Der Osterkuss hat in Russland eine lange Tradition. „Insbesondere der Zar musste viele Menschen küssen, das wäre momentan undenkbar“, erzählt Edith Breitkreuz und lacht. Damit spielt die 79-Jährige nicht nur auf den Corona-Virus an, sondern erklärt gleich noch einige Motive: Zar Nikolaus II., seine Frau, Zarin Alexandra Feodorovna, seine Töchter, die Großfürstinnen Olga und Tatjana – sie sind unter anderem auf den rund 600 ausgestellten Ostereiern im Schloss Schönebeck zu sehen.
„Die meisten Eier hat Nikolaus II. für seine Frau anfertigen lassen“, erzählt Edith Breitkreuz und deutet auf das golden glänzende Ei, das als „Krönungs-Ei“ mitsamt dazugehöriger Kutsche Ostern 1897 als Geschenk an die Zarin ging. Überhaupt glänzt und glitzert es in den Vitrinen im Schloss Schönebeck. Denn die traditionelle Osterausstellung trägt dieses Jahr den Titel „Zarenträume in Eiform“, und zeigt damit Repliken des weltweit bekannten Osterschmucks Nikolaus II.

1899 als Spieluhr konzipiert: das Madonnenlilien-Ei.
Die künstlerisch gestalteten Schmuckeier des Carl Fabergé für den Zarenhof sind Legende. „Jedes Jahr fieberte die Zarenfamilie dem Osterfest entgegen, das neueste Ei von Fabergé war immer als Überraschung für die Zarenfamilie gedacht“, erzählt Edith Breitkreuz. Sie stammt im Übrigen aus Gotha bei Erfurt und sammelt seit mehr als 50 Jahren kunstvoll gestaltete Eier. Gut 15 000 Stück aus 105 Ländern sind zusammengekommen, „88 Länder davon haben mein Mann Waldemar und ich selbst bereist und jedes Mal Eier mitgebracht“, erzählt die ehemalige Lehrerin, die ins Schloss Schönebeck ihre Tochter Kerstin Dähnert mitgebracht hat. „Die nächste Generation übernimmt bald diese große Familiensammlung“, blickt Breitkreuz voraus.

Glitzernde Eivariation – mit Schmucksteinen verziert.
Eier seien das Sinnbild für die Entstehung des Lebens. Deshalb habe es in zahlreichen Ländern der Erde gestaltete Eier gegeben und gebe sie noch. „Mit und ohne kirchlichen Bezug, mit und ohne christlichen Bezug“, erzählt Edith Breitkreuz, die ihre Sammelleidenschaft auch genutzt hat, um Land und Leute kennenzulernen. „Kunstvoll gestaltete Eier wollte ich aus jedem Land mitbringen. Doch nicht immer waren sie auf Anhieb zu finden“, erzählt sie. Da habe sie oft Hilfe von Fremdenführern benötigt. Im Schloss Schönebeck konzentriert sich die derzeitige Ausstellung auf Russland. Gezeigt werden Repliken und Variationen der Fabergé-Eier aus der Sammlung Breitkreuz. „Die Originale sind weit verstreut“, erzählt Edith Breitkreuz, stehen in großen Museen oder in der Royal Collection der englischen Königin, „und sind unbezahlbar“. Schon die im Schloss Schönebeck zu sehenden Eier lassen die Werte der originalen Kunstgegenstände erahnen.

Das Zarenpaar, Kutschen und Krönchen sind wiederholt zu sehen.
Darüber hinaus zeigt die Ausstellung eine umfangreiche Dokumentation der russischen Ostertradition. „Dazu gehört auf jeden Fall ein reich gedeckter Ostertisch“, macht Edith Breitkreuz deutlich. Schon in den 1960er-Jahren ist sie nach Russland gereist. „Eier kaufen war da nicht, aber Tauschgeschäfte, die gingen“, erzählt sie und lacht. So kam sie beispielsweise an russische Troika-Eier. Aus Holz gefertigt mit wunderschönen Motiven von russischen Winterlandschaften und Menschen, die warm eingepackt mit der Kutsche durch den Schnee fahren. Auch christliche Szenen, beispielsweise die Madonna mit Kind, sind beliebte Motive, die von Ikonen übernommen wurden – sie hat sie ebenfalls im Tauschgeschäft erworben.

Das Steckenpferd im Ei – eher für eine reiche Familie angefertigt.
Da gibt es die kleinen Schmuckeier, beliebte Geschenke für die Hofdamen, oder Kristalleier, besondere Präsente für den Herren. Kobaltgeschirr, den reichen russischen Häusern vorbehalten, steht neben Tongeschirr des gewöhnlichen Volkes, kleine Holzeier, aufgeschnitten wie ein Altar, zieren ebenso den russischen Ostertisch wie der Samowar für den Ostertee, Wodka und Sekt, Süßigkeiten oder der wie ein großes Ei geformte Eierwärmer für den Genuss des tierischen Produktes.

Die glücklichen Schwäne im Ei: ein beliebtes Motiv für ein junges, reiches, frisch vermähltes Paar.
Die Ausstellung sollte ursprünglich bis Sonntag, 19. April, zu sehen sein. Sie wird eventuell verlängert, wenn das derzeit wegen der Allgemeinverfügung zur Corona-Pandemie geschlossene Schloss Schönebeck wieder für Besucher geöffnet werden darf. Weitere Informationen gibt es unter www.museum-schloss-schoenebeck.de.

Kleine, mit Gold, Silber und Edelsteinen verzierte Eier waren ein beliebtes Geschenk für die Damen am russischen Zarenhof. Je mehr, desto besser.