Am Wilden Majoran, auch Dost genannt, wimmelt es von Bienen, Hummeln, Schwebfliegen und Tagfaltern. Henrich Klugkist fängt einige dieser Blütenbesucher mit dem Kescher und führt sie den Teilnehmern vor. Anschließend dürfen die Insekten wieder in die Freiheit fliegen. Der Biologe leitet eine Exkursion auf dem Gelände der Ökologiestation, bei der sein Hauptaugenmerk den Heuschrecken und Libellen gilt – in einer Jahreszeit, in der sie besonders häufig sind.
Doch im großen Garten der Ökologiestation in Schönebeck mit seinen Kräuterbeeten kommen eben mehr Insekten vor als diese beiden Gruppen. Ein himmelblauer Faulbaum-Bläuling, zahlreiche Große Ochsenaugen und Kohlweißlinge setzen sich auf Dost und Johanniskraut. Auf einer Blüte fängt Biologe Klugkist eine auffällig große Hummel-Schwebfliege. "Diese Art imitiert Hummeln, gehört aber zu den Zweiflüglern und hat keinen Giftstachel", erläutert der Exkursionsleiter – ein Täuschungsmanöver, das bei zahlreichen Insektenarten auftritt.
Es dauert einige Zeit, bis Henrich Klugkist im Garten die erste Heuschrecke entdeckt: "Die braune Strauchschrecke besiedelt die hochwüchsigen Wildnisbereiche im Garten", sagt er und macht auf die dünnen Fühler aufmerksam, die länger sind als der gesamte Körper. Damit gehört die Strauchschrecke in die Gruppe der Langfühlerschrecken, während die bekannten Grashüpfer nur über kurze Fühler verfügen.

Heuschrecke im Röhrchen: Sie wurde wieder freigelassen, nachdem alle Exkursionsteilnehmer genug gesehen hatten.
Ein Vertreter dieser Kurzfühlerschrecken sonnt sich auf den Brettern des Bohlenwegs: die Große Goldschrecke. Bei dieser liebenden Art, die es feucht mag, unterscheiden sich die Geschlechter deutlich: Während die Männchen grün und leicht metallisch gefärbt sind, bleiben die Weibchen unscheinbar grünbraun, werden aber deutlich größer.
Klugkist erklärt auch, wie das leise Sirren und Zirpen zustande kommt, das sich aus den hoch aufgewachsenen Wiesen und aus dem Gebüsch vernehmen lässt: Die Laubheuschrecken reiben ihre Flügel aneinander, die mit sogenannten Schrill-Leisten versehen sind, die Feldheuschrecken dagegen fahren mit ihren dornenbewehrten Hinterbeinen am Flügel entlang – leise Gesänge der Männchen, die für die Weibchen unwiderstehlich sind.
Heuschrecken sind Weitsprungkünstler, die fast überall im offenen Gelände der Ökologiestation zu finden sind. Dagegen zeigen sich die blitzschnellen Wendemanöver der Libellen erst am Teich. "In den vergangenen Jahren hat sich der Klimawandel auch auf die Insektenwelt spürbar ausgewirkt", sagt Henrich Klugkist, "manche Arten haben ihr Areal vom Mittelmeer in den norddeutschen Raum ausgedehnt und sind auch bereits in Bremen zu finden." Dazu gehören zum Beispiel die Gemeine Sichelschrecke und die Sandschrecke unter den Heuschrecken, unter den Libellen die knallrote Feuerlibelle und die Südliche Heidelibelle. Als wechselwarme Tiere reagieren diese Insektengruppen sehr schnell auf die globale Erwärmung, die auch die Bremer Fauna bereits verändert hat.