Bremen Stadtteile Osterholz Verden Diepholz Delmenhorst Wesermarsch Oldenburg Rotenburg Cuxhaven Bremerhaven Niedersachsen

SG Aumund-Vegesack "Es geht ja nicht immer nur bergauf"

Ein Interview mit SAV-Mannschaftskapitän Christian Böhmer zum Trainerrücktritt, zu einem passenden Nachfolger und zu den sportlichen Ambitionen.
22.09.2023, 15:36 Uhr
Jetzt kommentieren!
Zur Merkliste
Von Jens Pillnick

Herr Böhmer, wie fühlt es sich an, wenn der Trainer nach sechs Spieltagen, die mit drei Siegen und drei Niederlagen mittelmäßig gelaufen sind, geht?

Christian Böhmer: Man ist schon sehr überrascht und fragt sich, warum man es nicht probiert, weiter an den Problemen zu arbeiten. Ich will nicht sagen, dass ich enttäuscht bin, aber ich hätte es schon anders erwartet.   

Fehlten beim Trainer und Team die Kompromissbereitschaft für ein weiteres Miteinander?

Aktuell hört es sich ja so an, als hätte der Trainer Anforderungen gehabt, die das Team nicht erfüllen kann. Das sollte man aber nicht so stehen lassen. Wenn das Team nicht liefern kann, hätte es ja im letzten Jahr nicht so gut funktioniert. Das größte Problem ist die Erwartungshaltung. Das letzte Jahr ist allgemein etwas falsch eingeordnet worden. Im letzten Jahr hatten wir nachweislich eine gute Saison, aber haben ja nicht alles in Grund und Boden gespielt. Es war generell die Erwartungshaltung da, dass wir ein Topteam sind und ganz speziell auch noch schönen Fußball spielen sollen.

Gab es nach der Saison 22/23 mit Überraschungsplatz drei und dem Pokalfinale Anzeichen dafür, dass ein Auseinanderdividieren, wie Markus Werle es genannt hat, zwischen Mannschaft und Trainer beginnt?

Nee. Ich habe keine Anzeichen gesehen. Wir haben uns extrem gut verstärkt und gute Jungs dazu gekriegt. Und die Vorbereitung war von den Ergebnissen und vom Verlauf sogar besser als in der letzten Saison.

Ist der Kader in seiner Gesamtheit nicht so erfolgshungrig, wie der Trainer es war?

Nein, absolut nicht.

Haben Sie den Rücktritt so richtig verstanden?

Ich habe mit Markus nach dem Rücktritt noch gar nicht gesprochen. Er hat sich von der Mannschaft auch noch nicht persönlich verabschiedet. Ich weiß nicht, was der finale Ausschlag war. Aber am Ende seiner Zeit in Vegesack sind immer weniger zum Training gekommen. 

Hat zum Ende hin der Spaß gefehlt?

Nein, eigentlich gar nicht, weil wir innerhalb des Teams immer noch einen extrem guten Zusammenhalt haben. Am Ende des Tages hat man aber viele Dinge zu schnell zu negativ gesehen. Wenn man in Richtung Spitzenmannschaft unterwegs ist, gehört es dazu, aus kritischen Phasen wieder herauszukommen. Es geht ja nicht immer nur bergauf.

Okay, der Zusammenhalt im Team stimmt also. Hat der Trainer die Kabine verloren?

Ja schon. Da ist der Zusammenhalt der Mannschaft dann manchmal auch negativ für denjenigen, der mit einem Teil der Mannschaft ein Problem hat. Es war keiner gegen ihn und hat gesagt, dass er gehen muss. Die Mannschaft hat aber gesehen, dass viele Dinge sehr schnell sehr negativ gesehen werden. Und da stellt sich natürlich auch eine gewisse Stimmung ein. Und da waren wir gerade dabei, das aufzuarbeiten, das zu hinterfragen. Darum war es so überraschend, dass gerade zwei Wochen nach dem ersten Gespräch die Reißleine gezogen wurde.

Inwieweit warst und bist du als Kapitän und deine Vertreter jetzt besonders gefordert?

Wir waren mehrfach bei Bernd (Anmerkung der Redaktion: dem Abteilungsleiter Siems), teilweise mit dem Mannschaftsrat, teilweise die Kapitäne und es gab zusätzlich zu den Treffen viele Telefonate mit Bernd, Issam (Anmerkung der Redaktion: dem bisherigen Co- und jetzigen Interimstrainer El-Madhoun) und Teilen der Mannschaft. Wir sind gefordert, dass jetzt Ruhe im Team herrscht. Und so schlimm es klingt, dass das Thema jetzt abgehakt wird und wir Spaß reinkriegen und Lust auf Fußballspielen haben.

Welche Erwartung haben Sie jetzt hinsichtlich des weiteren Saisonverlaufes?

Ich glaube nach wie vor, dass wir einen sehr starken Kader haben und die Qualität besitzen, um unter die ersten fünf zu kommen. Ich erwarte aber natürlich nicht, dass wir ab sofort jedes Spiel klar und deutlich gewinnen. Das haben wir aber letztes Jahr auch nicht gemacht.

Inwieweit sind Sie oder der Mannschaftsrat in die Nachfolgeregelung einbezogen?

Es ist nicht so, dass wir die Entscheidung treffen. Aber wenn die engere Auswahl steht, dann werden wir schon mit einbezogen und nach unserer Meinung gefragt. Vorschläge können wir natürlich auch machen. Unser Präsi spricht schon ganz offen mit uns, gerade Abdullah Basdas und ich sind ja auch schon ziemlich lange da. 

Welche Art von Trainer wäre für diese Mannschaft in dieser Situation der richtige?

Egal welche Art ich jetzt beschreibe, es heißt nicht, dass Markus diese Art nicht gehabt hat. Ich glaube, unsere Mannschaft braucht jemanden, der absolut von jedem Einzelnen respektiert wird. Er muss prima Autorität mitbringen. Und er muss die Fähigkeit haben, mit den vielen verschiedenen Charakteren umzugehen. Das ist so ein bisschen die Herausforderung.

Muss es eine schnelle Entscheidung geben?

Aus meiner Sicht nicht, weil ich davon überzeugt bin, dass Issam und Miguel (Anmerkung der Redaktion: Torwarttrainer Garcia) es gut machen und wir mit ihnen zwei super Typen haben. Ich weiß aber, dass die beiden das nicht langfristig machen möchten.

Was bleibt nach 15 Monaten unter Trainer Markus Werle in Erinnerung?

Man hat schon noch einmal einiges gelernt. Gerade was das Thema Professionalität angeht. Er hat sehr, sehr viel aus uns herausgeholt, indem er viel Wert auf das Thema Positionsspiel und Grundordnung gelegt hat. Das war der Schlüssel, der uns den Erfolg gebracht hat.

Wie nehmen Sie die Stimmung in der Kabine aktuell wahr?

Aktuell ist sie extrem locker. Es wird viel gelacht, es ist viel Spaß da. Es ist nicht so, dass Trauerstimmung oder Bedenken da sind, wie es jetzt weitergeht. Jeder hat Vertrauen in den Verein und in die Zusammenstellung, in der wir momentan unterwegs sind. Das heißt aber nicht, dass es uns egal ist, dass Markus Werle weg ist. Eine gute Stimmung reinzukriegen, war aber ja auch unser Ziel.  

Das Interview führte Jens Pillnick.

Zur Startseite
Mehr zum Thema

Das könnte Sie auch interessieren

Rätsel

Jetzt kostenlos spielen!
Lesermeinungen (bitte beachten Sie unsere Community-Regeln)