Es hätte durchaus ein Urlaubsabend irgendwo in mediterranen Gefilden sein können – bei hochsommerlicher Temperatur noch deutlich jenseits der 30-Grad-Marke und allenfalls leichter Brise. Statt Pinien oder gar Palmen diente indes das Blattwerk einer weit ausladenden alten Eiche und weiterer Bäume als wohltuender Schattenspender für zahlreiche Zuhörer, die dem Konzert der Singer-Songwriterin Graziella Schazad am Schloss Schönebeck lauschten.
In coronagerechtem Abstand hatten sich die Gäste auf der heimeligen Wiese vor dem Schloss niedergelassen. Es herrschten also nahezu ideale Verhältnisse für ein Open-Air-Konzert der Extraklasse, zu dem die Arbeitnehmerkammer Bremen neben Graziella Schazad den Bassisten Ralph Klinzmann eingeladen hatte.
Auf ihrer Geige, die sie anfangs ähnlich wie eine Gitarre nutzte, gab Schazad zunächst ein paar Akkorde vor, die als Loop, also per elektronischer Aufnahme in Dauerschleife, wiederholt wurden und von weiteren, harmonisch passenden Live-Sequenzen der Geige überlagert wurden. Gemeinsam mit dem Bassfundament ergab sich daraus ein fülliger Klangmix mit leicht jazziger Note und teils orientalischem Einschlag.
Bereits dieser instrumentale Opener vermittelte mit unaufgeregt durchlaufendem Metrum eine angenehm entspannte Atmosphäre, die auch für den weiteren Verlauf des Konzerts vorherrschend blieb. Es sei, so die sympathische Künstlerin, ihr allererster, sehnsüchtig erwarteter Auftritt nach Corona-Beginn. Und man spürte ihre unbändige Freude am Musizieren bei jedem einzelnen Programmtitel. Vor allem dann, wenn sie ihre samtig weiche, wohlklingend timbrierte und stets ungekünstelt wirkende Stimme einsetzte.
Auch wenn ihre selbst verfassten englischen Texte nicht in allen Einzelheiten auf Anhieb verständlich waren, teilten sich deren tiefsinnige Inhalte intuitiv mit. Etwa bei „Dream“, einem zart-melancholischen, letztlich optimistisch ausgerichteten Song, der die Freude an wiederentdeckten Träumen thematisiert. Die Suche nach innerer Gelassenheit und Lebensfreude, nach Selbstfindung und tiefer Zufriedenheit mit allumfassender Liebe als zentralem Lebenselixier ist bestimmend in den Textaussagen, die die aus Berlin stammende, multikulturell aufgewachsene Künstlerin mit großer Überzeugung vortrug.
Dazu bediente sie sich auch zweier indischer, in rauem Sanskrit gesungener Mantras, bei denen durch ständige Wiederholung eines einzelnen kurzen Sinnspruches samt geloopter, wie ein allmähliches Erblühen anmutender Harmoniefolgen eine geradezu hypnotische Wirkung erzielt wurde, die final wie ein luftiger Hauch verwehte. Der Beatles-Titel „Eight days a week“ bekam mit einer ausgedehnten, virtuos ausgeführten Basseinleitung und gefühlvollem, von Fingerschnipsen und graziös schwingenden Tanzschritten begleitetem Gesang eine eigene ansprechende Note.
Meditative Momente
Besonderes reizvoll geriet auch der satte Sound von „L‘Orient“, der mit typisch orientalischen Klangmotiven eine wie erotisch aufgeladene Szenerie entstehen ließ. Mit einem entfernt zither-ähnlichen mehrsaitigen Monochord erzeugte Schazad anschließend sphärische Klangwolken, in denen man fernes Glockengeläut wahrzunehmen meinte. Dieser ausgesprochen meditative Moment wurde zwar durch einen elektronischen Wackelkontakt abrupt unterbrochen, aber als Vollprofi fand Schazad die passenden überleitenden Worte, bis nach nur kurzer Pause die zuvor bestehende Stimmung vollends wiederhergestellt war.
An eine eher bizarre Situation, die sich bei einer Talkshow mit einigen C- und D-Promis sowie einem geflüchteten Vater-und-Sohn-Paar ergeben hatte, erinnerte sich die Sängerin mit dem Song „How many people“, der sich auf anrührende Weise mit der nach wie vor aktuellen Flüchtlingsproblematik auseinandersetzt. Als Gute-Laune-Ohrwurm entpuppte sich der beschwingte Titel „Look at me“. Französische Leichtigkeit fand sich indes beim angeregt pulsierenden „La vie change“. Als Schazad den Konzertabend mit einem lockerhändig gefiedelten, der irischen Folkmusic entlehnten heiteren Traditional beschloss, war das begeisterte Publikum mit anhaltend rhythmischem Applaus dabei.