Bremen Stadtteile Osterholz Verden Diepholz Delmenhorst Wesermarsch Oldenburg Rotenburg Cuxhaven Bremerhaven Niedersachsen

Die Norddeutsche vor 25 jahren Vulkanesen gehen auf die Straße

„Banken bringen den Konzern ins Wanken“, hieß es am 10. Februar 1996. Trotz eisiger Kälte waren 3000 Menschen vom Bremer Vulkan zum Sedanplatz marschiert, um für den Erhalt der Arbeitsplätze zu demonstrieren.
07.02.2021, 10:00 Uhr
Jetzt kommentieren!
Zur Merkliste
Von Marina Köglin

Der Bremer Norden erwies sich in der ersten Februarwoche des Jahres 1996 als schwieriges Pflaster für Nachwuchs-Kriminelle. „Eine Nacht vergeblicher Diebesmüh“ erlebten zwei 17 und 19 Jahre alte Männer, wie DIE NORDDEUTSCHE am 6. Februar 1996 berichtete. Die beiden waren einer Zivilstreife aufgefallen, weil sie sich in verdächtiger Weise an einer Ladenzeile im Bereich der Landrat-Christians-Straße/Ecke Lüssumer Straße zu schaffen machten. Bei einer Überprüfung der beiden jungen Männer konnten die Polizeibeamten diverse Einbruchwerkzeuge sicherstellen. Am Rollladen eines Kiosks, an einer Telefonzelle und an einigen benachbarten Geschäften stellten sie zudem Beschädigungen fest. „Doch alle Versuche, an diesen Orten zu Diebesgut zu gelangen, waren fehlgeschlagen.“ Und damit nicht genug: Das Duo gestand, zuvor schon an einigen anderen Plätzen Blumenthals aktiv gewesen zu sein: Nahe der Kreinsloger hatten sie zwei Fahrräder gestohlen und waren mit ihnen davongeradelt. Unterwegs waren sie noch mit einem Autofahrer aneinandergeraten. „Bilanz dieses Streits: eine eingetretene Scheibe am Fahrzeug.“ Danach brachen sie in eine Vereinsgaststätte an der Ermlandstraße ein und versuchten dort einen Zigarettenautomaten auszuräumen – wieder vergeblich. Sie fuhren weiter zur Landrat-Christians-Straße, wo sie schließlich von den Zivilbeamten verhaftet wurden. Zuvor scheiterten sie jedoch noch bei dem Versuch, in einen Baumarkt einzudringen. „Überall zeugten noch Spuren im Schnee von ihrem Tun. An allen Tatorten wurden die Abdrücke gesichert, die mit den markanten Sohlenprofilen der beiden Männer identisch waren.“

Ein weiterer jugendlicher Räuber scheiterte zwei Tage später in Vegesack. „Mit der Schöpfkelle Räuber vertrieben – Angestellte drohte mit heißem Fett“ war am Donnerstag, 8. Februar 1996, auf Seite eins der NORDDEUTSCHEN zu lesen. Der Jugendliche hatte gegen 18.30 Uhr die Imbissstube am Aumunder Markt betreten. Als die Angestellte ihn nach seiner Bestellung fragte, „zog er eine Pistole und forderte Bargeld“. Die Frau griff daraufhin zur Schöpfkelle, „und drohte dem jugendlichen Räuber, ihm heißes Friteusenfett ins Gesicht zu schütten. Der Junge war so überrascht, daß er aus der Imbißstube lief und in der Zollstraße verschwand.“ Eine Fahndung nach dem etwa 13 bis 15 Jahre alten Jungen, an der sich mehrere Streifenwagen beteiligten, verlief allerdings ergebnislos.

