Eine Landschaft, die leuchtet: Der blaue Himmel mit riesigen weißen Wolken spiegelt sich im Wasser der Wümme, die das frische Grün einer Niederung durchfließt – eine Arbeit von Frauke Beeck, die sie mit Lack auf Papier gesprüht hat. Seit 50 Jahren zeigt der "Wümmekalender" Landschaften entlang dieses Flusses, der durch Moore, Geest-, Marsch- und Waldlandschaften strömt. Und seit 40 Jahren gibt die in Bremen geborene Künstlerin Frauke Beeck dem Kalender, den das Ottersberger Druckhaus Froben herausgebracht hat, sein Gesicht – mit vielen experimentellen Arbeiten, die mit Lackspray auf Papier oder als Pastell-Collagen entstanden sind. Anlässlich des Kalender-Jubiläums zeigt das Overbeck-Museum eine Rückschau auf mehrere Jahrzehnte des künstlerischen Schaffens von Frauke Beeck. Die Bilder von Fritz und Hermine Overbeck im Museum laden dabei zu einem Vergleich ein: Wie unterschiedlich können Natur und Landschaft gesehen werden? Wie haben sich die Sichtweisen verändert?

Frauke Beeck bei Arbeiten am Titelbild des Wümmekalenders.
„Zahlreiche Künstler haben die Wümmeniederung bereits dargestellt“, sagt Katja Pourshirazi, Leiterin des Overbeck-Museums, bei der Vernissage zur Ausstellung, „und so liegt mittlerweile eine dicke Schicht von Klischees über der Landschaft". Sie fragt, ob sie durch die Bilder von Fritz und Hermine Overbeck nicht inzwischen unmalbar gemacht wurde. Um die Klischees aufzubrechen, sei Mut zum Experiment gefordert, den Frauke Beeck aufbringe. Ihr gelinge es, die Betrachter die Wümmelandschaft wieder sehen zu lassen. Dabei verwendet sie eine Technik, die durch Graffiti an Häuserwänden häufig als Ärgernis empfunden wird. „Doch bei Frauke Beecks Arbeiten handelt es sich um präzise, mit viel Überlegung und Aufwand geschaffene Kunstwerke, die eine neue Sichtweise in die Landschaft bringen“, sagt die Museumsleiterin.

Eine weitere Arbeit von Frauke Beeck, die derzeit im Overbeck-Museum ausgestellt wird.
Frauke Beeck, 1960 in Bremen geboren, lebt heute in Berlin. Sie studierte Kunst und Biologie an der Universität Hannover und entfaltete in ihrer künstlerischen Laufbahn eine vielseitige Tätigkeit, bei der Spraybilder, Wandbilder, Collagen, Installationen und vieles mehr entstanden. Seit 1996 engagiert sie sich stark für den künstlerischen Austausch mit China. So hat der Ferne Osten auch Eingang in manche ihrer Bilder gefunden: Bei Werken, die aus Luftaufnahmen der Wümmeniederung entstanden, tauchen Elemente der Landschaft kalligrafisch vereinfacht auf – wie mit chinesischer Tusche gemalt.
Gesprühte Bilder und Pastellzeichnungen
In der Werkschau im Overbeck-Museum dominieren gesprühte Bilder, doch es finden sich auch Darstellungen von Birken, Wolken oder Wasser, die mit Pastellstiften gezeichnet sind. „Sie entstanden vor Ort, draußen in der Landschaft, die Spraybilder hingegen alle im Atelier“, erläutert Frauke Beeck, die für die gesprühten Werke auch Fotografien als Vorlagen nutzt, die sie selbst in der Wümmeniederung gemacht hat. „Ich klebe immer wieder Flächen mit Papier ab und entwickele so Schritt für Schritt die Komposition“, sagt sie. Doch auch wenn die Farben auf dem Papier schnell trocknen, bleibt ihr Zeit, die Flächen zuweilen mit Kratzern oder Schraffuren zu verfeinern, zum Beispiel, um im Grün Gräser anzudeuten.

In der Werkschau im Overbeck-Museum dominieren gesprühte Bilder, doch es finden sich auch Darstellungen von Birken, Wolken oder Wasser, die mit Pastellstiften gezeichnet sind.
Die umfangreiche, durch Vielfalt überraschende Ausstellung im Overbeck-Museum zeigt, dass Frauke Beeck im Laufe der Jahre immer wieder neue Blickwinkel eingenommen, also gleichsam mit ihrer eigenen Wahrnehmung experimentiert hat: „Im Jahre 2020 entstand durch die Corona-Pandemie eine neue Sicht auf die Dinge. Durch die Einschränkungen erlangten kleine Dinge größere Aufmerksamkeit“, schreibt Frauke Beeck auf ihrer Internetseite. So malte sie für den Wümmekalender 2021 mit Pastellkreiden Pralinen, Cocktailgläser, Auslagen von Brot in einer Bäckerei und Gartenzwerge. In den vergangenen Jahren nahm sich die Künstlerin jeweils eines Hauptthemas für den Wümme-Kalender an, wie zum Beispiel Blumen, Wasser, Wolken, Gärten oder auch Gewerbe, und setzte dabei die verschiedensten künstlerischen Techniken ein. Es gibt Bleistiftskizzen, Aquarelle und Mixed Media.

Das Overbeck-Museum zeigt eine Rückschau auf mehrere Jahrzehnte künstlerischen Schaffens von Frauke Beeck.
Beim Vergleich der Landschaftsbilder von Fritz und Hermine Overbeck mit denen von Frauke Beeck prallen frühere und heutige Nutzung der Wümmeniederung unweigerlich aufeinander: „Zu Zeiten Overbecks glaubte man noch, die Natur sei so übermächtig, dass der Mensch ihr niemals etwas anhaben könnte“, sagt die Museumsleiterin „doch damals wusste man noch nichts von Mooren als CO2-Speichern oder schmelzenden Gletschern, und es bricht mir das Herz, wenn es Natur wie zu Overbecks Zeiten vielleicht bald nicht mehr geben wird“, sagt Katja Pourshirazi.