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Kultur im Bremer Norden Statt-Theater Vegesack: Seefahrt in Geschichten und Gedichten

Weil der Erfolg im vergangenen Jahr so groß war, bringt das Statt-Theater Vegesack das Stück "In der Haifischbar" auch in diesem wieder auf die Bühne. Wie die erste Aufführung war.
15.10.2023, 18:00 Uhr
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Von Jörn Hildebrandt

Die ältere Generation erinnert sich vielleicht noch an die Unterhaltungsshow „Haifischbar“, die von 1962 bis 1979 im Ersten Deutschen Fernsehen ausgestrahlt wurde. Die Sendung war ein großer Publikumserfolg, nicht zuletzt, weil in ihr zahlreiche bekannte Interpreten und Schauspieler wie Lale Andersen, Heidi Kabel oder Freddy Quinn auftraten. Eine urige Seemannskneipe in Hamburg-Altona war Namensgeber für die anfangs noch in schwarz-weiß ausgestrahlte Show.

In Anlehnung an diese beliebte Sendung bietet das Galerie-Café im Alten Speicher ein Potpourri aus Liedern und Gedichten, die mit dem Meer zu tun haben – gesungen, gespielt und vorgetragen von Akteuren des Statt-Theaters Vegesack. Die Darbietungen im Solo, Duo, als Chor und begleitet von Piano, Klarinette und Schlagzeug sorgen für einen abwechslungsreichen Wechsel von Tempo und Stimmungen und wurden vom Publikum immer wieder begeistert beklatscht.

Bereits zum 400. Geburtstag des Vegesacker Hafens im vergangenen Jahr hatte das Theater in die „Haifischbar“ eingeladen und wegen guter Resonanz und starker Nachfrage nimmt es das Programm in diesem Jahr mit fünf Aufführungen wieder auf.

Bei der Premiere des Varietés erlebten die Besucher, in wie vielen Räumen und Zeiten Seefahrt stattfindet: Das Walfängerlied „Soon may the wellerman come“ stammt zwar aus dem weit entfernten Neuseeland, erinnert aber auch an die lange Walfangtradition in Bremen-Nord. Der Schlager „Am Sonntag will mein Süßer mit mir segeln gehen“ wurde zwar bereits 1929 geschrieben, landete aber erst in den 1960er Jahren auf den vorderen Rängen der Deutschen Hitparade. Buchstäblich abgründiger ging es in dem etwas larmoyanten Lied von Wolf Biermann zu, in dem beim Bootsausflug des Liebespaars plötzlich die See zu kochen beginnt und am nächsten Morgen, als die See wieder glatt ist, nur noch die Planken auf dem Wasser treiben – das Paar ist längst auf den Meeresboden gesunken.

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„Seefahrt ist oft mit Katastrophen verbunden, sie bringt aber auch Helden hervor“, sagt Jürgen Bachmann vom Statt-Theater, und einen besang die Ballade von Theodor Fontane: „John Maynard“ opfert sich beim Brand eines Schiffes auf dem Eriesee, um die gesamte Mannschaft zu retten: In den Flammen und dem Qualm hält er das Steuer fest in der Hand, bis das Schiff das Ufer erreicht – alle überleben, bis auf ihn.

Manche Stücke, so oft sie auch bereits gesungen wurden, durften einfach nicht fehlen: Der Song „Die große Freiheit“, der heutzutage oft beim Auslaufen von Kreuzfahrtschiffen gespielt wird, kam so anrührend schön `rüber, dass er seine Wirkung beim Publikum nicht verfehlen konnte.

Schnellere Rhythmen folgten mit „Aloha heja he“, das der Komponist Achim Reichel 1991 auf seinem Album „Melancholie und Sturmflut“ sang und das damals zum Sommerhit avancierte – ein Stück, das bis heute so bewegt, dass Partygäste sich oft im Trockenrudern üben.

Schunkeln und Mitsingen bleiben bei den eingängigen Stücken nicht aus, doch auch Ohrwürmer wie das altbekannte „Hamborger Veermaster“ lassen kritische Elemente anklingen, wenn zum Beispiel auf das Deck voll von „Schiet und Schmeer“ hingewiesen wird. Bei Stimmgewalt und an- und abschwellender Stimme meinte man im Song „Der Wind hat mir ein Lied erzählt“  den Wind tosen zu hören, der in einem leisen Säuseln endete. Das Lied wurde 2003 von Nina Hagen gesungen, aber schon im Jahre 1937 geschrieben.

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Der große Star der damaligen Sendung „Haifischbar“ war die österreichische Sängerin Lolita, die beim Varieté-Programm natürlich nicht fehlen durfte. Nachdem es in dem Schlager „Seemann, deine Heimat ist das Meer“ über Rio und Shanghai und über Bali und Hawaii kreuz und quer durch die Ferne ging, brachte ein Potpourri aus Kurzgedichten hoch konzentrierte Inhalte in die Veranstaltung. „Die Schiffe aus Holz, die Crew aus Eisen. Heute ist es umgekehrt – so ändern sich die Zeiten“ heißt es in einem der Gedichte, und auch Friedrich Hebbel oder Johann Wolfgang von Goethe steuerten etwas zum Thema Meer und Seefahrt bei.

Nach Tiefsinn durfte auch wieder Schmalziges folgen, bei dem es inhaltlich nicht so genau drauf ankommt, denn in „La Paloma“, populär geworden von Hans Albers, zieht fälschlicherweise eine weiße Taube übers Meer, obwohl diese Vögel eher das Land bevorzugen. Und in dem Schlager „Sie hieß Mara-Ann“, gesungen von Freddy Quinn, hält ein Matrose seinem Schiff die Treue wie einer Ehefrau, bis es ihm schließlich zum Grab wird.

Was Seefahrt bedeutet und mit sich bringt – die Liebe zum Meer und zu Schiffen, zu Ferne, Abenteuer und Freiheit, aber auch Enttäuschung, Frust oder Tod wusste das Statt-Theater dem Publikum in einer gelungenen Mischung nahezubringen.

Info

Die nächsten Vorstellungen finden am Sonnabend und Sonntag, 11. und 12. November, statt. Eintrittskarten zum Preis von 13 Euro (ermäßigt neun Euro) gibt es in der Buchhandlung Otto & Sohn, Breite Straße 21-22.

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