Rückwärtsgewandt geht es am Wochenende im Vegesacker Geschichtenhaus in Richtung Zukunft, wenn nämlich der Theater- und Dramaverein „StückWerk“ gemeinsam mit dem „Bremer Zirkel“ zu zwei Veranstaltungen mit Happeningcharakter im Steampunk-Stil einladen. Deren Herzstück bilden an beiden Abenden Lesungen des Hörspiels „Lapuntuh über der Weser“ aus der Feder des Hamburger Autoren Marco Ansing, das von der Gruppe speziell auf Bremer Verhältnisse umgeschrieben wurde.
„Der Originaltitel des Stücks lautet 'Lapuntuh über der Elbe'. Nachdem klar war, dass wir es in Bremen als Live-Hörspiel inszenieren werden, haben wir das Stück mit Erlaubnis des Autors von Hamburger auf Bremer Verhältnisse übertragen. So spielt es beispielsweise nicht mehr im Harburger Hafen, sondern im Weserfreihafen“, erläutert Melanie Kuhl, die sowohl der Gruppe „StückWerk“ als auch dem „Bremer Zirkel" angehört.
Hauptberuflich arbeitet Kuhl als Requisiteurin und Kostümbildnerin für die Bremer Shakespeare-Company, in deren Spielstätte Falstaff regelmäßig Veranstaltungen von „StückWerk“ stattfinden. Über ihren Beruf entstand auch der Kontakt zum Vegesacker Geschichtenhaus: Für dieses fertigt Kuhl derzeit verschiedene Kostüme an und zeigte sich bei einem Besuch vor Ort von der Kulisse begeistert: „Das Ambiente ist ja in etwa der Zeit um 1850 nachempfunden und harmoniert entsprechend mit den Inhalten des Steampunk“. Steampunk ist laut Kuhl in den 1980er-Jahren zunächst als literarische Gattung entstanden. Daraus bildete sich in den weiteren Jahrzehnten auch eine modische Szenebewegung heraus, deren Erscheinungsbild gewisse Berührungspunkte mit der Gothic-Szene aufweist. „Teile der Gothicszene orientieren sich optisch ebenso wie der Steampunk am viktorianischen Zeitalter“, beschreibt Melanie Kuhl.
Auf eben diese Ära bezieht sich auch die Steampunk-Philosophie, die der Hamburger Steampunk-Künstler André Kahlke wie folgt definiert: „Steampunk ist eine Zukunft, wie es sie nie geben wird, von einer Vergangenheit, die es nie gab, in einer Gegenwart, wie sie fantastischer nicht sein kann!“ Entsprechend fantastisch liest sich auch der Grundgedanke des zur Lesung kommenden Hörspiels: „'Lapuntuh' ist ein fliegendes Land über der Weser, das mit Dampfmaschinen angetrieben werden soll“, erklärt Melanie Kuhl, die im Rahmen der Lesung gemeinsam mit dem „Zigarrenkastengitarristen“ Eike Wedemeyer die Handlung der Geschichte mit Geräuschen und Klängen illustriert.
Drei Schauspieler in 15 Rollen
Die Schauspieler Andreas Schnell, Christian Bergmann und Erika Spalke schlüpfen derweil in fünfzehn unterschiedliche Sprechrollen, wobei die unterschiedlichen Personen und Charaktere neben veränderten Stimmlagen auch durch kleinere Kostümänderungen dargestellt werden – schließlich sind visuelle Inszenierungen mittlerweile zu einem Hauptcharakteristikum der Steampunk-Bewegung avanciert.
„Die Hauptaccessoires des Steampunk sind Zahnräder und sogenannte Goggles, also Schweißerbrillen“, erklärt Melanie Kuhl. Ein weiteres Interesse der Szenebewegung gilt fantastischen technischen Konstruktionen, welche den Zukunftsvisionen des Autoren Jules Verne, der gemeinsam mit H.G. Wells als einer der geistigen Vorreiter der heutigen Steampunk-Szene gilt, an fantasievoller Skurrilität in nichts nachstehen.
Entsprechend beeindruckend dürfte also auch die Ausstellung ausfallen, mit welcher die Mitglieder des „Bremer Zirkel“ die Hörspiellesungen umrahmen. Neben Fotos gemeinsamer Gruppenaktivitäten und künstlerischen Werken ihrer Mitglieder eröffnet diese den Veranstaltungsbesuchern die Gelegenheit, auch selbst an einem sogenannten Tee-Duell teilzunehmen.
„Das Tee-Duell ist in der Steampunk-Szene eine zivilisierte Art der Konfliktlösung, bei der beide Duellanten einen Keks für drei Sekunden in eine Tasse Tee eintunken. Gewonnen hat, wer seinen Keks als Letzter im Ganzen verspeist. Wenn der Keks zerkrümelt, ist das Duell verloren“, erklärt Kuhl, nicht ohne hinzuzufügen, dass es sich bei dieser Duellvariante um „amüsanten Schwachsinn“ handele, zu dem allerdings ein mehrere DIN-A4-Seiten umfassendes Regelwerk existiere.
Auch dies ist bezeichnend für den Charakter der Steampunk-Szene, geht es ihren Anhängern neben einer Vorliebe für technikbetonte Science Fiction im Retrostil und einer Vorliebe für exzentrische Kleidungsstile doch vor allem um den Spaß an der Sache und den geteilten Interessen.
Lapuntuh über der Weser
Das Steampunk-Hörspiel beginnt am Sonnabend, 13. Oktober, um 19.30 Uhr, am Sonntag, 14. Oktober, bereits um 18 Uhr. Eintrittskarten für beide Veranstaltungstermine sind via Internet über die Homepage www.vegesacker-geschichtenhaus.de, telefonisch unter der Rufnummer 04 21 / 89 77 66 40 sowie an der Abendkasse erhältlich. Der Eintritt beträgt für Erwachsene zwölf Euro, ermäßigte Karten kosten neun Euro.