Robert ist baff. Sein Kiosk als Kunst! Das hat er nicht gewusst, noch nicht einmal geahnt, und deshalb staunt er jetzt, als ihm zwei Motive gezeigt werden. Das eine mehr abstrakt, das andere nach der Vorlage eines Fotos, das von der Künstlerin verfremdet wurde. Zwei Werke, die den Kiosk in der Scharnhorststraße stilisieren, er wird zur Ikone, was Robert, so wie er tickt, als puren Quatsch abtun würde. Beeindruckt ist er trotzdem, und noch einmal mehr, als er erfährt, dass eines der beiden Objekte in einer Galerie ausgestellt war und für mehrere Tausend Euro verkauft wurde. Die windschiefe gelbe Bude gehört seitdem zur Welt der Kunst. Eine bizarre Vorstellung, aber die Wahrheit.
Die beiden Arbeiten sind vor rund 15 Jahren entstanden und stammen von Frauke Beeck, einer gebürtigen Bremerin, die in ihrer Heimatstadt und in Berlin lebt. Wie sie auf den Kiosk gekommen ist? "Ich habe dort öfter Zeitungen gekauft", sagt Beeck, "außerdem ist er besonders schön mit dem leuchtenden Gelb, der Sonne des kleinen Mannes."
Die 61-Jährige ist zur Bude gekommen, um sich mit dem Reporter zu unterhalten, der dort noch bis Ende November jeden Nachmittag als Aushilfe arbeitet und nebenher Geschichten für die Zeitung hereinholt. Sie hat einen Schuber mit Motiven aus Bremen mitgebracht. "Der Kiosk ist Teil eines größeren Projekts, das verschiedene kommerzielle und kommunikative Punkte in der Stadt versammelt", erklärt die Künstlerin.
Das große fotorealistische Bild ist auf Metall gesprayt und misst 1,20 mal 2,10 Meter. Gekauft hat es das Max-Planck-Institut in Göttingen. Zu sehen ist der Kiosk in seiner ganzen Pracht. "Schau", sagt Robert, als wir uns über das Motiv beugen, "damals habe ich noch Batterien gewechselt." Stimmt, ein Schild weist darauf hin. Und noch etwas aus dieser Vergangenheit, es ist der Schriftzug, der an der Bude prangt: Kiosk Scharnhorsteck. Heute steht nichts mehr drüber, einen Namen gibt es trotzdem, er ist unter anderem bei Google zu finden: Volkskiosk. Robert heißt Volk mit Nachnamen. "Die Scharnhorststraße ist meine Stalinallee", sagt er. Wieder einer seiner derben Scherze.
Frauke Beeck, die viel in China ausgestellt hat und dort auch als Kuratorin wirkte, erzählt zuletzt noch von einem Langzeitprojekt, mit dem sie sich seit 40 Jahren beschäftigt. Es ist der Wümmekalender, der von einer Druckerei in Ottersberg herausgegeben wird. Die Themen sind zum Beispiel Wasser, Wolken und Bäume. Beeck verwendet wie immer Spraytechniken, zeichnet aber auch. Die Motivsammlung hat nichts mit dem gleichnamigen Kalender der Stiftung Nordwest Natur zu tun, der jedes Jahr mit Motiven aus der Wümme-Region erscheint. Der Unterschied erschließt sich einem sofort, wie beim Kiosk, der jetzt wieder sein Recht fordert, Kundschaft! Das eine die Kunst, Verfremdung. Das andere die Realität.