Passagen“ haben die sechs Herren der Fotogruppe Blendwerk’01 ihre Jahresausstellung genannt, zu sehen ab Sonntag im Kito. Bei diesem Titel mögen Zeitgenossen mit kulturphilosophischer Neigung vielleicht an „Passagen“ von Walter Benjamin denken, geografisch Beschlagene dagegen an Sir John Franklin, der sich Mitte des 19. Jahrhunderts auf die – letztlich vergebliche – Suche nach der Nordwestpassage gemacht hat. Und dem Konsum zugewandte Mitmenschen mögen an Einkaufspassagen denken, vor Ort nicht zuletzt an die Gerhard-Rohlfs-Passage.
Doch so einfach (sprich: banal) wollten es sich Klaus Baete, Jürgen Beuren, Hans Bittner, Michael Jacoby, Meinhard Jantz-Kondering und Klaus-Peter Kehl nicht machen. Den schnell auf Einkaufstraßen und Eismeerschneisen reduzierte Begriff wollten sie dann doch erweitert sehen. Erweitert etwa um das Hören einer Passage eines Musikstückes, um den Abschnitt einer Reise, den Auszug aus einem Text, erweitert gar um das Leben überhaupt, als Über- und Durchgang von einem Vor-dem-Leben zu einem Nach-dem-Leben.
Dreißig Bilder hat die Gruppe Blendwerk’01 zusammengetragen. Jedes für sich greift den Begriff Passage auf und stellt es auf seine Art dar: Bei Michael Jacoby fließt alles, selbst der starre Metallbolzen als Teil einer Konstruktion, wenn er denn rostet und „von vergangener Wichtigkeit träumt“. Und wenn man ihn herauszieht, gewährt ein kleines Loch einen großen Durchblick. Für Klaus Baete sind Platinen auf Computerchips eigentlich auch nicht mehr als Passagen. Peter Kehl hingegen findet seine Passagen in einer Passage. Er fotografiert zerfledderte Plakate in einem Tunneldurchgang, auf denen sich Gesichter zeigen, wie etwa das Spiegelbild hinter den Eisblumen eines gefrorenen Spiegels. Mal mit Angst besetzt, mal gelassen annehmend, sollen diese Gesichter „das Leben als Passage“ zeigen, „zwischen der Phase vor der Geburt und der Phase nach dem Tod“. Hans Bittner will sich hingegen nicht in nur einen Aspekt des vorgegebenen Themas vertiefen. Sein Ziel war, „die Vielfalt der Passagen mit einigen Bildern darzustellen“. Zum Beispiel mit einem von Kondensstreifen durchfurchten Himmel über einer Wohnsiedlung.
Manche Auslegung erscheint also recht subjektiv, wird sich gar den Vorwurf der Willkürlichkeit gefallen lassen müssen; manche zeigt sich dagegen recht konkret und griffig. Mit den Fotos von Jürgen Beuren und Meinhard Jantz-Kondering treffen diese Antipoden wohl am deutlichsten aufeinander, zumal sie in unmittelbarer Nachbarschaft gehängt sind: Beurens Eisgangbilder, aufgenommen auf einer Reise an den 80. Breitengrad (mithin nach Spitzbergen) erinnern ganz konkret an die schon erwähnte Nordwestpassage entlang der Nordflanke des amerikanischen Kontinents. In ebenbürtiger Stimmung zwar, dafür aber in sehr freier Auslegung übt sich dagegen besonders Jantz-Kondering mit seiner „Passage auf Langeoog“. Er sagt dazu: „Am Übergang von der Nacht zum Tag, vom Land zum Meer, finden sich Menschen zusammen zu einer Morgenmeditation.“ Und mehr noch findet sich auch ein Zusammenspiel seiner Fotos mit den Gedichten „Passagen“ der Nordbremer Autorin Ursula Pickener, quasi als Übergang vom Bild zur Sprache und retour.
Autorin und Fotograf sagen dazu übereinstimmend, dass sich Bild und Sprache wechselseitig inspiriert haben. Um das zu belegen, wird Ursula Pickener mit ihrer Kollegin Martina Burandt am 10. März im Rahmen der Ausstellung eine Lesung abhalten.
Lesung und Fotografengespräche
Die Jahresausstellung der Fotogruppe Blendwerk’01 ist ab Sonntag, 10. Februar, im Kito, Alte Hafenstraße 30, zu sehen. Eröffnung ist um 12.30 Uhr. Es sprechen Katja Pourshirazi, Leiterin des Overbeck-Museums, und Kito-Vorsitzender Thomas Pörschke. Die Ausstellung läuft bis zum 28. April. Öffnungszeiten täglich außer montags von 11 bis 18 Uhr. Im Rahmen der Ausstellung gibt es Sonntag, 10. März, um 11.30 Uhr eine Lesung mit Ursula Pickener und Martina Burandt. An den Sonntagen, 24. Februar, 24. März und 14. April, finden zudem jeweils um 11 Uhr Fotografengespräche statt.