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Hebammen-Mangel mit Folgen Schwierige Geburt

Das Klinikum Nord ist so beliebt bei werdenden Mütter, dass Hebammen notgedrungen auf Pausen verzichten, um das Pensum zu schaffen. Mittlerweile sind Gewerbeaufsichtamt und Arbeitsgericht eingeschaltet.
22.03.2019, 18:42 Uhr
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Schwierige Geburt
Von Christian Weth

Bremen-Nord. Das Klinikum Nord ist so beliebt bei werdenden Eltern, dass sich immer mehr für die Geburt ihrer Kinder anmelden. Doch der gute Ruf des Hauses wird zunehmend zum Problem. Die Hebammen schaffen das Pensum oftmals nur noch, wenn sie Pausen verschieben. Oder ganz auf sie verzichten, weil keine Frau mit Wehen alleingelassen wird. Inzwischen beschäftigt der Fall den Betriebsrat, das Gewerbeaufsichtsamt, das Arbeitsgericht – und wird von der Klinik erwartet, Mütter nach Möglichkeit an andere Krankenhäuser zu verweisen.

Die Sache ist kompliziert. Birgit Hilmer sagt das mehrmals. Die Direktorin des Nordbremer Krankenhauses spricht von sechs Geburtshelferinnen, die momentan fehlen. Und davon, dass die Klinik trotzdem ihr Budget für Hebammen überzieht, in Absprache mit dem Klinikverbund Gesundheit Nord. Nur reicht das Personal eben nicht, um das Plus an Müttern zu kompensieren, die ihr Kind nicht irgendwo, sondern in Nord bekommen wollen. 2012 kam das Krankenhaus auf 1361 Geburten, im Vorjahr waren es 2195. Momentan sind 18 Hebammenstellen besetzt. Die Größe des Teams hat sich kaum verändert.

Hilmer sagt, dass sie das Tempo überrascht hat, in dem die Zahl der Geburten gestiegen ist. Dass es schnell mehr wurden, erklärt sie mit neuen Wohngebieten in Nord, mit der Nähe zur Zentralen Erstaufnahmestelle für Flüchtlinge – und nicht zuletzt damit, dass es sich zügig herumgesprochen hat, wie gut das Hebammenteam der Klinik ist. „Immer wieder bekommt es Bestnoten.“ Von Eltern, die mittlerweile aus dem gesamten Stadtgebiet und Teilen Niedersachsens kommen. Und von Müttern wie Vätern, deren Kinder nicht wie üblich nach neun Monaten geboren werden. Die Hebammen, alle speziell ausgebildet, sind ebenfalls für Frühchen da.

Auch diese Station hat einen guten Ruf. Verkleinert werden soll sie trotzdem. Mit der Folge, dass Mediziner und Hebammen in den nächsten Jahren abgezogen werden. Davon geht jedenfalls Jürgen Bachmann aus. Der frühere Kinderarzt findet es falsch, dass die Gesundheitsbehörde die Versorgung von Kindern, die bei der Geburt weniger als 1500 Gramm wiegen, im Klinkum Mitte konzentrieren will. Bachmann kritisiert, dass damit die erstklassige Arbeit der Nordbremer Hebammen und Ärzte zunichtegemacht wird. Und dass die Behörde nur aus einem einzigen Grund die Station minimiert: „Sie findet keine Hebammen für das geplante Eltern-Kind-Zentrum am Krankenhaus Mitte.“

Birgit Hilmer hat welche gefunden. Die Klinikchefin sagt, davon profitiert zu haben, dass Geburtshilfestationen im Umland geschlossen wurden. Noch in den nächsten Monaten sollen die neuen Hebammen kommen: zwei im Mai, zwei im Juni. Und zwei weitere später. Genauer kann sie das nicht sagen, weil im letzten Fall ein anderer die Gespräche führt: der Klinikverbund. Da es nicht genügend Hebammen in Deutschland gibt, sucht er Personal im Ausland. Kräfte aus Italien sollen jetzt personelle Lücken schließen. Sprecherin Karen Matiszick sagt, dass diese Hebammen nicht das Problem des Fachkräftemangels lösen werden. Dass sie aber helfen, es abzufedern.

