Bremen Stadtteile Osterholz Verden Diepholz Delmenhorst Wesermarsch Oldenburg Rotenburg Cuxhaven Bremerhaven Niedersachsen

Teures Leben Nachhaltig einkaufen und sparen: Ein Blick ins ALZ-Möbellager

Der Wiederverwert-Laden des Arbeit- und Lernzentrums verkauft Second-Hand-Ware. Doch wie werden die Spenden für den Verkauf aufbereitet und welche Kunden gehen hier ein und aus? Einblicke in das Geschäft.
22.07.2025, 18:45 Uhr
Jetzt kommentieren!
Zur Merkliste
Von Philipp Tappe

Gefühlt wird alles immer teurer – und zwar schneller als noch vor Jahren. Wegen der Corona-Pandemie konnte nicht so zügig produziert werden wie bisher, sodass Produkte mehr kosteten als sonst. Dann kam der Ukraine-Krieg, der zusätzlich für Lieferengpässe sorgte und die Preise noch mal nach oben trieb. In der Serie „Teures Leben“ wollen wir aufzeigen, wie sich der Alltag für die Menschen verändert hat, wozu Helfer raten und wie Anlaufstellen und Firmen gegensteuern. In dieser Folge geht es um aussortierte Waren, die ein zweites Leben bekommen. Solche gibt es unter anderem im Wiederverwert-Laden, auch bekannt als ALZ-Möbellager, in Grohn verkauft wird. Gerade bei Leuten, die in Zeiten der Inflation jeden Cent dreimal umdrehen müssen, sind das willkommene Adressen.

Der Wiederverwert-Laden des Arbeit- und Lernzentrums (ALZ) wirkt wie ein kleines Kaufhaus. Im Hintergrund spielt Musik. Die Kunden schlendern entspannt an den Regalen entlang, schmökern in den Büchern, begutachten die Kleidung, das Geschirr, die Lampen und Möbel.

Die Produkte, die hier zum Verkauf stehen, sind günstiger als in einem üblichen Geschäft. Sie stammen aus Spenden und Haushaltsauflösungen. Kleinere Gegenstände bringen die Leute selbst vorbei. Die Mitarbeiter an der Warenannahme gucken, ob ihr Zustand gut genug ist, und weisen verlotterte Spenden ab. "Manche wollen einfach nur ihre Sachen entsorgen", sagt Betriebsleiterin Katharina Lischka. Schwer zu transportierende Möbel holt das ALZ nach einem Besichtigungstermin auch ab. Bei Haushaltsauflösungen nimmt es bis auf Gegenstände, die für den Sondermüll bestimmt sind, alles an.

Bevor die Spenden in den Verkaufsraum wandern, werden sie in den jeweiligen Abteilungen sortiert, schick gemacht und mit einem Preis versehen. Dafür gibt es eine Tischlerei und Zimmerei, eine Textilwerkstatt sowie eine Abteilung jeweils für Geschirr und Elektrogeräte. Hier arbeiten – wie im Verkauf auch – vor allem ehemalige Arbeitslose, die das ALZ über Maßnahmen des Jobcenters beschäftigt. Manche Mitarbeiter – zum Beispiel die Anleiter in den Abteilungen – sind aber regulär angestellt oder engagieren sich ehrenamtlich.

Lesen Sie auch

Ein Blick in die Abteilung von Maria Diener. Der Raum ist vollgestellt mit Gläsern, Geschirr, Besteck und Tupperdosen. In diesem Sammelsurium sortiert Diener die Spenden nach Saison und etikettiert den Preis. Sie recherchiert dafür auf der Homepage des Herstellers, wie viel der Gegenstand einst gekostet hat, und setzt dann abhängig vom Zustand den Preis fest. "Hier ist es viel günstiger", sagt sie. Bevor die Ware zum Verkauf steht, kommt sie erst einmal in die Spülmaschine.

