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Trauer um die Königin „The Queen is dead“

Unsere Autorin Paula Leonie Kunz hat just am Todestag der Queen ein Auslandssemester in Edinburgh begonnen. Wie sie die ersten Tage nach dem Tod der Monarchin erlebt hat.
13.09.2022, 16:41 Uhr
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Von Paula Leonie Kunz

Am Nachmittag des 12. September 2022 ist auf den Straßen Edinburghs kein Durchkommen mehr. Auf der zentralen Royal Mile stehen tausende Menschen dicht an dicht hinter Absperrungen – manche schon seit Stunden. In Anbetracht der schieren Zahl geht es bemerkenswert ruhig und respektvoll zu. Erwartung und eine gewisse Schwere liegen in der Luft. Schließlich ist es so weit: Langsam rollt das schwarze Auto heran, durch dessen Rückfenster der edel umhüllte Sarg der Queen zu sehen ist. Dahinter folgt ein Trauerzug,
angeführt vom frisch ernannten King Charles III. und den anderen Kindern der Queen. Die Prozession wird begleitet von Dudelsackmusik, der Nationalhymne und Kanonenschüssen.

Es sind Tage, die in Erinnerung bleiben. Als ich zum Antritt meines Auslandssemesters am 8. September ins Flugzeug stieg, ahnte ich nicht, was mich bei meiner Ankunft in der schottischen Hauptstadt erwarten würde. Ich erfuhr es vom Taxifahrer, der mich ins Zentrum brachte: „The Queen is dead“. Die Queen ist tot. Auf sämtlichen Radiosendern liefen traurige Melodien zu Ehren der verstorbenen Königin. Mein Fahrer erklärte, dass viele Schotten im britischen Vergleich nicht allzu monarchisch seien. Und doch war es ein Moment der Fassungslosigkeit – nach fast siebzig Jahren Regierungszeit war ihre Präsenz irgendwie selbstverständlich.
Nun ist ihr Gedenken allgegenwärtig. Radio und Fernsehen berichten rund um die Uhr und die Fahnen an Gebäuden wehen auf Halbmast. In Schaufenstern, auf Anzeigetafeln, und sogar auf Websites und Wetter-Apps werden ihr Tribute erbracht. Zudem werden etliche Events und Sportveranstaltungen bis nach der Beerdigung am 19. September ausgesetzt. Der Tag wurde zum Feiertag erklärt und viele Einrichtungen bleiben geschlossen.

In den Tagen nach dem Tod der Queen folgten traditionsbewusst diverse Zeremonien. Für den Fall, dass sie in Schottland sterben würde, gab es ein spezielles Protokoll. So wurde ihr Sarg am Sonntag zunächst von ihrem Sterbeort in den Highlands durch diverse Ortschaften hindurch nach Edinburgh überführt. Tausende säumten die Straßen und applaudierten, um der Queen ihren letzten Respekt zu zollen. Über Nacht verblieb der Sarg im Thronsaal vom Holyrood Palace, der offiziellen königlichen Residenz in Schottland. Am Montag folgte dann die feierliche Prozession zur St-Giles-Kathedrale. Dort verblieb die Queen vorerst, sodass Bürger und Besucher aus aller Welt einen Tag lang Abschied nehmen konnten.

In einer kilometerlangen Schlange standen Zehntausende über Stunden, um am Sarg vorbeizuziehen. Manche warteten bei kühlen Temperaturen bereitwillig die ganze Nacht hindurch. Sie verspüren Dankbarkeit dafür, dass die Queen ihr Leben in den Dienst der Nation gestellt hat und möchten sich erkenntlich zeigen. Andere sind fasziniert von der einmaligen Atmosphäre und wollen an diesem historischen Moment teilhaben. Selbst jene, die aus anderen Ländern ohne Monarchie hergekommen sind, haben das Gefühl, dass die Queen irgendwie Teil ihres Lebens war. So hat sie viel Bewunderung und Respekt erfahren – dafür, wie sie ihre Rolle angenommen und gelebt hat, aber auch für ihre Menschlichkeit, ihren Humor und nicht zuletzt ihre Liebe zu Schottland. Viele Schotten fühlen sich geehrt, dass sie als Erste die Gelegenheit zum Abschiednehmen erhalten und alle Welt während dieser Tage auf ihre Hauptstadt blickt.

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Nichtsdestotrotz wurden auf Social Media nicht nur Anteilnahme, sondern auch Ärger und Kritik laut. In meinem Umfeld als Studentin der Jacobs University wurde die Sensitivität des Themas sehr deutlich. So wird die Queen über ihre lange Regentschaft auch mit den Praktiken der Kolonialisierung und dem damit einhergegangenen Leiden in vielen Ländern der Welt verbunden. Als sie 1953 den Thron bestieg, herrschte sie noch über das British Empire. Seither sind im Rahmen der Dekolonialisierung viele Staaten unabhängig geworden – doch die Erinnerung und die Spätfolgen begleiten sie weiterhin.

In Schottland gab es bei der überwiegend friedlichen und respektvollen Atmosphäre auch Berichte über Verhaftungen von Menschen, die während der Zeremonien antimonarchische Einstellungen zum Ausdruck brachten. Generell komme ich trotz der überwältigenden Anteilnahme nicht umhin, den Eindruck zu erhalten, als gelte die meiste Zuneigung der Queen selbst und nicht der monarchischen Institution als Ganzes. Zweifellos steht King Charles III. nun eine große Aufgabe bevor, in die beachtlichen Fußstapfen zu
treten, die die Queen hinterlässt.

Zur Person

Paula Leonie Kunz ist Studentin an der Jacobs University in Grohn und freie Autorin der NORDDEUTSCHEN. Sie absolviert derzeit ein Auslandssemester in Edinburgh.

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