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Torsten Bullmahn im Interview „Prägend war die Flutkatastrophe“

Torsten Bullmahn war 18 Jahre lang Wehrführer der Freiwilligen Feuerwehr Vegesack. Im Rückblick spricht er über die Nachwuchsarbeit, riskante Momente und lästige Gaffer.
24.07.2019, 14:54 Uhr
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Von Imke Molkewehrum
Herr Bullmahn, warum haben Sie ihr Amt als Wehrführer der Freiwilligen Feuerwehr Vegesack abgegeben?

Torsten Bullmahn: Ich bin mit 18 Jahren in die Freiwillige Feuerwehr Vegesack eingetreten und war seit 18 Jahren Wehrführer. Ich finde es wichtig, sich in Ehrenämtern zu engagieren. Die Organisation und Ausbildung des Feuerwehr-Nachwuchses hat sehr viel Zeit in Anspruch genommen. Und jetzt habe ich andere Pläne. Deshalb habe ich das Amt an Jan Eike Hartmann und Tim Haase übergeben.

Was waren die Gründe für Sie, vor 30 Jahren der Freiwilligen Feuerwehr Vegesack beizutreten?

Ich bin in die freiwillige Feuerwehr eingetreten, weil ich mit dem Ehrenamt meinen Teil für die Gesellschaft beitragen wollte. Die freiwillige Feuerwehr ist in der Ortschaft ein wichtiger Baustein.

Wie viele Kinder und Jugendliche hat die Vegesacker Jugendfeuerwehr derzeit, und wie sehen die Treffen aus?

Wir haben drei Mädchen und zwölf Jungs zwischen zehn und 18 Jahren. Die Jugendlichen treffen sich donnerstags zum Übungsdienst. Hier werden die Grundlagen der Feuerwehrarbeit vermittelt. Fahrzeug- und Gerätekunde sowie Sport sind ein Teil des Dienstplans. Im Sommer sind die Jugendlichen mit praktischen Aufgaben beschäftigt. In den Wintermonaten wird dann mehr Theorie vermittelt.

Inwiefern könnte der Nachwuchs das Hobby auch zum Beruf machen?

Vier sind im vergangenen Jahr aus der Jugend in den aktiven Dienst der Freiwilligen Feuerwehr gewechselt. Sollten die Jugendlichen zur Berufsfeuerwehr wollen, müssten sie sich dort bewerben. Dort gibt es dann eine Ausbildung, die zielgerichtet auf die Berufsfeuerwehr ausgerichtet ist.

Sie selbst sind auch hauptberuflich bei der Bremer Feuerwehr tätig. Was genau ist ihre Aufgabe?

Hauptberuflich bin ich bei der Feuerwehr Bremen im Geräteprüfzentrum angestellt. Auf der Feuerwache 6 prüfen wir die technischen Geräte von rund 70 Feuerwehrfahrzeugen.

Sind die Einsatzfahrzeuge der Freiwilligen Feuerwehr eigentlich von denen der Berufsfeuerwehr zu unterscheiden?

Es steht überall Feuerwehr Bremen drauf. Die Bürger erkennen das nicht, ob es die Freiwillige Feuerwehr oder die Berufsfeuerwehr Bremen ist.

Zu wie vielen Einsätzen sind Sie als ehrenamtlicher Feuerwehrmann ausgerückt? Und welcher Einsatz war besonders prägend?

Ich kann sie nicht zählen. Es waren viele. Der prägendste Einsatz war aber die Flutkatastrophe in Sachsen im Juni 2013. In einer Kolonne sind wir von Bremen mit 25 Fahrzeugen der Berufs- und Freiwilligen Feuerwehr dorthin gefahren. Es war schon sehr bedrückend, die Menschen aus ihren vom Wasser eingeschlossenen Häusern zu retten. Wir mussten damals mit Booten durch die überfluteten Ortschaften fahren und haben versucht, das Hab und Gut der Menschen irgendwie zu retten oder zu sichern.

