Eineinhalb Jahre musste Marga Busse auf das Urteil warten. Zahlreiche Beratungen mit ihrem Anwalt und vier Termine bei Gericht hatte sie in dieser Zeit. Dazu kam die nervliche Belastung für die Rentnerin. Doch nun steht fest: Der Pflegedienst Friedehorst mobil muss die Kosten für eine neue Schließanlage in einem Mehrparteienhaus in Vegesack übernehmen. Mehrere Schlösser mussten ausgetauscht werden, nachdem eine Pflegekraft den Haustürschlüssel von Marga Busse und ihrem inzwischen verstorbenen Mann verloren hatte. Das Amtsgericht Blumenthal hat den Pflegedienst jetzt verpflichtet, 3600 Euro zu zahlen. Nach Angaben von Friedehorst-Sprecherin Gabriele Nottelmann wird der Pflegedienst nicht in Berufung gehen und die entstandenen Kosten ersetzen.
Dass es zu so einem langen Rechtsstreit kommen würde, hatte Marga Busse nicht erwartet. Zunächst hatte sie überhaupt nicht damit gerechnet, vor Gericht ziehen zu müssen. Die Seniorin war davon ausgegangen, dass die Haftpflichtversicherung des Pflegedienstes den Schaden einfach übernehmen würde. Doch die weigerte sich.
Geöffneter Schlüsselring
Ein Rückblick: Etwa zweieinhalb Jahre lang war das Pflegeteam von Friedehorst mobil bei Marga Busses schwerkranken Mann im Einsatz. Um den Pflegekräften jederzeit Zugang zur Wohnung zu ermöglichen, hatte Marga Busse ihnen einen Haustürschlüssel überlassen. Eines Morgens meldete sich die Pflegekraft kurz nach ihrem Einsatz bei dem Ehepaar. Sie hatte beim nächsten Patienten festgestellt, dass der Schlüsselring, an dem sich mehrere Schlüssel befanden, geöffnet war. Der Haustürschlüssel des Ehepaares war verschwunden.
Marga Busse informierte die Eigentümerin ihrer damaligen Wohnung in Vegesack, die sich in einem Mehrparteienhaus mit insgesamt 15 Wohnungen befindet. Zunächst ließ die Eigentümerin die Schließanlage, an die drei Wohnungen angeschlossen sind, für rund 600 Euro provisorisch austauschen. Nach sechs Wochen wurde die Anlage mit insgesamt sechs Zylindern dann endgültig erneuert. Das kostete noch einmal 3000 Euro. Als Marga Busse aus der Wohnung auszog, berechnete ihr die Vermieterin die 3600 Euro. Die Versicherung weigerte sich zu zahlen und so blieb die Rentnerin erst einmal auf den Kosten sitzen.
Kein Einzelfall
Marga Busse war es wichtig, dass über die Geschichte berichtet wird, weil viele Menschen ihren Haustürschlüssel einem Pflegedienst überlassen. Ihr Rat ist, sich vorher zu vergewissern, dass die Kosten im Falle eines Schlüsselverlusts übernommen werden. Ihr Rechtsanwalt Jörg Sommer bekräftigt das. "Für mich war die Aussage der zuständigen Hausverwaltung bemerkenswert. Demnach ist das nämlich überhaupt kein Einzelfall, sondern passiert regelmäßig. Es kommt offenbar ziemlich häufig vor, dass Pflegedienstbetriebe Schlüssel verlieren. Nach Aussage der Hausverwaltung sind viele Pflegedienste in diesem Zusammenhang unterversichert." Vor diesem Hintergrund sei das Gerichtsurteil umso beachtenswerter.
Dass sich das Gerichtsverfahren so lange hinzog, lag laut Sommer daran, dass der Pflegedienst standhaft behauptet habe, er habe den Schlüsselverlust nicht zu vertreten und müsse den Schaden nicht zahlen. "Es musste daher Beweis erhoben werden mit mehreren Zeugen", so Sommer. Mit dem Urteil sei nun aber rechtskräftig festgestellt worden, dass der Pflegedienst eine Nebenpflicht aus dem Pflegevertrag verletzt habe. Der Schlüssel hätte sorgsam verwahrt werden müssen.
Einbruchsgefahr
Nach Ansicht des Anwalts bestand durch die Situation die Gefahr eines Einbruchs. Da nur der einzelne Schlüssel gefehlt habe, sei es wahrscheinlich, dass der Schlüssel gezielt gestohlen wurde. Weil der Schlüssel einen Anhänger mit einer Nummer hatte, hätte ein potenzieller Dieb aus den Unterlagen der Pflegekraft, die sie bei sich hatte, die zugehörige Adresse leicht ermitteln können, so Sommer.
Das Unternehmen argumentierte indes, dass die Schließanlage nicht hätte ausgetauscht werden müssen und kein nachweisbarer Schaden entstanden sei. "Das Gericht hat in einem wesentlichen Punkt unsere Sichtweise bestätigt und folgt dem BGH-Urteil aus 2014: Der Verlust eines nicht gekennzeichneten Schlüssels stellt ein abstraktes, kein reales Gefahrenpotenzial dar", teilt die Friedehorst-Sprecherin mit. Nichtsdestotrotz, so Nottelmann, sei ein Schlüssel verloren gegangen, und die Schließanlage wurde daraufhin ausgetauscht. "Durch das Verfahren herrscht nun Klarheit, und das begrüßen wir." Laut Sommer muss der Pflegedienst auch sämtliche Gerichtskosten tragen.