Vegesack. Erika und Uwe Nispel haben sich Matjes, Brötchen und Salat mit in den Vegesacker Hafen gebracht. An ihrem "Tuckerboot XXL" hat um 10.15 Uhr seitlich noch die "Flirt" von Gisela und Helmut Vogel festgemacht. Es bleibt Zeit genug, um in Ruhe zu frühstücken. Erst um 11 Uhr wollen sich insgesamt sechs Tuckerboote auf den Wasserweg zum Einkaufszentrum Waterfront in Gröpelingen machen.
Und es bleibt Zeit genug, etwas über diesen Schiffstyp "Tuckerboot" zu lernen: Ist es eine Kapitänsbarkasse, mit der man ursprünglich die Schiffsführung vom Ankerplatz an Land ruderte? Hat sich das Tuckerboot aus den Arbeitsbooten heraus entwickelt? Als der Begriff "Daysailor" fällt, schüttelt "Flirt"-Eigner Helmut Vogel schon zum dritten Mal den Kopf. Keines der Boote könne gesegelt werden: "Tuckerboot ist Tuckerboot. Diese Schiffsform kommt aus Holland und dort sind die Leute überall auf den Wasserstraßen mit solchen Booten unterwegs. Auch, um ihre ganz normalen Besorgungen zu machen."
Vogels Boot misst 6,40 Meter in der Länge, ist 2,40 Meter breit und wird von einem Volvo-Diesel mit 28 PS angetrieben. Ein reines Verdrängerboot, nichts für Wasserski, dafür aber gutmütig und sehr sparsam mit einem Verbrauch um die zwei Liter Diesel pro Stunde. Gesteuert wird mittig hinten mit einem kleinen Steuerrad.
Ganz typisch sei noch die "Weeling", der faustdicke Tampen, der zur Zierde und als Aufprallschutz einmal um das ganze Boot läuft. Auch wenn viele Tuckerboote heute aus Kunststoff gebaut sind, braucht es noch viel Eigeninitiative, um die offenen Boote in einem guten Zustand zu halten.
Erika und Uwe Nispel sind sogar noch einen Schritt weiter gegangen und haben sich ihr "Tuckerboot XXL" namens "El Toro" sogar selbst umgebaut. "Das war eigentlich ein Freifallrettungsboot, wie es hinten im Schlitten an den großen Seeschiffen hängt. Wir haben praktisch das Dach weggeflext und es so zum Cabrio gemacht," erläutert Uwe Nispel. So erklärt sich auch die verhältnismäßig große Bootsbreite von 3,20 Metern bei 6,50 Metern Länge. 2,7 Tonnen Gewicht bringt der Stier auf die Waage. Eine Aluminum-Badeplattform ist hinten montiert. Uwe Nispel: "An dem Boot zu schrauben macht mir genau soviel Spaß wie mit ihm zu fahren."
Viele der Tuckerboote haben vorne ein aufklappbares Faltverdeck namens "Sprayhood". Darunter ließe es sich theoretisch auch bei Regen aushalten und selbst spartanische Übernachtungen auf dem Boot mit Schlafsack und Luftmatratze sind eigentlich kein Problem. "Es gibt Leute, die mit solchen Booten die Mosel rauf fahren oder tagelang auf den Mecklenburger Seen unterwegs sind. Eigentlich aber ist das Boot prädestiniert für Tagesfahrten," erzählt Uwe Nispel. Oder man mache gemütliche Flusstouren von Hotel zu Hotel.
Horst Schütze sieht das genauso. Viele Tuckerbootbesitzer seien eigentlich auch Segler: "Aber für einen Nachmittag den Segler klarzumachen, das ist einfach viel Aufwand, zumal man auf der Weser mit der Tidenströmung oft nicht gut segeln kann." Das Tuckerboot könne auch mal gegen den Strom anmotoren und sei bei einer Marschgeschwindigkeit von 6,5 Knoten eben ein Gefährt, auf dem man den Reiz der Langsamkeit neu kennenlernen könne.
Schütze und die anderen Skipper nehmen sich denn für den Weg zur Waterfront auch gleich eineinviertel Stunde Zeit, der Weg ist das Ziel. Unterwegs sammelt die "Fritzi" an der Moorlosenkirche noch einen Kameramann ein. Am früheren Bauplatz der AG Weser in Gröpelingen wartet schon das Empfangskomitee von Bremer Bädern und Waterfront, die die Boote eingeladen haben. Beim asiatischen Mittagsbuffet sitzt die ganze Ausflugsgesellschaft beieinander. Und von Horst Schütze kann Uwe Nispel lernen, dass Schützes "Grace" durchaus einer Kapitänsschaluppe nachempfunden worden ist.
Heute imitiert Kunststoff die Plankengänge aus Holz. Früher seien diese schmaleren Boote tatsächlich noch gerudert worden: "Hinten stand dann ein ganz dicknäsiger Kerl und guckte wichtig vor sich hin." Am frühen Abend sind Schütze und die anderen wieder an ihren Liegeplätzen an der Lesum und an der Hamme – es war ein perfekter Tag zum Tuckerbootfahren.