Herr Steines, was ist das für ein Gefühl, noch acht Tage für zwei große Gebiete der Stadt verantwortlich zu sein und dann nicht mehr?
Michael Steines: Es ist ein gemischtes Gefühl. Einerseits freue ich mich darauf, mehr Zeit für meine Familie und mich zu haben. Anderseits ist es kein kleiner Schritt in meinem Leben, nach 45 Jahren aus dem Dienst zu scheiden.
Welche Region hat Ihnen in dieser Zeit denn mehr Arbeit gemacht: der Westen oder der Norden?
Ich will da eigentlich nicht von Arbeit sprechen.
Sondern?
Es war eine verantwortungsvolle Aufgabe und mir eine Ehre und ein Vergnügen, für die beiden Gebiete zuständig zu sein.
Wie kann Verbrecherjagd denn ein Vergnügen sein?
Man hat ja nicht ausschließlich mit Tätern zu tun, sondern viel öfter mit ganz normalen Menschen. Und mit und für sie zu arbeiten, war mir immer ein Vergnügen.
Inwiefern?
Der Westen der Stadt ist ein sehr hektisches und quirliges Gebiet. Jeden Tag passiert etwas Anderes.
Im Norden nicht?
Im Norden ist es einen Tick anders. Burglesum, Vegesack und Blumenthal sind bürgerlicher. Die Einsatzlage ist etwas ruhiger als in Gröpelingen und Walle. Allerdings: Wenn etwas passiert, dann sind nicht selten immer mehrere Menschen beteiligt. Wir nennen das eine Tumultlage.
Manche sagen, dass beide Regionen problematische Regionen sind. Was sagen Sie?
Polizeibeamte haben häufig einen anderen Blick auf die Dinge. Sie stehen vor unterschiedlichen Herausforderungen, weil auch die Menschen so unterschiedlich sind. Mit ihnen zu arbeiten ist mir wichtig. Ich verstehe die Polizei als Bürgerpolizei. Für mich sind die Regionen deshalb nicht problematisch, sondern spannend.
Was sind denn für Sie die Grohner Düne, das Blumenthaler Zentrum und die Lüssumer Heide, wenn nicht Problemviertel?
Es gibt kein Gebiet in der Stadt, das komplett ohne Probleme ist. Sicherlich haben die Grohner Düne, das Blumenthaler Zentrum und die Lüssumer Heide Schwierigkeiten. Aber eben nicht nur. Deshalb fällt es mir schwer, ausschließlich von Problemvierteln zu sprechen.
Sie hatten mit Beamten zu tun, die sich während des Einsatzes aus schwierigen Quartieren zurückgezogen haben – und mit Politikern, die das kritisierten. Wie schwer war die Auseinandersetzung damit?
Es ist nicht immer leicht, taktisches Verhalten von Polizisten öffentlich plausibel zu machen. Schließlich wollen wir nicht für Täter berechenbar werden. Darum kappt es mit dem Erklären manchmal besser und manchmal schlechter.
Und in den Nordbremer Fällen?
In den Nordbremer Fällen konnten wir am Ende zumindest die meisten Kritiker davon überzeugen, dass es richtig ist, auf Verstärkung zu warten, und dass das Handeln der Beamten darum richtig war.
Manchen Parteien reicht die Personalstärke der Polizei nicht. Und ihnen?
Es ist wie so oft im Leben: Mehr wäre immer gut. Aber mehr ist eben nicht immer bezahlbar. Die Polizei muss damit klarkommen, was der Haushaltsgesetzgeber entscheidet.
Und wie ist die Personalstärke nun aus Ihrer Sicht?
So, dass wir die innere Sicherheit gewährleisten können.
Bürger beklagen, dass es die Polizei immer wieder mit denselben Tätern zu tun hat. Die Beamten fassen sie, die Justiz lässt sie wieder laufen. Wie sehen sie das?
Die Darstellung ist zu einfach. Ich bin davon überzeugt, dass es genügend andere Fälle gibt, bei denen es anders ist.
Aber Sie haben sich auch schon mal gewünscht, dass die Justiz entschiedener und früher durchgreift. Damals ging es um Jugendliche, die monatelang auf Beutezug in Kellern und Läden waren...
Das ist richtig. Bei Tätern, die nicht aufhören, straffällig zu werden, tun sich die Instanzen manchmal schwer, schnell zu reagieren. Bei diesen Minderjährigen, die ja wiederholt Gullydeckel gegen Schaufenster geworfen haben, hätte ich es mir gewünscht, wenn die eingeschalteten Behörden kurzfristiger gehandelt hätten. Sanktionen verlieren gerade bei jugendlichen Straftätern ihre Wirkung, wenn sie erst spät erfolgen.
Täter, heißt es, gehen immer brutaler vor. Worauf führen Sie das zurück?
Darauf, dass meiner Ansicht nach die Gruppengewalt zugenommen hat. Gibt es mehrere Beteiligte, schaukelt sich die Brutalität quasi hoch – auch Beamten gegenüber. Statt mit der Faust wird mit einem Gegenstand zugeschlagen und aus der einfachen Körperverletzung eine gefährliche Körperverletzung.
Und was folgt für Sie daraus?
Dass Gewalt, und ich meine nicht nur die gegen Beamte, noch mehr als bisher geächtet werden muss. Und zwar von allen Teilen der Gesellschaft. Meiner Meinung nach ist da noch viel Luft nach oben.
Wie beliebt ist der Job des Polizisten noch?
Ich will es mal so sagen: Wir haben immer noch genügend Bewerber. Ich glaube, dass das daran liegt, dass viele den Beruf des Polizisten nach wie vor sinnvoller finden als andere. Wir treten für das Recht ein – und das hat Bedeutung.
Sie waren jahrelang auch der Sportbeauftragte der neuen und älteren Einsatzkräfte. Wie fit sind denn die Beamten?
Ich würde sagen, dass sie heute deutlich fitter sind als früher.
Wie kommt's?
Das kommt daher, dass früher auf die Fitness von Einsatzkräften noch nicht so geachtet wurde wie heute. Mittlerweile kann eine Arbeitsstunde in der Woche ausschließlich für den Sport genutzt werden und es gibt alle zwei Jahre einen Leistungstest.
Und was passiert, wenn der nicht bestanden wird?
Dann gibt es eine zweite Chance und danach eine sportliche sowie ärztliche Beratung. Kommt man dabei zu dem Schluss, dass die körperlichen Einschränkungen zu groß sind, kann aus einem Außendienst schon mal ein Innendienst werden.
Wie schnell sind Sie denn zuletzt die 100 Meter gelaufen?
Ich mache keine Leichtathletik, ich bin in einem Fitnessstudio.
Aber auch dort kann man laufen...
Das stimmt, aber ich halte mich lieber an Krafttraining. Seit zehn Jahren mache ich das.
Wie sieht denn Ihr künftiges Fitnessprogramm aus, wenn Sie demnächst mehr Zeit haben als bisher?
Ich habe mir vorgenommen, mindestens zweimal pro Woche ins Studio zu gehen.
Und wo werden Sie den Ruhestand noch verbringen?
Auf dem Sattel. Meine Frau und ich fahren gerne Fahrrad, auch im Urlaub. Am Strand zu liegen, war noch nie unser Ding.