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Travestie-Ikone Lilo Wanders lässt Blicke hinter die Maske zu

Besucher und Besucher dürfen der Travestie-Ikone bei ihren Auftritten Fragen stellen. Am Sonnabend tritt Lilo Wanders im Kito auf.
19.02.2024, 16:40 Uhr
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Lilo Wanders lässt Blicke hinter die Maske zu
Von Moritz Kalvelage

Auf die Frage, wer Sie sind, haben Sie mal geantwortet: „Eine energisch gepflegte Dame ohne Alter.“ Inzwischen machen Sie aus Ihrem Alter kein Geheimnis mehr. Gibt es andere Dinge, die nicht mehr geheim bleiben?

Lilo Wanders: Ich habe jahrelang nicht auf die Fragen geantwortet, wer die Person hinter der Maske ist. Da bin ich in meinem Programm inzwischen deutlich durchlässiger geworden. Ich lege vor der Pause Zettel und Bleistifte aus, damit die Besucher Fragen an mich stellen können. In der zweiten Hälfte improvisiere ich dann die Antworten, und da kommen natürlich auch private Fragen. Im Fernsehen schiffe ich gerne um so was herum – auf der Bühne mache ich das inzwischen, weil ich mit mir selber deckungsgleich bin. Dazu gehört, dass ich nicht mehr jung bin und dass ich nicht ganz „echt“ bin – wenn auch trotzdem wahrhaftig.

Was heißt deckungsgleich mit sich selbst sein?

Ich habe mich selber – jetzt spricht Lilo – Ende der 80er-Jahre für ein Theaterstück im Schmidt-Theater in Hamburg erfunden, das ich damals mit drei Kollegen geleitet habe. Bis dahin hatte ich mehr als 20 Figuren für selbst geschriebene Stücke erfunden. Diese Figur, Lilo Wanders, hat dann aber eine solche Präsenz bekommen, dass alles andere dahinter verschwunden ist. Ich wollte diese Kunstfigur in den Vordergrund schieben und selber dahinter verschwinden. Inzwischen bin ich die Wanders – sie ist Mensch geworden, als die Sendung „Wa(h)re Liebe“ begann. Dort musste ich ein Mensch sein, weil ich über Gefühle und Sexualität gesprochen habe. Heute bin ich durchlässiger, weil ich mir auch denke: „Ach was soll´s.“

Sie haben kleine und große Bühnen kennengelernt, jetzt spielen Sie für im Theater Bremen in der Operette „Orpheus aus der Unterwelt“. Wie fühlt sich das an?

Dass ich auf einer großen Bühne stehe, ist nicht ungewöhnlich. Das Ungewöhnliche ist, dass es eine Operette ist und ich liebe dieses für mich neue Metier. Wenn ich von den Kolleginnen und Kollegen gefragt werde, wie es mir geht, antworte ich immer: „Wenn ich nach Bremen komme, geht es mir gut.“ Ich bekomme sofort gute Laune auf der Fahrt dahin.

Nun kennen Sie Bremen Stadt durch Ihre regelmäßigen Auftritte am Goetheplatz wahrscheinlich ganz gut. Am Sonnabend, 24. Februar, geht es in das Kito in Bremen-Nord. Kennen Sie sich dort aus?

Tatsächlich wohnt in Vegesack Verwandtschaft. Neulich waren alle meine Kinder in der Vorstellung und da habe ich meinen einen Sohn und seine Frau zu den Schwiegereltern in Bremen-Nord gefahren.

Besucherinnen und Besucher dürfen Ihnen bei der Show Fragen stellen – wieso ist das so?

Weil es Spaß macht. Es macht der Zuschauerschaft Spaß, es macht auch mir Spaß, weil es eine Herausforderung ist. Ich bin immer neugierig, was da so kommt. Es sind oft Beziehungsfragen: „Wie kann der sexuelle Reiz erhalten bleiben, wenn man zu vertraut miteinander ist?“ zum Beispiel. Ich beziehe mich bei den Antworten dann auf mein Wissen in Sachen Liebe, Sex und Partnerschaft. Aber es kommen auch private Fragen über mich.

Kann es auch mal nicht um Sex gehen?

Ja sicher, es kommen Fragen zu mir und meiner Person – das geht quer durch den Garten.  Die beantworte ich dann möglichst so, dass es einen Lacher gibt.

Wieso ist Sex als Thema immer noch so spannend?

Ich glaube, es gibt zwei große Themen im Leben: Das eine ist die Liebe, und das andere ist der Tod. Und das verknüpft sich miteinander – auch die Liebe kann endlich sein. Und darum geht es, wenn wir die Liebe als ernstes Thema nehmen, um die Freude und den Schmerz. Aber es macht auch Spaß, von den  Absurditäten zu erzählen, wieso es so oft nicht klappen will zwischen Männern und Frauen. Es passiert ganz oft, dass sich Leute im Publikum anstupsen, sich wiedererkennen und befreit lachen. Ich habe aber auch schon erlebt, dass Paare mit steinernem Gesicht da sitzen und nach der Pause weg sind.

Also scheint nicht jede Antwort alle zu erfreuen.

Manchmal fühlen Menschen sich so ertappt, dass sie es nicht aushalten. Aber ich versuche, alles so lustig wie möglich zu verpacken.

Ausgefallene Auftritte, geschlossene Kulturstätten wegen Corona. Viel wurde bei Ihnen durch die Pandemie durcheinandergewirbelt und Sie leiden unter Long Covid. Wie geht es Ihnen heute?

Sie merken vielleicht, dass ich ein bisschen nach Worten suche. Ich bin jetzt im dritten Jahr nach der Infektion, habe Gedächtnisprobleme und merke vor allem körperliche Erschöpfung, gegen die ich aber Nahrungsergänzungsmittel nehme. Das Suchen nach Namen und Worten ist schon lästig – und das ist keine einsetzende Demenz, das ist so, seit ich Corona hatte. Es gibt ja auch eine Menge junger Leute, die es fürchterlich erwischt hat, mir geht es da noch relativ gut.

Wie gehen Sie damit auf der Bühne um?

Ich sage, wenn mir ein Wort nicht einfällt. Manchmal erzähle ich auch schon zu Anfang des Programms, dass mir das passieren kann. Außerdem habe ich sowieso die Tendenz, mich irgendwohin zu plaudern, da nicht jedes Wort festgeschrieben steht. Da kann es sein, dass ich mich im Gestrüpp der Wörter verheddere und den Weg zurück suchen muss. Also, ich mache das lieber ganz offen.

Das Gespräch führte Moritz Kalvelage.

Zur Person

Unter dem Titel "Ein Abend mit Lilo Wanders" wird die Kunstfigur zum Dirty Talk auf der Kito-Bühne erwartet. Los geht es an der Alten Hafenstraße in Vegesack um 20 Uhr. Karten kosten im Vorverkauf 29 Euro und an der Abendkasse 34 Euro. Einlass ist um 19.30 Uhr. 

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