Ein paar Räume weiter liegt die Zimmerei. Hier kommen vor allem Möbel aus Haushaltsauflösungen an. Befinden sie sich in einem schlechten Zustand, werden sie in ihre Einzelteile zerlegt und aus ihnen neue Gegenstände gestaltet. Anleiter Peter Gersner zeigt einen Schlüsselanhänger, der aus dem Holz eines Schrankes entstanden ist. Seine Mitarbeiter hübschen aber auch Möbel auf, die eine gute Qualität haben, aber nicht mehr auf der Höhe der Zeit sind. "Rustikale Eichenmöbel kauft keiner mehr", sagt Gersner. Deswegen werden sie geschliffen und lackiert – oft in bunten Farben.

In der Textilwerkstatt arbeiten nur Frauen. Hamrin Hamo und Gulbahar Ali sortieren gerade die Mode für den Frühherbst. "Die Bekleidung für den Herbst wird ja schon ab Ende August verkauft", sagt Werkstattschefin Karen Albrecht. Sie halte sich da an die Gepflogenheiten des Einzelhandels. "Wir achten extrem auf Qualität. Zum Beispiel darauf, dass die Kleider nicht zu alt sind", erklärt die Modedesignerin. Der Otto-Normal-Verbraucher müsse sie kaufen wollen. Und so gibt das ALZ minderwertige Bekleidung an einen Partnerbetrieb weiter, der daraus zum Beispiel Putzlappen herstellt.

Albrecht erklärt ihren Mitarbeiterinnen, was Warengruppen sind und wie sich die Marken voneinander unterscheiden. "Danach richtet sich nämlich auch die Preisgestaltung und Präsentation", erklärt sie. Sie bringt ihnen aber auch das Nähen bei. Denn in der Nähwerkstatt entstehen aus den Bestandteilen alter Bekleidung neue: etwa Kleider für Mädchen aus Männerhemden und Taschen aus alten Jeans.

"Umsatzmäßig können wir uns nicht beschweren", sagt Betriebsleiterin Lischka und fügt hinzu: "Manche Dinge verweilen hier etwas länger, aber alles kommt weg." Besonders gefragt sind Kleider für alle Altersgruppen gefolgt von Möbeln. "Küchen, die wir allerdings nicht so häufig haben, sind immer heiß begehrt. Normalerweise ist eine Küche auch sehr teuer", sagt Lischka.

Und die Kundschaft? Die ist Lischka zufolge sehr gemischt. "Hier kann jeder herkommen, das war aber schon immer so", sagt sie. Die Kunden sind Rentner, Familien, aber auch junge Leute, die laut Lischka den Wert des Gebrauchten mehr schätzen. Mehr Kunden als früher verzeichne das ALZ trotz Inflation nicht. Die Preise seien im Wiederverwert-Laden für jeden Geldbeutel gemacht, so Lischka. "Die einen sagen uns, es ist zu teuer, die anderen, dass es günstig ist", schildert sie.

Dass es im Wiederverwert-Laden günstiger ist als anderswo, das schätzt auch Kundin Cornelia Bussmann. In regelmäßigen Abständen besucht sie das Geschäft, ab und an spendet sie aber auch Kleidung, Bücher und Geschirr. "Ich finde es gut, wenn Sachen nicht weggeworfen werden", sagt sie. Kunden, die wirklich auf die kleinen Preise angewiesen sind, nicht so offen wie Bussmann. Oder Björn Groß. Er ist mit seiner Familie zum ersten Mal in dem Second-Hand-Geschäft. Bekannte haben es ihm empfohlen. "Wir sind auch gerne auf Flohmärkten, weil es Spaß macht, kuriose Dinge zu finden", erläutert er. Rebbeca Heitmann und Florian Haar haben über die sozialen Medien ins ALZ gefunden. "Ich finde das Upcycling total cool", zeigt sich Heitmann begeistert. Betriebsleiterin Lischka formuliert es so: "Das Alte, Gebrauchte ist nicht weniger gut."

Lesen Sie auch

Zur Startseite
Mehr zum Thema

Das könnte Sie auch interessieren

Rätsel

Jetzt kostenlos spielen!
Lesermeinungen (bitte beachten Sie unsere Community-Regeln)