Seit Unbekannte versucht haben, an drei aufeinanderfolgenden Tagen bei ihm einzubrechen, hat Fahrradhändler Jens Reeger viele Gespräche geführt: mit der Versicherung, Sicherheitsfirmen, der Polizei, Kaufleuten. Und jedes Mal ging es um mehr Schutz – nicht nur für sein Geschäft, bei dem Scheiben mit Gullydeckeln eingeworfen wurden, sondern für alle Läden im Zentrum des Stadtteils. Reeger wirbt für einen Wachdienst. Über seine Idee will er mit Vertretern des Vegesack Marketing, der Kripo und des Ortsamtes sprechen. Demnächst soll es ein Treffen geben.
Bei dem soll es nicht bloß um private Securitykräfte gehen, sondern auch um das, wovon Reeger fest überzeugt ist: Vegesack sei längst nicht so sicher, wie die Behörden gerne vermittelten. Der Fahrradhändler sagt, dass er mit dieser Meinung nicht allein dastehe. Er spricht von einem Dutzend Händlern, die sofort zugesagt hätten, Geld für einen Wachdienst auszugeben. Reeger hat inzwischen zwei Angebote eingeholt. Nach seiner Rechnung müssten sich rund 80 Kaufleute beteiligen, damit die Patrouillengänge finanzierbar werden. Das wäre mehr als jeder zweite Ladeninhaber im Geschäftszentrum.
Ob es eine Security braucht oder nicht, lässt Wolfgang Helms vom Vegesack Marketing vorerst unbeantwortet. Der Sprecher des Vereins- und Firmenbündnisses sagt nur, dass er einem Treffen mit Reeger, der Kripo und dem Ortsamt zugesagt hat. Und dass er hofft, mit allen noch in diesem Jahr zusammenzukommen. Helms will nämlich genauso schnell wie der Fahrradhändler von der Polizei wissen, wie sicher beziehungsweise unsicher die Fußgängerzone für Gewerbetreibende ist. Ihm zufolge hätten die Geschäftsleute die Situation in Vegesack bisher als unauffällig bewertet, jedenfalls nicht so problematisch wie Reeger.
Auch wenn vor drei Jahren mehrere Händler in der Reeder-Bischoff-Straße etwas anderes sagten. Zum eigenen Schutz schlossen sie sich zur Initiative „Friedliche Gegenwehr“ zusammen: Kaufleute, die verdächtige Passanten oder Hilfe im Laden brauchten, begannen, andere Kaufleute zu warnen beziehungsweise zu informieren – per Funkgerät. Helms sagt, dass manche Geschäftsinhaber das immer noch machen, jedoch nicht, um gegen Einbrecher vorzugehen, sondern gegen Ladendiebe. Einen Wachdienst, wie ihn nun Reeger fordert, hat es seines Wissens nach noch nicht für die Vegesacker Fußgängerzone gegeben.
Darum findet es auch Heiko Dornstedt wichtig, dass über die Situation der Kaufleute vorher noch mal gesprochen wird. Der Ortsamtsleiter will nach eigenen Worten vermeiden, dass die Vorfälle bei Reeger und zwei weiteren Fahrradhändlern, bei den ebenfalls Gullydeckel gegen die Schaufenster geworfen wurden, bagatellisiert werden. Er will aber auch nicht, dass die Lage dramatisiert wird. Darum soll die Polizei genaue Zahlen zu Einbrüchen und Einbruchsversuchen vorlegen und mit den Beamten darüber gesprochen werden, welche Möglichkeiten der Prävention angebracht sind und welche nicht.
Mehr Beamte als sonst im Streifeneinsatz
Nach Angaben von Polizeisprecherin Franka Haedke werden in Vegesack seit zwei Monaten mehr Einbrüche registriert. Wie viele es sind, wollen die Beamten im Januar sagen, wenn die Kriminalitätsstatistik vorgestellt wird. Haedke zufolge gab es sowohl ein Plus an Wohnungs- als auch an Kellereinbrüchen. Zudem sind der Polizei im November und Dezember mehr als ein Dutzend besonders schwere Diebstähle aus Geschäften gemeldet worden. Laut Haedke sind nach den Einbrüchen und Einbruchsversuchen bei den Fahrradhändlern mittlerweile zwei Tatverdächtige gefasst worden und mehr Beamte als sonst im Streifeneinsatz.
Reeger weiß das. Ein Polizist hat es ihm erzählt. Beruhigt ist der Händler deshalb aber nicht. Er sagt, dass die Beamten die mutmaßlichen Täter wieder laufen lassen mussten, weil sie minderjährig seien. Deshalb kündigt Reeger an, noch mehr Geld für noch mehr Einbruchschutz auszugeben. Nicht weil er will, sondern weil ihm nach eigenem Bekunden keine andere Wahl bleibe. Vor Kurzem hat er die Videoüberwachung seines Geschäfts erweitert. Im nächsten Jahr wird er den Bauzaun, den er vor seinen Schaufenstern aufstellen ließ, durch Stahljalousien ersetzen – und in Securitiykräfte investieren, wenn genügend Händler mitmachen.
Reeger sagt, dass ihm das lieber ist, als das, was er einige Nächte lang gemacht hat: aus Angst vor weiteren Einbrüchen in seinem Laden geschlafen.