die Idee zu der Tour entstand bei einem Feuerzangenbowle-Abend vor eineinhalb Jahren. Damals philosophierte er gemeinsam mit einem Freund über den Ruhestand und die Frage, was sie dann machen. „Wir haben damals eine dicke Lippe riskiert und gesagt, wir fahren mit dem Trecker zum Papst", erinnert sich der Aumunder. Weil ihnen Rom dann doch etwas weit erschien, wurde der Plan kurzerhand geändert und der Bodensee zum Ziel ernannt.
Bei den übrigen Teilnehmern des Umtrunks habe die Idee Gelächter ausgelöst. Davon unbeirrt haben die Freunde aber im Mai vergangenen Jahres einen alten McCormick-Trecker angeschafft. „Im Herbst haben wir noch einen Anhänger gekauft, weil ansonsten einer von uns auf dem Kotflügel hätte sitzen müssen. Und das hält bis zum Bodensee kein Mensch aus“, stellt Ammermann fest. Eigentlich wollten sie einen Bauwagen kaufen, wie ihn Peter Lustig aus der ZDF-Sendung Löwenzahn hatte. „Der hat nur einen Nachteil. In einem Peter-Lustig-Wagen kann man nicht während der Fahrt sitzen“, sagt er. Deshalb hätten sie sich für einen Kutschwagen als Anhänger entschieden.
Damals wusste der Nordbremer allerdings noch nicht, dass er die Tour nach Süddeutschland alleine bestreiten wird. „Anfang des Jahres ist mein guter Freund am Herzen erkrankt und wenig später einfach so gestorben“, erzählt er. Dieses tragische Ereignis hat dazu geführt, dass er die Treckerfahrt zunächst infrage gestellt hat. „Viele Leute haben sich angeboten, mich zu begleiten. Aber man kann Person A nicht durch Person B ersetzen. Das funktioniert nicht. Deshalb habe ich mir gesagt, jetzt fährst du allein“, erzählt Ammermann. Leicht gemacht habe er sich diese Entscheidung aber nicht und viele Gespräche geführt, unter anderem mit der Ehefrau seines Freundes, die ihn in seinem Vorhaben bestärkt habe.
Strecke steht noch nicht fest
Die Tour nun allein zu unternehmen, sieht er als Herausforderung. „Wobei ich davon ausgehe, dass ich unterwegs auch viele Menschen kennenlernen werde“, sagt Ammermann. Außerdem erwarte er an zwei Wochenenden Besuch, einmal von seiner Frau und einmal von seinen Kindern. Der Trecker, mit dem Detlef Ammermann nun unterwegs ist, hat eine Besonderheit. „Der Trecker ist genau einen Tag jünger als ich. Ich habe am 30. Juni Geburtstag und der Traktor hat das Produktionsdatum 1. Juli 1960“, erzählt er. Wie alt der Anhänger ist, weiß er nicht genau. „Vermutlich ist der aber auch um 1960 entstanden“, sagt er.
Welche Strecke er nehmen wird und wo er zum Übernachten Station macht, steht noch nicht fest. „Ich habe noch nichts gebucht. Schließlich weiß ich gar nicht, wie weit ich komme und wie schnell ich bin“, sagt er. Entsprechend wolle er nachmittags entscheiden, ob er auf einem Campingplatz, in einer Pension oder bei einem Landwirt nächtigt. „Ich glaube, das wird am meisten stattfinden, dass ich irgendwo bei einem Bauern klingel und frage, 'habt ihr Platz für mich?'. Abweisen wird mich wahrscheinlich kaum einer“, glaubt Ammermann. „Die deutsche Gastfreundschaft ist immer noch so groß, dass man immer einen Stellplatz für mich hat“, ist er überzeugt.
Auch wenn er die Route noch nicht im Detail festgelegt hat, gibt es dennoch ein paar Orte, die er gerne sehen würde. Dazu zählen unter anderem Porta Westfalica und die Loreley. „Wenn es mir an dem einen oder anderen Ort besonders gut gefällt, bleibe ich da vielleicht auch einen Tag länger“, sagt er. Ob er sein selbst gestecktes Ziel erreicht und mit seinem Gefährt am Bodensee ankommt, steht aber noch nicht fest.
Denn länger als vier Wochen will er nicht unterwegs sein. „Meine Frau hat gesagt, das reicht“, erzählt Ammermann. „Ich habe zwar den Willen, bis zum Bodensee zu kommen, wenn ich am Ende aber nur bis zur Loreley schaffe, ist das so. Damit habe ich auch kein Problem.“ Außerdem sei nicht klar, ob ein 60 Jahre alter Trecker eine so lange Fahrt überhaupt übersteht.
Ein erstes Problem an dem Fahrzeug stellt er noch vor der Abfahrt fest. „Das macht mir ein bisschen Sorgen“, sagt er und schaut auf den Boden. Dort hat sich direkt unter dem Trecker eine kleine Pfütze gebildet. „Das Fahrzeug hat Kühlwasser verloren“, erzählt Ammermann. Doch die Sorge darüber scheint er im Trubel auch schnell wieder vergessen zu haben. Kurzerhand schnappt er sich seine Kaffeetasse und beantwortet seinen Bekannten wieder Fragen zu seiner Tour.
Die interessieren sich unter anderem dafür, wie er aus dem Süden der Republik wieder zurück nach Bremen kommen will? „Irgendwann stelle ich das Ding irgendwo ab, setze mich in den Zug und fahre nach Hause“, berichtet er. Tatsächlich hat er sich für das letzte Wochenende seiner Tour bereits einen zehn Meter langen Anhänger gemietet, mit dem er den Trecker wieder zurück in den Norden bringen will.
Dann ist der Moment der Abfahrt gekommen. „Ich verabschiede mich und danke euch, dass ihr da wart“, ruft Detlef Ammermann. Dann geht er zu seinem Trecker und setzt sich auf den Fahrerplatz. Während er den Motor startet, wünschen ihm Familie, Freunde und Nachbarn noch eine gute Reise. Anschließend beginnt für ihn die Tour quer durch Deutschland. Und eventuell sogar bis zum Bodensee.