Weserpromenade in Vegesack. Nicht gerade Ausflugswetter. Ein eiskalter Regen geht fast waagerecht, der Wind bläst kräftig. Egal. Den zwölfjährigen Felix zieht es an die Wasserkante. Könnte sein, dass sich demnächst am Horizont eines seiner beliebten Motive zeigt. Für den Fall hat er die Kamera griffbereit dabei. Der Schüler aus Bremen-Nord steht am Geländer und lässt den Blick über die Weser schweifen.

Der Vegesacker Schüler Felix (12) fotografiert dicke Pötte auf der Weser - und anderswo: beispielsweise das 198 Meter lange Frachtschiff "Star Instind".
Ihn interessieren Schiffe. Die besonderen. Die dicken Pötte. Wenn sie so majestätisch und schwer in der Weser liegen als passe keine Handbreit mehr zwischen Ufer und Fahrrinne, dann ist Felix buchstäblich aus dem Häuschen. Wann immer es geht, eilt der Zwölfjährige mit der Kamera los, um von den dicken Pötten Fotos zu machen. Auf der Internetseite www.marinetraffic.com kann er verfolgen, wann und wo welche Schiffe unterwegs sind. An der Weserpromenade, weiß der Sechstklässler, gibt es fürs Foto eine besonders günstige Stelle: „Den besten Blick hat man da, wo das Geländer einen Knick macht.“

"E-Ship 1" heißt dieses 130 Meter lange Frachtschiff.
Das Fotografieren hat er sich vor knapp vier Jahren angewöhnt, erzählt der Junge. Anfangs nur für sich als Erinnerung. Aber dann fiel ihm auf, dass auf der Internetseite mit den Schiffsbewegungen auch viele Fotos von Schiffen zu sehen sind. „Da habe ich gedacht, dann könnte ich meine Fotos doch auch auf diese Internetseite bringen.“ Über 300 Bilder hat Felix dort inzwischen veröffentlicht. Dafür nutzt er eine Spiegelreflexkamera „und zusätzlich das Handy. Ich sicher mich doppelt ab. Aber im Moment mach' ich nicht mehr so viele Fotos“, erzählt der Schüler. Seit dem Wechsel aufs Gymnasium ist auch das Arbeitspensum für die Schule gewachsen. Da bleibt nicht mehr so viel Zeit wie vor zwei Jahren noch, als Felix bei seiner Leidenschaft für die dicken Pötte auch noch ein anderer Plan in den Sinn kam. Seine Mutter erinnert sich noch gut daran, wie ihr Sohn sie eines Tages mit den Worten „Mama, ich habe eine Geschäftsidee“ überraschte. „Felix wollte seine Fotos als Postkartenmotive nutzen und hat mich gebeten, ihn dabei am Computer zu unterstützen“, erzählt Heike Röben. Das hat sie gern gemacht. „Ich bin froh, dass Felix nicht vor dem Computer hängt, sondern sich viel draußen bewegt“, erzählt sie. Bei seinem Hobby hatte der Junge die Mutter längst mit im Boot. Besondere Schiffe gibt es ja nicht nur auf der Weser. Sie fährt ihren Sohn zur Oslebshauser Schleuse oder nach Cuxhaven und Bremerhaven, wo die Chance, dicke Pötte vor die Linse zu bekommen, besonders groß ist. Natürlich stand auch schon Sommerurlaub an der Nordsee auf dem Plan. Baden und Schiffe sehen – das war toll.

Etwas klotzig kommt der 264 Meter lange Autotransporter "Endurance" daher.
So nahm die „Geschäftsidee“ Fahrt auf. 300 Karten hat der Schüler drucken lassen und sie mit Grüßen versehen: „Moin aus Vegesack ist am unteren Kartenrand zu lesen oder auch „Große Pötte, große Liebe“. Die Karten verkauft er bei der Vegesacker Buchhandlung „Otto und Sohn“ oder über seinen facebook-account www.facebook.com/Shipspotterfelix für 1,50 Euro pro Karte. 50 Cent davon spendet Felix an die Gesellschaft zur Rettung Schiffbrüchiger. Dass ihr Sohn sich so sehr für Schiffe begeistert, wundert Heike Röben nicht. „Das Maritime liegt bei uns in der Familie“, sagt sie. „Der Bruder von meinem Opa war Kapitän“, erzählt Felix. „Und mein anderer Opa ist auch zur See gefahren.“ Nach dem Tod ihres Onkels kamen nicht nur die Modellschiffe ins Haus, berichtet die Vegesackerin, sondern auch all die aufgeschriebenen Erinnerungen an die Schifffahrt. „Das war wirklich spannend“, fand Heike Röben und schrieb eine Biografie über den Mann.

Felix (12) fotografiert die dicken Pötte auf der Weser - und anderswo: auch Kreuzfahrtschiffe sind gern genommen.
Insofern liegen Schiffe der Familie einfach am Herzen. Aber dass Felix absolut darauf fixiert ist, kann man auch nicht sagen. Seine andere große Leidenschaft gilt dem Fußball. „Ich spiele beim SV Grün-Weiß Beckedorf im Mittelfeld“, erzählt der Junge. Zu seinen Lieblingsfächern in der Schule zählt neben Geografie auch Sport. Und wenn kein Schiff in Sicht ist, dann fotografiert er auch schon mal Eisenbahnen. Obgleich die den Pötten, zumal den besonders dicken, nicht den Rang ablaufen werden. „Erst letztens war in Hamburg das größte Containerschiff der Welt – 400 Meter lang“, schwärmt Felix. „Das hätte ich gern fotografiert.“ Hat aber leider nicht geklappt. Wegen der Schule. Ein bisschen wurmt ihn das. Aber jetzt wartet er auf die „Ever Ace“, die etwas länger als 400 Meter ist. Da kann der Schüler geduldig sein. Viel Aufhebens macht er ohnehin nicht um sein Hobby. „Meine Freunde wissen gar nicht, dass ich das mache“, sagt er. Für ihn zählt die bescheidene Freude über den guten Fang, wenn ihm wieder mal ein besonders imposantes Schiff vor die Kamera gekommen ist. „Dass die so groß und schwer sind und doch so leicht durchs Wasser gleiten“, das fasziniert ihn. Er kann sich gut vorstellen, dass ihn das später einmal auch beruflich beschäftigen wird. Ob er Kapitän werden möchte? „Nee, sagt der Schüler. „Ich möchte Lotse werden - viele Schiffe sehen und den Kapitänen Tipps geben.“