Vegesack. Seit gut einem Monat sind die Geschäfte pandemiebedingt wieder geschlossen. Große Einzelhändler setzen den Verkauf unterdessen über ihre Online-Shops fort, doch diese Möglichkeit haben inhabergeführte Geschäfte in der Regel nicht. Deshalb suchen sie nach Alternativen und nutzen zum Beispiel den Messengerdienst Whatsapp, um ihre Waren zu verkaufen.
Dass es erneut zu einem Lockdown kommen wird, hat Gülseren Güzelkücük, Inhaberin des Juweliers Eckelt, befürchtet. „Ich hatte zunächst aber die Hoffnung, dass es dazu erst nach dem Weihnachtsgeschäft kommt. Schließlich ist der Dezember der umsatzstärkste Monat für den Einzelhandel“, sagt sie.
Doch angesichts steigender Infektionszahlen kam die erneute Schließung der Geschäfte bereits gut zehn Tage vor Heiligabend. „Also brauchte ich einen Plan B“, so Güzelkücük. Da sie bis dato keinen Online-Shop hatte und nicht genügend Zeit war, um einen aufzubauen, kam ihr die Idee zum Schaufenster-Shopping. Anstatt im Geschäft suchen sich die Kunden ihre Schmuckstücke in der Auslage aus und machen davon ein Foto. Anschließend können sie das per Whatsapp an Gülseren Güzelkücük schicken. Die Kunden bekommen daraufhin kurze Videos und Sprachnachrichten zugesandt, mit denen die Juwelieren Details zu den Stücken liefert. „Bisher kam es nach jeder Kontaktaufnahme per Whatsapp auch zum Verkauf“, sagt sie.
Ein paar Anlaufschwierigkeiten gab es allerdings schon. „Das Konzept hat nicht sofort wie eine Bombe eingeschlagen“, sagt die Nordbremerin. Die meisten Kunden hätten sich bereits vor dem erneuten Lockdown mit Weihnachtsgeschenken eingedeckt. „Doch jetzt nach dem Weihnachtsgeschäft trudeln die Nachrichten ein“, sagt sie. Dabei beschränken sich die Anfragen, die sie nun bekommt, nicht nur auf die im Schaufenster ausgestellten Schmuckstücke. „Mich erreichen per Whatsapp auch Anfragen von Stammkunden, die zum Beispiel eine Uhr zu einem runden Geburtstag verschenken wollen“, erzählt Güzelkücük. Auch in solchen Fällen fertigt sie kurze Videos mit weiteren Informationen zu ihren Waren an, die sie den Kunden über den Messengerdienst zukommen lässt.
Allerdings wolle so mancher die Schmuckstücke vor dem Kauf in natura sehen. Da Gülseren Güzelkücük derzeit jedoch keine Kunden in ihrem Geschäft empfangen darf, hat sie dafür eine andere Lösung gefunden. „Ich vereinbare einen Termin mit den Kunden und stelle die Waren dann im Schaufenster aus“, sagt sie.
Vom Englischen zum Plattdeutschen
Auch wenn der Verkauf via Whatsapp nun läuft, will sie das Konzept trotzdem ein wenig anpassen und sich von den englischen Begriffen lösen. „Nahezu jeder Einzelhändler spricht von 'Click and Collect', wenn es um den Verkauf im Lockdown geht“, sagt sie. Aufgefallen sei ihr das aber nicht sofort, sondern erst im Januar. Dennoch hat sie bereits eine Idee, wie sie es anders als die anderen machen kann. „Was wird hier im Norden gesprochen? Das ist Plattdeutsch“, erzählt sie. Deshalb soll es in Zukunft bei ihr „Kiek en ophalen“ heißen. „Das ist lustig, und so etwas brauchen wir jetzt auch“, befindet sie.
Damit der Einkauf via Whatsapp funktioniert, muss sie die Auslage regelmäßig neu bestücken. Normalerweise passiere das alle drei bis vier Wochen. Im Moment geschehe das allerdings deutlich häufiger, damit sie möglichst viele verschiedene Ringe, Ketten und Uhren aus ihrem Sortiment präsentieren könne. Hat sich der Kunde nach der virtuellen Beratung für ein Stück entschieden, funktioniert die Bezahlung per Banküberweisung. „Im Vorfeld vereinbaren wir einen Zeitpunkt für die Abholung. Dafür habe ich extra einen Service-Point eingerichtet, damit die Übergabe kontaktlos funktioniert“, erzählt sie.
Durch den Kontakt zu ihren Kunden merke sie, dass es den Menschen wichtig sei, den Handel vor Ort in diesen Zeiten zu unterstützen. „Das rührt mich sehr. Wenn ich darüber nachdenke, bekomme ich noch immer Gänsehaut“, erzählt Güzelkücük.
Inzwischen ist Gülseren Güzelkücük nicht mehr die Einzige, die in Vegesack Schaufenster-Shopping anbietet. „Verschiedene Geschäftsnachbarn haben die Idee übernommen“, erzählt sie. „Das freut mich sehr.“
Auch wenn sie durch das „Kiek-en-ophal-Prinzip“ trotz der Corona-Krise ihre Ware verkaufen kann, sind ihre Einnahmen geringer, als wenn das Geschäft geöffnet wäre. „Aber ich bin dankbar für das, was ich habe“, sagt sie.