„Banken bringen den Konzern ins Wanken“, titelte DIE NORDDEUTSCHE am 10. Februar 1996 auf der ersten Seite. Trotz eisiger Kälte waren tags zuvor rund 3000 Menschen vom Lobbendorfer Tor des Bremer Vulkan zum Sedanplatz marschiert, um für den Erhalt der Arbeitsplätze und für ein tragfähiges Zukunftskonzept zu demonstrieren. „Ihre Kritik galt vor allem den Banken, die die Auszahlung der von der Bremer Landesregierung gewährten Bürgschaft hinauszögern.“ Vertreter des Betriebsrates befürchteten, dass „es zu einem Konkursverfahren kommen könnte, falls bis zur kommenden Woche keine Entscheidung über die Kredite in dreistelliger Millionenhöhe gefallen sei“. Ein Vulkanese, der seit Jahrzehnten für die Werft tätig war, „äußerte den Verdacht, daß auch seitens des Vorstands nicht immer die Wahrheit gesagt werde. Anders könne er sich die Diskussion um ein gewöhnliches Kreditverfahren nicht erklären. Die Stimmung bei den Mitarbeitern sei so schlecht wie nie zuvor“. Neben Beschäftigten des Vulkans beteiligten sich auch zahlreiche Mitarbeiter anderer Firmen und ehemalige Vulkanesen an der Demonstration. Zu denen, die erschienen waren, um den Werftarbeitern ihre Solidarität zu zeigen, gehörte auch der damalige Bürgermeister Henning Scherf (SPD). Er betonte, dass „Senat und Bürgerschaft in dem Willen einig seien, alles zu tun, um den Vulkan-Konzern zu retten. Das Land Bremen stehe für Werftarbeitsplätze“.

Doch nur einige Tage später – noch im Februar 1996 – stellte der kurzzeitige neue Vorstandsvorsitzende Udo Wagner, der Nachfolger von Friedrich Hennemann, beim Amtsgericht Bremen einen Vergleichsantrag, um einer möglichen Konkursverschleppung zu begegnen. Am 1. Mai 1996 beantragte der Bremer Vulkan Konkurs.

In einem anderen Teil Vegesacks herrschte hingegen Aufbruchsstimmung: Die Werftbrache auf dem Lürssen-Gelände sollte bebaut werden und: „Investoren stehen schon bereit“, so war es am 10. Februar in der NORDDEUTSCHEN zu lesen. Namen hatte Wendelin Seebacher von der Stadtentwicklung Vegesack (Stave) zwar noch nicht nennen wollen, „so viel steht aber schon heute fest: Die Nutzung des Lürssen-Areals wird sich in den Bereichen Handel, Gastronomie, Tourismus und ,nicht-geförderte Kultur‘ bewegen“. Für die Umgestaltung des Bahngeländes, die auch die Option auf eine Weiterführung der Stadtexpreß-Verbindung nach Blumenthal offenhält, liege bereits ein Gutachten vor, hieß es. Außerdem sei geplant, eine (Klapp-)Brücke über die Hafeneinfahrt zu errichten. Zunächst – so der Stand in der ersten Februar-Hälfte 1996 – solle nun der erste Bauabschnitt der Erschließungsstraße auf dem Lürssen-Gelände fertiggestellt werden. „Der Frost hat den Zeitplan über den Haufen geworfen.“ Mittlerweile ist sie bereits seit vielen Jahren im Einsatz: die Klappbrücke über der Hafeneinfahrt. Zwischen Vegesack und Farge fährt seit einigen Jahren die Nordwestbahn – und auf dem Lürssen-Gelände wurde das Haven Höövt gebaut. Seit November 2020 sind Arbeiter nun jedoch dabei, es abzureißen. Voraussichtlich Ende März sollen die Arbeiten abgeschlossen sein. Auf dem Gelände soll dann ein neues Stadtquartier entstehen mit Kommissariat, einem Hotel, einer Senioreneinrichtung, Gastronomie, einem Kindergarten und Wohnungen mit Blick aufs Wasser.

Zur Startseite
Mehr zum Thema

Das könnte Sie auch interessieren

Rätsel

Jetzt kostenlos spielen!
Lesermeinungen (bitte beachten Sie unsere Community-Regeln)