Bremen-Nord. Weiß-blaue Porzellanteller mit Schiffsmotiven von früheren Stapelläufen, Silberbesteck, alte Gästebücher, Fotos mit König Bhumibol und Königin Sirikit in der Strandlust. Ein gutes halbes Jahr nach der endgültigen Schließung des Hotels in exponierter Lage hat der Heimat- und Museumsvereins für Vegesack und Umgebung einige historische Exponate erworben. Die Vereinsmitglieder bereiten eine Ausstellung zur Geschichte des Traditionsbetriebes in Schloss Schönebeck vor.
Es soll eine der größeren Präsentationen im Wasserschloss werden. Holger Schleider, erster Vorsitzender des Vereins, geht davon aus, dass das Interesse der Nordbremer groß sein wird. „Viele Leute in der Region verbindet eine persönliche Geschichte mit der Standlust“, sagt auch sein Vertreter Klaus Gawelczyk. Geplant ist die Ausstellung für die Monate Mai und Juni – wenn das Museum seine Schlosstür trotz Corona öffnen darf.
„Wir wollen eine Geschichte erzählen“, sagt Klaus Gawelczyk. Dafür sichten die Mitglieder aktuell Hunderte gesammelte Zeitungsausschnitte und weitere Dokumente. Darunter der Liedtext, der anlässlich des Festessens zur Fertigstellung der Strandlust 1898 gesungen wurde: „Erhalten wir noch übers Jahr elektrisch Strassenbahn, dann ist die Weltstadt Vegesack bald nicht mehr leerer Wahn.“
„Vegesack war als Ausflugsziel beliebt, da viele Kaufleute hier ihre Villen hatten“, berichtet Gawelczyk. „Es gab sechs Mal täglich eine Schiffsverbindung, am Wochenende sogar zwölf Mal täglich.“ Dazu kamen 24 Zugverbindungen am Wochenende. Zeitweise hätten sich bis zu 15.000 Ausflügler im Stadtteil aufgehalten. Und die Strandlust bot 2000 Sitzplätze, wie es auf dem Plakat für den Eröffnungsballs am 24. Juli 1898 heißt.
Es folgten weitere Bälle, Modeveranstaltungen, Vereinstagungen, Firmen- und Familienfeste. Zu den Höhepunkten gehörte sicher der Ruderball 1972, bei dem Schlagerstar Roberto Blanco 1000 Gäste unterhielt, darunter „den Kommandeur der technischen Truppenschule Grohn, Brigadegeneral Pickel, den Konsul von Togo und die Vizekonsulin von Großbritannien“, wie aus einem der Zeitungsberichte hervorgeht.
Auch Politik wurde am Weserufer gemacht: Von Vegesack ging etwa der Protest der Schülerbewegung 1969 aus. Über das 100-jährige Jubiläum des Gerhard-Rohlfs-Gymnasiums, das in der Strandlust gefeiert wurde, berichtete der WESER-KURIER: „Die Polizei war auf Gesuch des Hausherrn der Strandlust herbeigeeilt, für Ordnung zu sorgen, wenn von Zeit zu Zeit ein Ei flog, ein Wagen blockiert, ein Kotflügel lädiert wurde.“
Wer im Verlauf der Jahrzehnte in der Strandlust zu Gast war, davon zeugen die Gästebücher, die der Verein erworben hat. 3000 Euro hat der Beirat Vegesack für den Ankauf historischer Exponate aus dem Fundus der Strandlust bewilligt, bestätigt Ortsamtsleiter Heiko Dornstedt. Neben Gästebüchern hat der Verein auch Geschirr und Besteck der Strandlust von einem Nordbremer Antiquitätenhändler erworben. Dieser hatte die Erinnerungsstücke im Zuge der im April angemeldeten Insolvenz aufgekauft. Kurzzeitig für Aufregung sorgte ein Container vor der Strandlust. Wie Philipp Thiekötter und Insolvenzverwalter Christian Kaufmann versichern, wurde dabei jedoch nur „wertloses Porzellan und kostenlose Werbegläser, die von Coca Cola und den Brauereien mitgeliefert wurden“, entsorgt. Teile des Silberbestecks, das den Ausstellungsbesuchern gezeigt werden soll, stammen übrigens noch aus den Centralhallen. Pächter Willy Schmalz hatte es das Besteck aus dem Bremer Gasthaus mitgebracht, als er die Strandlust übernahm.
Weitere Informationen
Der Museumsverein sucht weitere Exponate für die Strandlust-Ausstellung. Dies können auch private Videos und Super-8-Filme sein. Vor der Abgabe ist ein Termin zu vereinbaren. Entweder unter Telefon: 0421/ 623432
oder per E-Mail post@museum-schloss-schoenebeck.de