Grohn. Pumpende Beats beschallen das Areal der Skateanlage am Vereinsheim des SV Grohn. Dessen Außenwand erhält parallel einen neuen Anstrich: Diverse Sprayer arbeiten wechselweise daran, die Worte „Respekt“ und „Toleranz“ in großformatigen Lettern darauf zu sprühen – natürlich in Graffiti-typischer Typografie. Auf dem Platz findet derweil ein spontanes Turnier statt: Junge, überwiegend männliche Athleten messen sich darin, wer von ihnen die meisten Klimmzüge und Kniebeugen, sogenannte Muscle-Ups und Squads, hintereinander schafft.
„Max Rep“ beziehungsweise „Maximum Repitition“, also maximale Wiederholung, nennt sich diese Art der körperlichen Ertüchtigung in einer von sportlichen und Hip-Hop-Idealen geprägten Szene, der sich auch die gemeinnützige Gesellschaft Hoodtraining zugehörig fühlt. Das Jugendhilfe-Projekt der Diakonie Bremen feierte am Sonnabend sein zehnjähriges Bestehen mit einem „Street Jam“ und Besuch aus weiten Teilen des Landes. Zahlreiche Crews und Sportstudios wie beispielsweise Calisthetics aus Hamburg beziehungsweise Gütersloh, Callix und Hyrox aus Bremen sowie Trainletics aus Hamburg zählen zu den Gästen der sportlichen Jubiläumsfeier. Weitere Gäste stammen aus Bielefeld, Hannover und Rotenburg.
Mit knallhartem Wettbewerbsgedanken hat das Geschehen auf der Skateanlage jedoch nichts zu tun: „Chill mal, Alter, wir machen hier Hip-Hop“, instruiert Daniel Margel, Chef des vor einem Jahr zur gGmbH avancierten Projekts Hoodtraining, das seit eineinhalb Jahren auch in einer Lüssumer Kita sowie in der Grohner Düne zweimal wöchentlich kostenlos Trainingseinheiten für Jugendliche anbietet.
„Sport ist das Kernthema“, erklärt Heinke Pietsch, die maßgeblich in die Organisation der nachmittäglichen Feier involviert war. Nachdem die Sozialwissenschaftlerin zunächst ihre Abschlussarbeit an der gegenüberliegenden Jacobs University über das Wirken des damaligen Projekts Hoodtraining absolvierte, zählt sie heute selbst zu den Mitarbeitern der gemeinnützigen Gesellschaft. „Beim Hoodtraining handelt es sich überwiegend um effektive Trainingsübungen, die jeder überall und jederzeit ohne großartige Hilfsmittel oder Sportgeräte absolvieren kann", erläutert sie.
Auf dem Areal herrscht reger Betrieb. Die meisten Jugendlichen und jungen Erwachsenen auf dem Gelände haben weite Anreisewege auf sich genommen; nur wenige Gäste stammen aus der direkten Nachbarschaft. „Aber auch deswegen sind wir ja auch heute hier, damit in Grohn endlich mal wieder was geht“, erklärt Dargel. Am frühen Nachmittag wird die sportliche und farbenfrohe Hip-Hop-Party auch noch zu einem Mini-Konzert: Zahlreiche MCs mit Namen wie Gobnik, Silo, Manyak und Skitek absolvieren je etwa zehnminütige Kurzauftritte auf der freien Fläche. Auch hier stammen die wenigsten aus der bis vor einigen Jahren noch recht vitalen Nordbremer Rapszene, sind jedoch den Organisatoren gut bekannt: „Neben Sport zählt auch Musik zu unserer Arbeit“, erklärt Mirage, der als „MC-Beauftragter“ des Projekts Hoodtraining sowohl die Auftritte an diesem Tag als auch gemeinsam mit dem ebenfalls als Beat-Produzenten wirkenden DJ Stereodruck die musikalische Arbeit der gGmbH organisiert.
„Wir machen in diese Richtung diverse Projekte und Aktionen, beispielsweise Online-Challenges. Wer Interesse daran hat, kann uns jederzeit über unsere Homepage kontaktieren“, erklärt Mirage, der offenbar ebenso wie die meisten anwesenden Sprayer, MCs und DJs kein Interesse daran hat, seinen bürgerlichen Namen in der Zeitung veröffentlicht zu lesen – das Arbeiten mit Pseudonymen ist in der Szene quasi obligat.
Anders sieht es bei den anwesenden Sportlern aus: „Wir teilen hier alle dasselbe Mindset, es geht hier ums Miteinander“, erklärt Jan Laskowski aus Hamburg. Dementsprechend bestünde unter den zahlreichen anwesenden Hip-Hop-Sport-Crews auch kein Konkurrenzdenken: „Jeder zieht halt sein Ding durch, letztendlich arbeiten wir aber miteinander statt gegeneinander“, erklärt das Gruppenmitglied der Hamburger Trainletics.
Tatsächlich ist die Atmosphäre auf dem Platz absolut friedlich und positiv – angesichts der nach wie vor aktuell gültigen Pandemie-Präventionsmaßnahmen jedoch fast schon ein wenig zu entspannt und locker, denn abgesehen von den Graffitikünstlern trägt niemand auf dem Gelände einen Mund-Nasenschutz und die Einhaltung von Mindestabständen obliegt augenscheinlich der individuellen Eigenverantwortung der Besucher.
An die Veranstaltung werden langfristig die großformatigen Graffito am Grohner Vereinsheim erinnern sowie zahlreiche Youtube- und Instagram-Videoclips. Für deren Realisierung befanden sich an diesem Nachmittag auf dem Areal in Grohn gleich mehrere Kameramänner im Einsatz.