In der Reeder-Bischoff-Straße 75 tut sich etwas. Das Fischgeschäft der Familie Six, das sich dort über 100 Jahre befand, fiel Ende der 1990er-Jahre in einen Dornröschenschlaf – aus dem es nun langsam erwacht. Die Jalousien, die 25 Jahre lang die Sicht ins Innere versperrten, sind verschwunden und Renovierungen in Arbeit. Ein Blick durch das Schaufenster zeigt: Die alte Wandmalerei und das große Verkaufsregal sind noch da, genauso wie die ursprünglichen Fliesen am Boden und an den Wänden. Und das soll so bleiben, erklärt Christian Gerken.
Der Vegesacker kaufte das Gebäude, um ihm neues Leben einzuhauchen. Sein Ziel: So viel wie möglich von früher bewahren. „Wir wollen zeigen, dass man Altes nicht immer abreißen muss. Man kann es auch wiederbeleben. Das wertet die Innenstadt auf“, sagt Gerken und gibt zu, dass das nicht so lukrativ ist wie ein Neubau. „Ich mache das aus Überzeugung. “
Seit einem Jahr wird renoviert, saniert und modernisiert. Heizung und Elektrik sind komplett erneuert, neue Fenster eingebaut. Eine Wand musste stabilisiert werden. Zudem fand das Team eine Lösung, Leitungen zu verlegen, ohne die Decke zu entfernen oder die Wandmalerei im Verkaufsraum zu beschädigen. Sie verlaufen nun parallel zum Gebälk in Kabelrinnen und verschwinden über den Flur in die Nebenräume.

Über hundert Jahre ein Fischladen und seit Ende der 1990er Jahre ein Leerstand: Reeder-Bischoff-Straße 75. Doch nun tut sich etwas in den Räumen.
Als Herausforderung beschreibt Christian Gerken den Kühlraum. Dessen Wände waren mit einer dicken, schwarzen, isolierenden Schicht überzogen, die nun bis auf die Backsteinmauer abgetragen ist. Nur im hinteren Bereich erinnert ein Rest an die frühere Optik. Eine Tür ließ Gerken nach vorne setzen, sodass nun zwei baugleiche, schwere Kühlraumtüren den Verkaufsraum schmücken.
Den großen Tresen im Laden gibt es nicht mehr, das Regal dahinter blieb jedoch erhalten und wurde mit handwerklichem Geschick aufgearbeitet. Als Nächstes stehen die Wandfliesen im Fokus. Einige sind mit Reliefs von Fischen und anderen Tieren geschmückt. Um fehlende Stellen und kaputte Fliesen ersetzen zu können, entfernten Gerken und seine Mitstreiter Fliesen von einer anderen Wand. „Alles in Handarbeit, was nicht einfach war. Aber wir haben uns das in den Kopf gesetzt“, erzählt Gerken. Ebenso das Ziel, sämtliche Bodenfliesen zu erhalten. Die Muster sind in jedem Raum anders. Da auch die Bodenhöhen variieren, stockt das Projekt derzeit. „Hier muss eine Schwelle hin, um den Höhenunterschied auszugleichen“, zeigt Gerken auf den Übergang zwischen Flur und Verkaufsraum. „Das Problem gäbe es nicht, wenn wir die Fliesen rausreißen und den Boden anheben würden.“
Gaststätte und Studentenwohnungen
Der Räucherraum am Ende des Flurs ist mit weißen Fliesen bekleidet. Im Ofen briet früher der Fisch. Auch er soll erhalten bleiben, genauso wie das ursprünglichen Flair des Raumes. „Das wird die Raucherlounge“, sagt Gerken. Dort. Im Nebenraum sollen Besucher gemütlich sitzen können. Auch im Kühlraum, der sich in eine Art Clubraum verwandelt, wird es lauschig. Dort können Gäste an langen Tischen sitzen und Kaffee trinken. Oder es finden Weinprobe oder Verkostungen statt, so Gerkens Vorstellung. Er wünscht sich jemanden, der Ähnliches umsetzen möchte. „Regionale Produkte und Spezialitäten in Verbindung mit Kaffee und Co.“
Über dem Fischladen lagen die Wohnräume der Familie Six. Sie wurden entkernt und werden nun zu Studentenwohnungen umgebaut. "Junge Leute beleben die Innenstadt“, erklärt Gerken. Geplant sind unterschiedliche Aufteilungen, eine Gemeinschaftsküche und eine kleine Dachterrasse. Auch dort soll das Ursprüngliche erhalten bleiben, wie das große Buntglasfenster, die alten Schiebetüren und das Gebälk des Dachbodens.

Fliesen sind per Hand von den Wänden entfernt worden, um sie an anderer Stelle wiederverwenden zu können.
„Wir entdecken immer wieder Neues, was uns herausfordert und kreative Ideen entstehen lässt“, erklärt Gerken beim Gang durch das alte Haus. Das umzusetzen, mache Spaß, verwandle das Projekt aber zu einem Liebhaber-Objekt. „Es heißt ja, man muss bei alten Häusern das Doppelte des Kaufpreises für die Renovierung investieren. Hier ist es mehr. Am Ende investieren wir umgerechnet ein Einfamilienhaus“, schätzt Gerken.
Interessenten für den Laden gibt es schon. Sie stammen aus der Region, was eine der Voraussetzungen für einen passenden Mieter war. „Uns war die Verbundenheit mit der Gegend wichtig“, erklärt Christian Gerken. Auch wollte er nicht irgendwen als Mieter. Im Frühjahr sollen sich die Türen des grün geklinkerten Hauses wieder öffnen. Darauf freut sich auch die Nachbarschaft. „Viele Passanten, die vorbeilaufen, freuen sich, dass hier etwas passiert und auch die Geschäftsinhaber in der Gegend äußern sich positiv. Die Nachbarn warten auf ein Café“, so Gerken.