Vegesack. Martin Zurkin erzählt begeistert und lächelt dabei. Der 14-Jährige berichtet vom Schwimmwettkampf in Berlin, den er mit drei Mitschülern besucht hat. Zweimal hat er es auf die Siegertreppe geschafft, einmal stand er sogar ganz oben. Martin Zurkin geht in die zehnte Klasse des Gymnasiums Vegesack und hat eine diagnostizierte Entwicklungsverzögerung.
Der Sport spielt im Leben von Martin Zurkin eine große Rolle. Beim TV Grohn ist er seit Grundschulzeiten in der Schwimmsparte aktiv, seit einem halben Jahr nimmt er auch das Turnangebot wahr. Donnerstag und Sonnabend schwimmt der Schüler im Sportbad Bremen-Nord, Montag und Freitag steht Turnen auf dem Programm. Schule und Sport – beides mache ihm großen Spaß, erzählt er.
„Ich wollte schon immer Schwimmen. Als ich klein war, hat meine Mutter mir vorgeschlagen, das einfach auszuprobieren. Das Turnen passt gut dazu. Ich kann beide Sportarten am besten“, findet Zurkin, der außerdem verrät, dass Laufen und Leichtathletik nicht so sein Ding seien. Er hat neben der Schule viel zu tun, kennt eigentlich keine Langeweile. Die BMX-Anlage im Wald an der Leuchtenburger Straße hat der Sportbegeisterte mitaufgebaut. Mit einem entsprechenden BMX-Rad begibt er sich oft auf die selbstgebaute Rennstrecke.
Die Kenntnisse im Schwimmen kommen Martin Zurkin in der Schule zu Gute. Nicht selten kommt es vor, dass er im Schwimmunterricht bei Lehrerin Olga Sukhanova vormachen darf, wie bestimmte Bewegungsabläufe funktionieren. „Martin ist ein Spezialist für die Rollwende“, sagt die Lehrerin. Sie schätzt es sehr, wenn ihr Schüler Anerkennung für seine Vorbildfunktion erhält. Auch sein Vereinstrainer Martin Kotschote habe ihm bereits eine Freude gemacht. „Er hat mir angeboten, dass ich als Hilfstrainer mitmachen kann“, sagt Zurkin.
Im November nahm eine vierköpfige Delegation des Gymnasiums Vegesack zusammen mit vier Schülern der Paul-Goldschmidt-Schule als Schwimmgemeinschaft Bremen (SG Bremen) am „12. Carl-von-Linné-Cup“ in Berlin teil, einem Schwimmwettkampf für Sportler mit Förderbedarf in den Bereichen „körperliche und motorische Entwicklung“, „Sehen“ und „geistige Entwicklung“. Die SG Bremen landete auf dem zwölften Platz. Mehr als 200 Teilnehmer waren in der Schwimm- und Sprunghalle im Europasportpark am Start. Martin Zurkin steuerte mit Gold über 25 Meter Freistil in 16,41 Sekunden und Silber über 25 Meter Rücken (20,19 Sekunden) wertvolle Punkte fürs Gesamtklassement bei.
„Bei diesem Wettkampf geht es um Partizipation und Teilhabe“, sagt Olga Sukhanova, die das Team nach Berlin begleitete. So erlebten die Nordbremer Schüler viele erste Male: ICE fahren, Berlin erkunden, einen Schwimmwettkampf bestreiten – und das auch noch in einer der prestigeträchtigsten Schwimmhallen der Bundesrepublik. „Viele hatten noch gar keine Erfahrungen“, berichtet die Lehrerin.
Der Verein Vegesacker Gymnasiasten (VVG) unterstützte die Fahrt mit 450 Euro. „Wir sind sehr dankbar für die Unterstützung, die uns innerhalb eines Tages zur Verfügung gestellt wurde und einen tollen Aufenthalt für alle ermöglicht hat“, so Sukhanova. Auch Martin Zurkin schwärmt von dem Erlebnis in der Hauptstadt. „Da sind Leute gestartet, die nicht laufen konnten oder denen ein Körperteil gefehlt hat. Die waren aber im Wasser ganz normal, da waren wir alle gleich.“ Eine Teilnahme in diesem Jahr steht bereits fest.
Passend zu seinem Faible für das kühle Nass hat der 14-Jährige vor zwei Jahren ein Praktikum als Schwimmmeister im Vegesacker Freizeitbad absolviert. Dort half er auch bei der Nichtschwimmerausbildung. „Am schwierigsten war es mit den Kleinen, die haben viel rumgeschrien. Dafür war das Babyschwimmen sehr lustig mit den Eltern zusammen. Ich durfte die Babys sogar halten“, sagt der Schüler lächelnd. Die technischen Zusammenhänge bei der Wartung eines Schwimmbads seien anspruchsvoll gewesen. Auch vor der Reinigung der Filteranlagen habe er Respekt gehabt, verrät Zurkin. „Ich habe mich sehr gefreut, dass man mir da so viel Verantwortung gegeben hat. Das hatte ich so nicht erwartet.“
Sein Lieblingsfach in der Schule ist Kunst. Er schaut sich gerne Gemälde an und versucht dann, verschiedene Farbtöne nachzumalen. „Ich kann gut zeichnen“, betont der Zehntklässler. Seine Kreativität kann er zudem in der Holzverarbeitung ausleben, die er bei Lehrer Götz Burgdorf in der Berufsvorbereitung im Rahmen der Daltonpädagogik des Gymnasiums Vegesack besucht.
Derzeit arbeitet er mit seinen Mitschülern an einem Holzkasten für die Aula der Schule. Vor Längerem haben sie Holzeisenbahnen angefertigt. So gibt Martin Zurkin als Berufswunsch an, später gerne als Tischler arbeiten zu wollen. Als nächstes Projekt plant der Schüler ein Praktikum beim Berufsbildungswerk in Horn-Lehe.