Die Direktorin ist nach eigenen Worten froh darüber, einen größeren Etat für Geburtshelferinnen bereitstellen zu können als andere Häuser. Und dass sie in diesem Jahr neue Kräfte einstellen darf, damit die Hebammen des Klinikums ihr Pensum künftig schaffen, ohne weiterhin Pausen verschieben oder auf Pausen verzichten zu müssen, weil sie keine Frau, die Wehen hat, alleinlassen. Hilmer hofft, damit die Auseinandersetzung mit dem Betriebsrat, dem Gewerbeaufsichtsamt und dem Arbeitsgericht beenden zu können. Seit Monaten läuft das Verfahren.

Dass Hilmer ihr Budget für Geburtshelferinnen in Absprache mit dem Klinikverbund überzieht, kommt nicht von ungefähr: Sie will, dass der gute Ruf der Nordbremer Geburtshilfe bleibt. Dass weiterhin jede Frau im Krankenhaus an der Hammersbecker Straße ihr Kind bekommen kann – und niemand, der nicht angemeldet und kein Notfall ist, an eine andere Klinik verwiesen werden muss. Für Unternehmenssprecherin Matiszick stecken immer mehr Kliniken mit Wöchnerinnenstation in der Zwickmühle: Einerseits wollen sie für alle werdenden Mütter da sein, anderseits können sie das nicht, wenn es so viele sind, dass Hebammen an Grenzen kommen.

Um das zu verhindern, sollen Frauenärztinnen jetzt verstärkt darauf achten, dass sich Schwangere rechtzeitig im Klinikum anmelden und sich vorsorglich um eine Alternative bemühen. Christa Goecke sagt, dass sie und Berufskolleginnen vor Kurzem extra darauf hingewiesen wurden. Die Vegesacker Gynäkologin hat noch von keinem Fall gehört, bei dem eine Mutter an ein anderes Krankenhaus verwiesen wurde. Jedenfalls keinen, bei dem es um eine unproblematische Geburt ging. Dafür kennt sie Fälle, bei denen Frauen, die eine Frühgeburt erwarteten, verlegt wurden, weil Plätze fehlten. Auch sie setzt sich für den Erhalt der Frühchenstation in Nord ein.

Die Gesundheitsbehörde bemüht sich um etwas anderes: Die Geburtskliniken sollen mehr als bisher kooperieren – und Häuser, die keine Kapazitäten mehr haben, werdende Mütter an andere verweisen, die noch welche haben. Zum Beispiel das Klinikum Reinkenheide in Bremerhaven und das Diakonie-Krankenhaus in Gröpelingen. Auch Frauen aus Nord sollen dorthin kommen, um zu vermeiden, dass Hebammen am Limit arbeiten. Das Problem dabei: Nicht alle Häuser, die eine Geburtshilfe haben, haben gleichzeitig eine Kinderklinik wie das Klinikum Nord. Mediziner meinen, dass es auch deshalb so beliebt ist und von immer mehr Eltern nachgefragt wird.

Christina Selzer sagt, dass sich das Ressort intensiv mit der angespannten Lage der Geburtshilfen beschäftigt. Nach Angaben der Sprecherin von Gesundheitssenatorin Eva Quante-Brandt (SPD) hat es seit vergangenen Sommer mehrere Treffen der Klinikchefs gegeben, die darüber berieten, wie die Situationen in den Kreißsälen verbessert werden kann. Selzer spricht von der Option, Hebammen von Aufgaben zu befreien, die nicht unmittelbar mit Geburtshilfe zu tun haben. Von weiteren Ausbildungskapazitäten der Hochschule. Und von einem zusätzlichen Jahrgang der Hebammenschule in Bremerhaven.

Nur wird es keine schnelle Lösung geben. Das weiß auch Selzer: Die Ausbildung einer Hebamme dauert drei Jahre.

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