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Oberschule Lerchenstraße Schule sucht Assistenzkraft

Wie Lehrer sollen künftig auch Assistenzkräfte für Inklusionsklassen zentral gesteuert werden. Das regt eine Schulleiterin aus Bremen-Nord jetzt an. Wie problematisch die Lage an der Schule ist.
19.09.2023, 06:00 Uhr
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Schule sucht Assistenzkraft
Von Patricia Brandt

Keine einzige Bewerbung hat es auf die Stellenanzeige des Martinsclubs für eine Klassen-Assistenz an der Lerchenstraße in Aumund-Hammersbeck gegeben. Schulleiterin Kirsten Addicks-Fitschen glaubt, dass dies etwas mit dem Standort der Oberschule zu tun hat. „Seit zwei Jahren wird es zunehmend schwieriger, jemanden nach Bremen-Nord zu bekommen. Das gilt nicht nur für Lehrer, sondern auch für Assistenzen.“ Sie regt deshalb eine zentrale Steuerung der Assistenzkräfte an, „damit Bremen Nord davon profitieren kann.“ Andere Schulleiter unterstützen den Vorstoß. Was der Martinsclub dazu sagt.

In jedem Jahrgang der Oberschule an der Lerchenstraße gibt es eine Klasse mit Kindern, die Störungen in der Wahrnehmung (W) und Entwicklung (E) haben. An diesem Vormittag sitzen fünf der sogenannten W- und E-Kinder in einem Klassenraum zusammen. „Wir haben uns gerade die Logo-Nachrichtensendung für Kinder angesehen und wollen nun zusammenfassen, was gestern in der Welt passiert ist“, berichtet ihr Lehrer. Die Jungen und Mädchen an der Gruppe lächeln schweigend, einer stöhnt. Im Moment erscheint alles ruhig. Im nächsten Augenblick kann es allerdings ganz anders sein. „Es sind zum Teil fremdaggressive Kinder“, erklärt die Schulleiterin. „Die schlagen sich, werfen mit Gegenständen und wir haben Kinder, die andere Kinder angegriffen haben." Ein guter Betreuungsschlüssel sei hier notwendig, um gut mit den Kindern arbeiten zu können: „Eine Wahrnehmung- und Entwicklungs-Klasse hat Anspruch auf einen Sonderpädagogen und eine Klassenassistenz. Es gibt besondere Bedarfe, herausfordernde Schüler, die dann zusätzlich durch eine Drittkraft unterstützt werden.“

Problematisch wird es, wenn das Personal fehlt. „Ab Februar verlieren wir den Sonderpädagogen. Wenn die Sonderpädagogin oder der Sonderpädagoge fehlt, findet kein Unterricht statt, sondern nur eine Betreuung durch die Assistenz. Das Recht auf Unterricht kann dann nicht gewährleistet werden“, erläutert die Schulleiterin. Die nächste Schwierigkeit: Auch Assistenzkräfte sind gerade für die Oberschule nicht zu bekommen, die Bewerberlage seit Sommer mau. Die Behörde sei über die Situation informiert. „Die Behörde hat angefangen, die Referendare zentral zu steuern, das finde ich gut. Das ist der richtige Schritt, denn häufig ist es so, dass die Referendare in der Schule bleiben, in der sie ausgebildet wurden. Das ist der Klebeeffekt. Aber wir brauchen auch eine Steuerung der Assistenzen“, meint Kirsten Addicks-Fitschen.

Kämpfen um jede einzelne Kraft

Die Schulleitung steht mit ihrem Wunsch nicht allein. Stephan Wegner, Studiendirektor der Oberschule In den Sandwehen, unterstützt die Forderung nach einem zentralen Pool für Assistenzkräfte. „Da sind wir sofort dabei, wenn Assistenzen bremenweit gerecht verteilt werden“, kommentiert der Studienrat. „Es muss eine zentrale Steuerung geben, damit Schulen nicht aufgrund ihrer geografischen Lage oder höheren Arbeitsanforderung leer ausgehen.“   

Welche Chance besteht, dass die Oberschule eine Assistenz bekommt, kann der Martinsclub nicht seriös einschätzen. "Wir sind uns der aktuellen Problematik an der Schule bewusst und versuchen händeringend, Personal zu finden, um diese Lücke zu schließen. Dazu sowie ganz allgemein steht der Martinsclub in ständigem, gutem Austausch mit der Bildungsbehörde", berichtet Sprecher Ludwig Lagershausen auf Anfrage. Doch wegen des kaum zu beherrschenden Fachkräftemangels in der Sozialbranche müsse der Martinsclub um jede einzelne Fachkraft kämpfen. Dass Bremen-Nord besonders benachteiligt sei, sieht Lagershausen nicht so. "Die Stellenbesetzung in Bremen-Nord unterscheidet sich kaum zur Situation in anderen Stadtgebieten. Es ist tatsächlich überall sehr schwierig, Fachkräfte zu finden, das gilt nicht nur für Bremen-Nord."

Martinsclub setzt auf Mitbestimmungsrecht

Der Vorschlag, die Assistenzen zentral zu suchen und in die Schulen zu steuern, sei ohnehin nicht ohne Weiteres umzusetzen. Ludwig Lagershausen: "Der Martinsclub selbst darf entsprechende Versetzungen beziehungsweise  Zuweisungen nicht anordnen. Selbstverständlich wird je nach Bedarf versucht, die Fachkräfte dorthin zu steuern, wo der Bedarf am größten ist." Dies geschieht bisher allerdings nur auf freiwilliger Basis. Lagershausen betont: "Außerdem ist uns wichtig, dass die Mitarbeitenden mitentscheiden, wo sie arbeiten wollen. So kann beispielsweise ein kurzer Arbeitsweg oder Ähnliches berücksichtigt werden. Zufriedene Mitarbeitende sind uns wichtig. Dies trägt auch dazu bei, Fachkräfte zu halten."

Wie viele Assistenzen aktuell in Bremen-Nord fehlen, kann Ludwig Lagershausen nicht sagen, da auch andere Träger Assistenzkräfte vermitteln. Der Martinsclub wird seitens der Bildungs- oder Sozialbehörde mit der Erbringung einer Assistenzleistung beauftragt. Bezogen auf die Stellen in Bremen-Nord, die von den Behörden an den Martinsclub vergeben wurden, seien aktuell unter zehn Prozent unbesetzt. "Prozentual gesehen ist der Wert verglichen mit dem letzten Jahr etwa gleich geblieben. Das ist angesichts des Personalmangels immerhin keine schlechte Nachricht."

Dennoch fehlten Fachkräfte im gesamten Sozialwesen ebenso wie in vielen anderen Berufszweigen. "Es ist ein gesellschaftliches Problem, das erhebliche Auswirkungen hat", so Ludwig Lagershausen. "Auch die Politik ist gefragt, denn nach wie vor bedarf es einer finanziellen und strukturellen Aufwertung sozialer Berufe. Trotz vieler Beteuerungen passiert auf diesem Feld leider viel zu wenig."

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