Bremen Stadtteile Osterholz Verden Diepholz Delmenhorst Wesermarsch Oldenburg Rotenburg Cuxhaven Bremerhaven Niedersachsen

Friedensschule „Comandante Rodolfo“ - ein Sohn Bremens

Rudolf Jacobs wird in Italien als Hald verehrt. In seiner Heimat Bremen wurde ihm eine Würdigung erst 2014 zuteil. Ein Vortrag der Friedensschule widmet sich dem Partisanen "Comandante Rodolfo".
08.09.2021, 05:00 Uhr
Jetzt kommentieren!
Zur Merkliste
Von Ulrike Schumacher

Vegesack. In Italien gilt er seit Jahrzehnten als Held – in Deutschland aber brauchte es sehr lange, bis es für Rudolf Jacobs eine öffentliche Würdigung gab. Anfang 2014 wurde im Gustav-Heinemann-Bürgerhaus eine Ehrentafel für den aus Bremen stammenden Seemann, Ingenieur und Offizier der deutschen Kriegsmarine eingeweiht. 60 Jahre zuvor – Ende November 1953 – wurde bereits im italienischen Sarzana ihm zu Ehren eine Gedenktafel errichtet. Weil Rudolf Jacobs – „Comandante Rodolfo“ – in Norditalien auch ein Deserteur und Partisan war und als solcher am 3. November 1944 in Sarzana von Faschisten ermordet wurde. Die Stadt hatte Rudolf Jacobs, der gegen deutsche Besatzer und Mussolini-Soldaten kämpfte, postum zum Ehrenbürger ernannt.

„Es ist faszinierend, wie bekannt Rudolf Jacobs in Sarzana war – nicht nur bei den Alten, sondern auch bei den Jüngeren“, erinnert sich Astrid Torkel, die mit der Internationalen Friedensschule Bremen vor Jahren in der Kleinstadt zu Besuch war. Nun organisiert die Nordbremerin zusammen mit weiteren Aktiven aus der Friedensschule für Montag, 13. September, einen Informationsabend über den, wie sie sagen, „Sohn dieser Stadt“, den „menschlich handelnden Offizier aus Bremen“.

Rudolf Jacobs wurde am 26. Juli 1914 als Sohn des Bremer Architekten Rudolf Jacobs senior geboren. Der Vater sei kein Unbekannter gewesen, bemerkt Astrid Torkel. Er habe das Haus am Markt, das Parkhotel und das Gebäude des Norddeutschen Lloyd entworfen. Dessen Sohn Rudolf fuhr nach dem Abitur einige Jahre mit der Handelsmarine zur See - unter anderem auch auf dem Schulschiff Deutschland. Nachdem er sein Offizierspatent erworben hatte, studierte Rudolf Jacobs Bauingenieurswesen und Architektur. „In den Semesterferien nahm er an Wehrübungen teil, um nicht eingezogen zu werden“, erzählen Eckehard Bohne und Renate Sonnenberg, die ebenfalls in der Friedensschule aktiv sind. Doch während des Zweiten Weltkriegs wurde Rudolf Jacobs dann doch zur Kriegsmarine eingezogen und „ab dem 25. September 1943 als verantwortlicher Marineoffizier für den Festungsbau in der italienischen Hafenstadt La Spezia eingesetzt“.

„Seine ohnehin oppositionelle Haltung gegenüber dem Naziregime wurde durch die, von den deutschen Besatzungstruppen begangenen Kriegsverbrechen an der italienischen Zivilbevölkerung noch verstärkt“, schrieb der einstige Bürgerhaus-Leiter Gerd Meyer anlässlich eines Vortrags über Rudolf Jacobs. Möglicherweise, so Meyer weiter, habe Jacobs auch den Entschluss gefasst, zu desertieren und sich einer regionalen Partisaneneinheit, der Garibaldi-Brigade „Ugo Muccini“ anzuschließen, weil er glaubte, seine Familie sei 1944 bei Bombenangriffen in Hamburg ums Leben gekommen. „Il Primo“, Jacobs' Name als Partisanen-Mitglied, sei schließlich nach verschiedenen Kampfeinsätzen seiner Partisaneneinheit „bei einem Angriff auf die Kaserne der italienischen Faschisten im Zentrum der Stadt Sarzana am 3. November 1944 getötet worden“.

Seine Ehefrau, die sich jedoch nicht von Bremen nach Hamburg umgemeldet hatte, „erfuhr erst Ende der 50er-Jahre durch einen Brief des damaligen Bürgermeisters in Sarzana von den näheren Umständen seines politischen und militärischen Wirkens in Italien und seines Todes“, berichtet Astrid Torkel. Aus Angst vor einer gesellschaftlichen Ausgrenzung habe sie ihr Wissen über das Desertieren ihres Mannes und seine Mitgliedschaft in einer Partisaneneinheit aber noch viele Jahre zurückgehalten.

In Italien wurde Rudolf Jacobs nach dem Krieg vielfach geehrt. Die Stadt Parma ernannte 2003 eine Straße nach ihm. Anlässlich seines Todestages findet in Sarzana alljährlich in November „unter großer öffentlicher Teilnahme“ eine Gedenkveranstaltung statt, an der auch sein Sohn Rudolf Jacobs junior teilnahm, der am 5. Mai 2020 gestorben ist. Zuvor hatte die Journalistin Ulrike Petzold noch die Gelegenheit zu Gesprächen mit ihm, um sich vom Vater erzählen zu lassen. Für ihr Radio-Feature „Comandante Rodolfo – der Partisan aus Bremen“ erhielt Ulrike Petzold 2020 den DRK-Medienpreis.

Zur Sache

In Marzabotto auf Jacobs aufmerksam geworden

Seit Mitte der 1980er-Jahre dokumentieren Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Internationalen Friedensschule Bremen das Leben des Bremers Rudolf Jacobs. „Die Beschäftigung mit ihm geht aus der Städtefreundschaft mit Marzabotto hervor“, berichtet Renate Sonnenberg. Der Ort Marzabotto nahe Bologna werde in einem Atemzug mit dem Ort Lidice genannt, erläutert Ekkehard Bohne. 1944 habe die SS dort „rund 770 Frauen, Kinder und alte Menschen in einer Vergeltungsaktion auf übelste Weise ermordet“. Es sei einer der brutalsten Rachezüge gegen die Partisanen gewesen. Bei einem der späteren Friedenscamps in Marzabotto wurden Teilnehmer der Friedensschule schließlich Mitte der 1980er-Jahre vom ehemaligen Bürgermeister Marzabottos sowie von Bremens Bürgermeister Hans Koschnick auf das Schicksal des Bremers Rudolf Jacobs aufmerksam gemacht. Daraufhin begannen die Recherchen zu ihm – auch mithilfe seines Sohnes Rudolf Jacobs junior.

Im Rahmen der Aktionswochen „Gemeinsam gegen Ausgrenzung und Diskriminierung“ veranstalten die Internationale Friedensschule Bremen und die Deutsch-Italienische Gesellschaft Bremen am Montag, 13. September, im Gustav-Heinemann-Bürgerhaus in Vegesack einen Abend unter dem Titel „Comandante Rodolfo – der Partisan aus Bremen“. Beginn ist um 19 Uhr, Einlass bereits eine halbe Stunde früher. Dazu anmelden kann man sich per E-Mail unter info@werkstatt-antidiskriminierung.org. usch

Zur Startseite
Mehr zum Thema

Das könnte Sie auch interessieren

Rätsel

Jetzt kostenlos spielen!
Lesermeinungen (bitte beachten Sie unsere Community-Regeln)