Die Rossfleischerei Carsten Dohrmann hat Tradition in Bremen-Nord. Doch auch überregional hat das Geschäft sich mittlerweile einen Namen gemacht. Dieses Jahr feiern Frank und Birgit Dohrmann das 100-jährige Bestehen ihrer Metzgerei.
Firmengründung in schwierigen Zeiten
Frank Dohrmann stammt aus einer Pferdehändlerfamilie. Sein Ururgroßvater Carsten wurde durch seinen Bruder an den Handel mit Pferden herangeführt, als er nach Ende des Ersten Weltkrieges nach Bremen kam. Doch ein starker Preisverfall und das Wegbrechen von Absatzmärkten in den frühen 1920er-Jahren erschwerte diesen Handel zunehmend. Da Carsten Dohrmann bereits in seiner Jugend das Fleischerhandwerk erlernt hatte, ermöglichte ihm dies, die Tiere von nun an selbst zu verwerten. In einer Zeit, in der viele andere Pferdeschlachter ihr Geschäft aufgaben, gründete Carsten Dohrmann 1925 seine Firma. Noch im gleichen Jahr heiratete er und sein erster Sohn Carsten wurde geboren.
1927 kaufte der Firmengründer das Haus Nummer sechs an der Schillerstraße, der heutigen Fährer Flur. Noch im gleichen Jahr wurde die Wurstküche angebaut. Bis zu zwei Pferden die Woche wurden zu dieser Zeit geschlachtet und zu Rouladen, Gulasch und ähnlichem verarbeitet. Pferdefleisch zu essen war noch weit verbreitet. Neben der Familie arbeiteten ein bis zwei Gesellen sowie ein Hausmädchen im Geschäft. Dieses wuchs, als 1928 das Schlachthaus und 1933 das erste Kühlhaus folgten. Von nun an musste die Ware nicht mehr in angemieteten Kühlräumen gelagert werden. Trotz der Vergrößerungen und der Verarbeitung von mittlerweile drei Pferden die Woche, stieg die Mitarbeiterzahl kaum.
Veränderungen in der nächsten Generation
Sohn Carsten Dohrmann stieg nach dem Zweiten Weltkrieg in den Betrieb ein. Pferdefleisch wurde immer günstiger und galt bis zur Währungsreform als "Arme-Leute-Essen". Als die Tiere mit der zunehmenden Mechanisierung der Landwirtschaft immer knapper und dafür umso teurer wurden, gaben viele Pferdefleischereien ihr Geschäft auf. Waren es in Bremen nach Kriegsende noch 50 Betriebe, so blieben 1955 nur noch fünf davon übrig.
1963 übernahm Carsten Dohrmann den Betrieb seines Vaters, der zwei Jahre später starb. In den folgenden zwei Jahrzehnten führte der Nachfolger die Firma durch nicht immer einfache Zeiten. Sie wurde in diesen Jahren trotzdem erweitert, umgebaut und modernisiert. Der Enkelsohn des Firmengründers, Carsten Dohrmann Junior, stieg 1971 in den Betrieb ein und übernahm diesen 15 Jahre später. Neben einigen neuen Produkten, darunter die mittlerweile sehr beliebten "Kleinen Pferdewürstchen", kam 1987 der Verkaufsstand auf dem Vegesacker Wochenmarkt hinzu.
Ein neuer Wurst-Snack zum Jubiläum
Frank Dohrmann stieg 1992 in das Geschäft ein, seine Ehefrau Birgit Dohrmann zehn Jahre später. 2010 löste Frank Dohrmann seinen Vater ab. Die Fleischerei in Fähr-Lobbendorf hat mittlerweile Tradition. Viele der Stammkundinnen und Stammkunden waren bereits als Kind mit ihren Eltern dort einkaufen. Nun kommen sie teilweise mit ihren eigenen Kindern wieder. Für den Nachwuchs gibt es dann ein kleines Pferdewürstchen auf die Hand. "Das war schon für uns als Kinder immer toll", erinnert sich Birgit Dohrmann.
Die kleinen Pferdewürstchen sind bis heute das meistverkaufte Produkt. Neben anderen Traditions-Produkten wie den Rouladen haben die Dohrmanns immer auch neue Kreationen im Angebot. Auch Fertiggerichte in Gläsern stehen in den Regalen, darunter Currywurst, Bolognese und Schaschlik. Natürlich stehen auch die Bremer Klassiker in Dosen im rot-weißen Speckflaggen-Design im Regal: Knipp und Labskaus. Alles aus Pferdefleisch, versteht sich. Zum 100-Jährigen haben die Dohrmanns den "Vegelümmel" erfunden, ein Wurst-Snack für den kleinen Hunger zwischendurch.
Seit 2008 kann man das Fleisch nicht mehr nur im Laden, sondern auch im Internet kaufen. Rund die Hälfte der Produkte werden mittlerweile über www.rossfleischversand.de inganz Deutschland verkauft. Die kleinen Pferdewürstchen sind online allerdings weniger beliebt. "Das ist einfach ein Traditionsprodukt der Bremer", erklärt Frank Dohrmann.
Geschlachtet wird auch heute noch im Betrieb in Vegesack. "Das Schlachten ist mittlerweile der geringste Anteil unserer Arbeit.", so Frank Dohrmann. Die verarbeiteten Pferde sind oft nicht von vornherein für eine Schlachtung zur menschlichen Ernährung bestimmt. Sie kommen meist aus der Zucht. So werden beispielsweise Stuten an das Geschäft verkauft, die keine Fohlen mehr zur Welt bringen können. Auch Privatpersonen können ihre Pferde, die nicht mehr geritten werden können, an die Dohrmanns verkaufen.
Unternehmensnachfolge unsicher
In Bremen ist das Geschäft der Dohrmanns heute die einzige Pferdefleischerei. Dass viele Menschen zu Pferde einen ähnlichen Bezug haben wie zu Haustieren, sei der Grund dafür, dass das Fleisch ein solches Nischenprodukt ist, meint Frank Dohrmann. Dabei ist das Fleisch proteinreicher als Geflügel und enthält verhältnismäßig weniger Fett.
Wie es in Zukunft um das Geschäft steht, ist ungewiss. In Familienhand wird es wohl nicht bleiben: "Dass meine Kinder beruflich in eine andere Richtung gehen wollten, war für mich nie ein Problem", sagt Frank Dohrmann. Einen anderen Nachfolger gibt es bisher nicht. Doch der Inhaber bleibt gelassen: "Wie es mit dem Geschäft weitergeht, lassen wir ganz entspannt auf uns zukommen."