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Schach-Klub Bremen-Nord „Nur das Wetter könnte besser sein“

Als echter Glücksfall hat sich Khaled Bagh für den Schach-Klub Bremen-Nord (SKBN) entpuppt. Der Neuzugang fügte sich prima ins Team ein.
01.01.2020, 12:35 Uhr
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Von Karsten Hollmann

Bremen-Nord. Als echter Glücksfall hat sich Khaled Bagh für den Schach-Klub Bremen-Nord (SKBN) entpuppt. Der Neuzugang fügte sich prima ins Team ein und entschied auch seine ersten beiden Partien in der Landesliga Nord zu seinen Gunsten. In der Begegnung mit dem Spitzenreiter SV Werder Bremen III traf der 20-Jährige dann an Brett sieben mit Timur Elmali auf einen Kontrahenten, der eine wesentlich höhere Wertungszahl aufweist. Damit war seine erste Einzelniederlage praktisch bereits vorprogrammiert.

Dennoch trug der Syrer seinen Teil dazu bei, dass die Nordbremer sich in der Landesliga bislang hervorragend schlagen. Khaled Bagh studiert seit Herbst 2018 an der Jacobs-University Robotik im Hauptfach und Elektrotechnik im Nebenfach. Dabei hatte sich sein Vater so sehr gewünscht, dass sein Sohn genau wie er selbst auch Arzt wird.

„In Syrien verdient man nur als Doktor vernünftiges Geld“, erklärt Bagh. Dieser schloss schließlich einen Kompromiss mit seinem Vater. Wäre er in Syrien geblieben, hätte er Medizin studiert. Im Ausland durfte sich der angehende Ingenieur dann jedoch selbst seinen Beruf auswählen. Aber dennoch tritt eines seiner Kinder in die Fußstapfen von Papa Bagh. Die Schwester von Khaled Bagh, Nancy Bagh, ist Ärztin in Berlin.

Nancy Bagh war auch der Grund, weshalb sich ihr jüngerer Bruder nach der Absolvierung einer zweijährigen Hochschulzeit im Himalaya in Indien dazu entschied, nach Deutschland zu kommen. „Nancy hat mir nur Gutes über Deutschland berichtet“, sagt Khaled Bagh. Dieser versteht sich auch sehr gut mit seiner Schwester. „Ich besuche sie häufig in Berlin. Das ist schließlich auch eine schöne Stadt“, teilt der junge Mann mit.

Khaled Bagh hat auch noch einen jüngeren Bruder, Aslan (19), sowie einen älteren Bruder, Nart (25), die beide noch in Damaskus, der syrischen Hauptstadt leben. Aslan Bagh hatte seinen ein Jahr älteren Bruder vor acht Jahren in Damaskus mit zum Schach genommen. Khaled Bagh trat schließlich im Gegensatz zu Aslan später auch einem Klub in Damaskus bei. Seitdem spielt Khaled Bagh auch häufig Online-Schach. In Syrien wurde er dabei das eine oder andere Mal unterbrochen.

„Wir hatten oft einen Ausfall der Elektrizität“, berichtet der 20-Jährige. In Deutschland kann er sich seinem Sport nun aber ganz ohne lästige Unterbrechungen auch am heimischen Computer widmen. Einmal in der Woche sitzt er aber auch beim SKBN ganz außerhalb der virtuellen Welt seinen Klubkameraden Auge in Auge gegenüber. „Viel häufiger hocke ich aber vor dem PC und spiele Schach“, räumt der Syrer ein.

Sehr gerne schaut sich Khaled Bagh auch alte Spiele seines großen Vorbilds Garry Kasparov im Internet an. „Mein Lehrer in Syrien hat mir auch immer alte Videos von den großen Spielern aus der Vergangenheit gezeigt“, lässt Bagh wissen. Auch dank des Studiums der alten Weltmeister hat es der Sportler mittlerweile bereits auf eine Wertungszahl von 1973 Punkten gebracht. Damit soll aber noch lange nicht das Ende der Fahnenstange erreicht sein. „Ich möchte gerne mal auf 2100 Punkte kommen. Dafür arbeite ich hart“, versichert Khaled Bagh. Beim SKBN haben sechs Akteure eine höhere Wertungsziffer als Bagh. „Es sind also sechs Spieler in meinem Verein besser. Deshalb trete ich auch an Brett sieben an“, informiert Bagh.

Gerd Janusch hat mit seinen 2115 Zählern schon das erreicht, was der Syrer auch mal erreichen möchte. Mit dem Internationalen Meister Tobias Jugelt besitzt ein weiterer Teamkollege sogar 2385 Punkte. Noch beißt sich Khaled Bagh an solchen Konkurrenten die Zähne aus. „Von denen kann ich aber noch viel lernen“, betont das große Talent. Er sei auch sehr herzlich von seinen Kollegen in seinem neuen Verein aufgenommen worden: „Ich mag auch die gute Atmosphäre im Klub.“

Wenn sich Khaled Bagh mal körperlich abreagieren möchte, spielt er gerne Basketball. Einem Klub möchte er in dieser Sportart aber nicht beitreten, auch wenn sich das dritte Team von Basketball Lesum Vegesack aus Spielern seiner Universität speist. Mit Fußball hat Bagh hingegen nicht viel am Hut. Der Aktive ist ein großer Fan von Filmen aus den 1960er und 1970er Jahren. „Die wurden immer bei uns in Damaskus im Cinema-Klub ausgestrahlt“, sagt Bagh. Dort sei er mit Filmen aus der ganzen Welt in Berührung gekommen. „Vor allem die japanischen und die italienischen Filme haben es mir dabei angetan“, so Khaled Bagh. Einer seiner Lieblings-Regisseure sei der Italiener Roberto Benigni, der vor 20 Jahren mit dem Streifen „Das Leben ist schön“ den Oskar für den besten fremdsprachigen Film gewann.

Ob Khaled Bagh nach Beendigung seines Studiums wieder nach Syrien zurückkehren wird, ist ungewiss. „Das hängt besonders davon ab, wie es in ein paar Jahren mit der Sicherheit in meinem Heimatland bestellt sein wird“, erklärt der Student. Derzeit sei es durch die große militärische Präsenz Russlands zumindest an den Küsten sehr sicher. Damaskus liegt jedoch im Landesinneren.

Zur politischen Lage möchte sich Khaled Bagh nicht äußern. „Es ist aber alles sehr kompliziert“, verrät Bagh. Auch ein Heimatbesuch während seines Studiums hänge maßgeblich von der Sicherheit in Syrien und im Libanon ab. In Deutschland findet der 20-Jährige eigentlich alles gut, bis auf das Wetter: „Das könnte wirklich besser sein.“ Aus Syrien sei er heiße Sommer und kalte Winter gewohnt. Einen eigenen Roboter habe er im Laufe seines Studiums noch nicht gebaut. „Das Studium macht aber auch so sehr viel Spaß“, beteuert der Schachspieler. Er genieße auch das Essen in den syrischen Restaurants in Bremen, auch wenn dieses ihm ein wenig zu „mainstreamig“ sei.

„Selbst bin ich leider kein guter Koch“, gesteht der Syrer, der mit zahlreichen Mitstudenten in der Nähe von Schönebeck wohnt. Sein Hauptziel für die nächsten Monate ist es nun, die deutsche Sprache besser zu lernen. „Meine Teamkollegen helfen mir aber dabei, indem sie viel deutsch mit mir reden“, so Khaled Bagh – sein Englisch ist dagegen jetzt schon ausgezeichnet.

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