Welcher Brand ist Ihnen besonders in Erinnerung?

Sicher der Brand auf der Lürssen-Werft im September 2018. Als Einsatzkraft war ich in einer der ersten Phasen – nach der Berufsfeuerwehr – mit vor Ort. Das war ein Bild, das man nie vergisst. Aus dem Dach der 200 Meter langen Schwimmdock-Halle schlugen die Flammen. Das war über mehrere Tage schon sehr Personal- und vor allem Kräftezehrend.

Inwieweit mussten Sie sich dort selbst in Gefahr begeben?

Ich war als Wehrführer außerhalb der Jacht eingesetzt. Extrem gefährlich war es eher für die Atemschutzgeräteträger innerhalb der brennenden Jacht. Für mich persönlich war es kritisch bei einem ausgedehnten Kellerbrand an der Vegesacker Albrecht Poppe-Straße im Dezember 1995. Dort brannten vermutlich wegen eines elektrischen Defektes die Einrichtungsgegenstände. Wir konnten aber nicht weit genug rein. Wir hatten damals noch Lederjacken, und der Halsbereich war nicht ausreichend gegen die Hitze geschützt. Bei einem Brand entstehen immerhin Temperaturen zwischen 800 und 1000 Grad.

Und wie sieht das heute aus?

Heute haben wir moderne Nomex-Bekleidung und können relativ weit zur Brandstelle vordringen. Trotzdem geht das an die körperliche Substanz, weil man in der Jacke schwitzt und viel Wasser verliert.

Wie verständigen Sie sich im Notfall untereinander?

Wir sind alle über Funk verbunden. Bei einem Einsatz mit Atemschutzgeräten müssen wir nach 20 bis 25 Minuten den Rückzug antreten. Die Trupps werden dann rechtzeitig abgelöst.

Wie stark haben sich die Gerätschaften während Ihrer Laufbahn verändert?

Die Fahrzeuge sind viel moderner. Das Heck eines Fahrzeugs lässt sich beispielsweise absenken. Dank dieser Technik lassen sich die Gerätschaften einfacher entnehmen. Die Atemschutzgeräte sind heute im Mannschaftsraum verbaut, sodass sich die Kameraden während der Fahrt ausrüsten können.

Verändert hat sich offensichtlich auch das Verhalten von Bevölkerungsteilen gegenüber Rettungskräften, wenn sie im Einsatz sind. Was sagen Sie zu den Gaffern und Anfeindungen gegen Einsatzkräfte?

Man merkt eine gewisse Rücksichtslosigkeit und mangelnden Respekt gegenüber den Rettungskräften. Die Leute stolzieren auch durch abgesperrte Einsatzstellen. Selbst wenn man eine tote Person birgt, gibt es Menschen, die das filmen. Das ist eine Verrohung und mangelnder Respekt gegenüber anderen Menschen. Ich bewundere deshalb den rigorosen Polizisten, der einen filmenden Lkw-Fahrer wutentbrannt aus dem Fahrzeugen holte, um ihm einen Toten zu zeigen, nach dem Motto: „Willst du die Leiche wirklich sehen?“

Inwiefern werden Sie sich nach dem jetzigen Ausscheiden aus der Wehrführung weiterhin für die Freiwillige Feuerwehr Vegesack engagieren?

Ich werde der Freiwilligen Feuerwehr Vegesack im Rahmen meiner Möglichkeiten mit Rat und Tat zur Seite zu stehen. Als Vorsitzender des Fördervereins werde ich vor allem den Fokus auf die Unterstützung der Jugendarbeit sowie die Ausrüstung der Feuerwehr in Vegesack legen.

Das Interview führte Imke Molkewehrum.

Zur Person

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Torsten Bullmahn

ist 48 Jahre alt und seit 1989 Mitglied der Freiwilligen Feuerwehr Vegesack. 18 Jahre lang war er Wehrführer. Jetzt hat er dieses Amt an zwei Teamkollegen übergeben.

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