Das Quietschen von Reifen und ein gellender Schrei schrecken Anwohner der Hammersbecker Straße am 16. August gegen 19 Uhr in der Wohnung auf. Ein Nordbremer und seine 15-jährige Tochter gucken aus dem Fenster und laufen sofort zum Unfallort. Auf der Fahrbahn in Höhe der Haltestelle Blumenhorster Straße, schräg gegenüber der Einfahrt zum Netto-Markt, liegt ein schwer verletztes Kind. Die beiden Zeugen alarmieren umgehend die Rettungskräfte.
Später erfahren Vater und Tochter, dass der verunglückte Junge mit seiner Schwester und einem Hund unterwegs gewesen ist. Beim Versuch, die Hammersbecker Straße zu überqueren, ist er offenbar dem Hund hinterhergelaufen und direkt vor ein Auto gerannt. Dabei, so schätzt der Anwohner anhand der Unfall-Markierungen auf der Fahrbahn, sei das Kind ungefähr zwölf Meter durch die Luft geschleudert worden.
„An dieser Stelle sind schon mehrere Unfälle passiert“, sagt Jette Hinrichsen, die 20-jährige Tochter des Zeugen. Auch sie wohnt in der Nähe des Unglücksortes. Kurz nach dem Unfall traf sie ihren Vater und die jüngere Schwester. „Meine Schwester war total verheult und traumatisiert“, sagt die angehende medizinische Fachangestellte. Für Jette Hinrichsen, die derzeit auf einen Medizinstudienplatz wartet, war die Katastrophe der Anlass, noch am selben Tag E-Mails an die Verkehrsunfallstelle und das Statistische Landesamt zu schicken, um die genaue Anzahl der Unfälle an der Hammersbecker Straße in Erfahrung zu bringen.
Knapp zwei Wochen später kamen die Daten. „Das Ergebnis hat mich ziemlich schockiert“, sagt die Auszubildende. Für das Jahr 2015 sind 62 Verkehrsunfälle verzeichnet, 2016 gab es 75 Unfälle und im Jahr 2017 sind 69 Unfälle registriert worden.
Weiter Weg bis zur Ampel
Auf eigene Faust hat Hinrichsen die Strecke zwischen den vorhandenen Fußgängerampeln ausgemessen: 1,3 Kilometer liegen zwischen dem Übergang am Klinikum Bremen Nord und der Grundschule Hammersbeck. „Kein Fußgänger würde solch eine Strecke bis zur nächsten Ampel in Kauf nehmen“, vermutet die junge Frau. Beobachtet hat sie auch, dass die meisten Autofahrer ordentlich auf die Tube drücken, wenn niemand die Ampeln betätigt. „Die Straße ist lang, gerade und hat einen superguten Asphalt. Da fährt keiner 50.“
Jette Hinrichsen hat daher eine Petition an die Bremische Bürgerschaft gerichtet, die seit 28. August auch online ist und durch die Bürger unterstützt werden kann. Ziel ist, dass auf Höhe des Netto-Marktes nahe der Bushaltestelle ein Fußgängerüberweg geschaffen wird. „Am liebsten mit Ampel oder Zebrastreifen“, sagt die 20-Jährige.
Für ihr Anliegen hat sie auch Klinken geputzt, ist in Vegesack von Haus zu Haus gelaufen und hat Unterschriften gesammelt. Noch liegen die Listen auf dem heimischen Küchentisch, weil andere Listen noch im Umlauf sind. Bald werden die Unterschriften eingereicht. „Bisher haben 325 Leute unterschrieben, etwa 150 habe ich persönlich angesprochen“, erklärt die couragierte 20-Jährige. Die anderen Bürger haben in Praxen, Restaurants und Geschäften auf ausliegenden Listen unterzeichnet. „Ich habe extra farbige Klemmbretter genommen, damit sie auffallen.“
Offenkundig wünschen sich viele Nordbremer auf Höhe des Discounters einen Fußgängerüberweg, auch damit die Kunden aus dem gegenüberliegenden Wohngebiet problemlos die Straße überqueren können. „Ich selbst habe schon oft Rollator-Fahrer beobachtet, die auf dem Weg nach Hause versucht haben, den hohen Bordstein zu überwinden. „Manche kommen da nicht hoch und verlieren sogar ihre Einkäufe“, sagt Jette Hinrichsen. Dabei sei Eile geboten, weil die Autos so schnell fahren.
Vor Ort bestätigt sich diese Einschätzung. Am frühen Nachmittag sausen Autos, Motorräder und Transporter mit sichtlich überhöhter Geschwindigkeit über die innerstädtische Straße. Haltende Linienbusse und eine Litfaßsäule versperren zudem die Sicht auf den Verkehr. Wer die Hammerbecker Straße überqueren möchte, muss außerdem das Tempo richtig einschätzen und sich sputen.
Eine Radfahrerin ist abgestiegen und wartet geduldig, bevor sie zur anderen Seite wechselt. Kinder mögen ungeduldiger sein. Auf dem Asphalt sind noch die weißen Markierungen von dem jüngsten Unglück zu sehen. Jette Hinrichsen zeigt auf weitere gelbe, schon verwaschene Schriftzeichen und vermutet: „Die sind sicher noch von einem anderen Unfall.“
Wer den Bau eines Fußgängerüberweges an der Hammersbecker Straße unterstützen möchte, hat auch online dazu Gelegenheit. Jette Hinrichsen empfiehlt, die Seite auf dem Computer aufzurufen, da die erforderliche Unterschrift via Handy nicht so leicht zu leisten ist. Die Petition ist auf der Seite petition.bremische-buergerschaft.de zu finden. Die Mitzeichnungsfrist endet am 9. Oktober.