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Privater Wachdienst geplant Warum Vegesacker Fahrradhändler in ihren Geschäften schlafen

Drei versuchte Einbrüche an drei aufeinanderfolgenden Tagen: Jens Reeger hat jetzt einen Bauzaun um sein Geschäft aufgestellt – und ist nicht der einzige Fahrradhändler, der seit Tagen in seinem Laden schläft.
04.12.2019, 19:20 Uhr
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Warum Vegesacker Fahrradhändler in ihren Geschäften schlafen
Von Christian Weth

Jens Reeger hat schon viele Einbrüche in seinen Laden erlebt, aber noch nie waren die Täter so hartnäckig wie diesmal. Und so rigoros. Drei versuchte Beutezüge an drei aufeinanderfolgenden Tagen – der Vegesacker Fahrradhändler zeigt auf zerstörte Schaufensterscheiben und auf Gullydeckel im Straßenpflaster, die so sind wie die, die von den Einbrechern geworfen wurden. Aus Sorge, sie könnten es wieder probieren, schläft Reeger inzwischen in seinem Geschäft. Er ist nicht der einzige Radverkäufer, der das macht.

Reeger, 56, seit 30 Jahren Chef des Radstudios, steht vor der Eingangstür und schüttelt den Kopf. Er sagt, dass es so etwas noch nicht in Vegesack gegeben hat. Nicht in dieser Häufigkeit, nicht bei so vielen Händlern. Reeger spricht von zwei weiteren, die es getroffen hat. Bei einem waren die Täter wenige Tage zuvor, bei einem anderen am selben Tag. Und immer sei es den Einbrecher nicht um irgendwelche Räder gegangen, sondern um die teuersten: um E-Bikes. Seine Modelle hat Reeger mittlerweile gesondert gekennzeichnet. Auf Schildern steht, dass die Akkus separat aufbewahrt werden – die Ware für Diebe also wertlos ist.

Der Geschäftsmann hat noch mehr getan, um sich zu schützen. Er hat die Schaufensterscheiben quasi vergittern lassen. Ein Bauzaun verläuft jetzt einmal rund um seine Auslagen. Reeger sagt, dass ihn schon viele Passanten darauf angesprochen hätten – und dass er auf ihre Fragen immer dieselbe Antwort gegeben hat: Dass er sich nicht mehr anders zu helfen weiß, um die Einbrecher abzuschrecken. Reegers hat sein Geschäft mit Spezialglas, Videokameras und einer Alarmanlage gesichert. Demnächst will er eine spezielle Jalousie für die Auslagen kaufen und vielleicht auch einen privaten Wachdienst engagieren.

Mehr Geld für mehr Schutz

Das, sagt er, hätten ihm Polizisten empfohlen, die Spuren am Tatort sicherten. Sie sollen außerdem erklärt haben, jetzt öfter bei seinem Laden vorzufahren. Aber auch, dass sie das nicht ständig können. Daher, meint Reeger, wäre nach ihren Worten eine Security sinnvoll. Der Fahrradverkäufer will eigentlich nicht mehr Geld für mehr Schutz ausgeben. Er will, dass die Täter überführt werden. Reeger geht davon aus, dass es immer dieselben waren, die es bei ihm und den anderen Händlern versuchten und in einem Fall auch schafften, Beute zu machen. Ihm zufolge sollen die Einbrecher der Polizei bekannt sein.

Reeger zeigt Fotos von einem Überwachungsvideo, auf denen die Täter zu sehen sein sollen. Er sagt, dass auch die Beamten die Aufnahmen haben. Nach seinen Worten sind es drei Jugendliche im Alter von 15 bis 17 Jahren, die die Schaufensterscheiben einwerfen. Reeger hat sie gesehen, als sie das dritte Mal bei ihm einsteigen wollten. Er war im Geschäft, weil er sich entschieden hatte, dort vorsorglich zu schlafen. Reeger verständigte Nachbarn und die Polizei. Vor dem Laden, sagt er, fanden die Beamten mehrere Gullydeckel unter einem Laubhaufen. Von den mutmaßlichen Tätern fehlte jede Spur.

Auch bei Christian Kehl waren sie längst weg – und mit ihnen erst vier, dann zwei E-Bikes. Wie bei Reeger kamen die Täter an aufeinanderfolgenden Tagen. Und wie bei ihm flogen Gullydeckel. Kehl sagt, dass sich die Täter beim zweiten Mal nicht so anstrengen brauchen wie beim ersten Mal. Statt mit Sicherheitsglas hatten sie es mit Notglas zu tun, das eilig vor die gesprungene Scheibe montiert worden war. Kehl, 40, Inhaber eines Geschäfts, das sich auf Elektroräder spezialisiert hat, schätzt den Schaden auf mehr als 12.000 Euro ein. So viel haben nach seiner Rechnung allein die gestohlenen E-Bikes gekostet.

Ist es tatsächlich eine Bande?

Kehl sagt, was auch Reeger angekündigt hat: dass ihm nichts übrig bleiben werde, als noch mehr Geld für Sicherheitstechnik auszugeben. Der E-Bike-Händler will weitere Kameras anschaffen, mehr Strahler und zusätzliche Schlösser, mit denen die Räder über Nacht angekettet werden. Dabei, erklärt er, seien die bereits dreifach gesichert gewesen. Und solange die neue Technik noch nicht da ist, will Kehl seinen Schauraum in seinem Geschäft in der Fußgängerzone leer lassen. Ob es dieselben Täter waren wie bei Reeger, kann er nur vermuten. Kehl findet, dass einiges dafür spreche, vor allem die Gullydeckel.

Bei Jarl Bindernagel sind es nicht nur die Kanalgitter, die den Grohner Radhändler glauben lassen, dass es sich bei seinen Tätern um dieselben wie bei Reeger und Kehl handelt. Bei ihm krachten die Gullydeckel kurz nach dem ersten Vorfall beim Radstudio gegen die Scheibe. Bindernagel, 27, Chef der Firma Teichreber, nimmt an, dass die Jugendlichen, die bei Reeger erfolglos blieben, es bei ihm gleich noch mal probierten. Und dass sie nur die Vorhut sind: Ist der Weg frei, meint er, kämen die Männer mit dem Lieferwagen. Auch Bindernagel schläft seit Tagen im Geschäft.

Ob es tatsächlich eine Bande ist, die es in Vegesack auf E-Bikes abgesehen hat, lässt die Polizei offen. Fragen zu den Fällen kann Jana Schmidt momentan nicht beantworten. Die Polizeisprecherin verweist darauf, dass die Ermittlungen noch andauern – und auf einen Bericht ihrer Kollegen, die zwei Jugendliche stellten, nachdem in der Gerhard-Rohlfs-Passage eine Schaufensterscheibe zertrümmert wurde. Händler Reeger glaubt, dass die beiden Jugendlichen zu dem Trio gehören, die es einen Tag später wieder bei ihm versuchen wollten. Und dass die Polizei machtlos ist, weil die mutmaßlichen Täter minderjährig sind.

Deshalb telefoniert Reeger jetzt mehr als sonst. Er will wissen, welche Händler bereit sind, Geld für einen privaten Wachdienst auszugeben. Und welche es genauso sehen wie er: dass in Vegesack mehr los ist, als die Behörden sagen.

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