Die Kluft zwischen den Kassenärzten in Bremen-Nord und der Kassenärztlichen Vereinigung auf Landesebene wird größer. Hintergrund ist die Abwanderung von immer mehr Ärzten aus dem Bremer Norden. Seit einem Ortstermin am Mittwochabend im Zentrum des Ärztenetzes an der Weserstraße ist der neue Gesundheitssenator Hermann Schulte-Sasse als eine Art Vermittler eingeschaltet.
Vegesack. Immer wieder verlassen Ärzte den Bremer-Norden. Bisher gibt es für die Entwicklung keine Lösung. Christa Goecke will mit ihren Kollegen durchsetzen, dass Bremen-Nord von den Funktionären als eigener Planbezirk wie Bremerhaven behandelt wird. Das hätte nach den Worten der Vorsitzenden des Ärztenetzes Bremen-Nord die Folge, dass nicht – wie geschehen – Kinderarztpraxen aus Blumenthal nach Borgfeld umgesetzt werden könnten und in Bremen-Nord Versorgungslücken entstünden. Konkret geht es demnach auch noch um den Fall einer Augenarztpraxis, die Richtung Gröpelinger Diako abgezogen worden ist. Sowie dem grundsätzlichen Fehlen von Kinder- und Jugendpsychologen im Norden.
Jörg Hermann stellte beim jetzigen Treffen gleich zu Anfang klar, dass er als Vertreter der Kassenärztlichen Vereinigung (KV) in Berlin mitgewirkt habe an der Aufteilung der Republik in insgesamt größere Planbezirke, was der Niederlassungsfreiheit der Ärzte entgegen kommt. "Auch ein noch so smarter Senator kann keine Ärzte erschaffen. Und wir erleben überall das Phänomen des Ärztemangels, gegen das jetzt erst einmal neue Ärzte ausgebildet werden müssen. Zudem ist hier nicht der Senator, sondern ein Gremium der Selbstorganisation der Ärzteschaft zuständig." Auch Ärzten müsse man zugestehen, Wohn- und Arbeitsort zu wählen, wie es jedem Menschen laut Grundgesetz zustehe.
Hermann wandte sich direkt an den Senator neben sich: "Herr Schulte-Sasse kann sich zurücklehnen. Er ist hier nur zuständig, wenn in den Selbstorganisationen etwas gegen ausdrückliches Recht entschieden werden sollte."
Vegesacks Ortsamtsleiter Heiko Dornstedt schaute angesichts derart deutlicher Worte perplex zu seinen Kollegen Florian Boehlke aus Burglesum und Peter Nowack aus Blumenthal. Neben den Ortsamtsleitern und vielen Beiratsmitgliedern saßen eine ganze Reihe von Medizinern im Saal und zeigten sich überrascht vom Ton des KV-Chefs. Heiko Dornstedt verwies auf einen Brief mit Fragen zur Ärzteversorgung, die er Hermann Ende November auf Beiratsbeschluss übermittelt hat: "Sie haben nie darauf geantwortet. Wir erfahren erst hier, wie die KV zu den Dingen steht." Burglesums Ortsamtsleiter Boehlke mahnte die KV an, gefälligst andere Instrumente anzuwenden, wenn die Bundesverordnungen in Bremen-Nord Probleme machten.
Günter Scherer als zweiter Mann in der Landes-KV verwies dann auf den sogenannten Zulassungsausschuss, über den man im Einzelfall Abwanderungen eventuell aufhalten könne. Auch er war aber gegen einen eigenen Planbezirk für Bremen-Nord, der die Zahl der Praxen hier nach dem Bedarf festschreiben würde.
Senator Hermann Schulte-Sasse sprach leise und freundlich, nur wenige Male an diesem Abend. Diplomatisch lobte er zunächst einmal die Sinnhaftigkeit einer Selbstorganisation der Ärzteschaft insgesamt, die staatlich-hoheitliche Aufgaben für die Allgemeinheit erfülle. Der Staat und damit er als Senator habe die Rechtsaufsicht über die Beschlüsse der KV und ihrer Gremien. Sanft mahnte er in Richtung Jörg Hermanns, dass es diesem doch wohl auch neben seinen Plädoyers für die Selbstbestimmung der Mediziner auch um das Gemeinwohl aller gehe: "In diesem Zusammenhang erwarten wir als Aufsichtsbehörde detaillierte Erklärungen, wenn hier bei einer Gefährdung des Allgemeinwohls keine erlaubten Ausnahmen gemacht worden sind."
Günter Scherer, zu Zeiten eines CSU-Gesundheitsministers Seehofer dessen Büroleiter, meinte hingegen, dass die KV ihren Job in den Grenzen mache, die der Staat vorgebe: "Es gibt die gewollte Ökonomisierung des Gesundheitswesens. Immer mehr Ärzte gehen aus betriebswirtschaftlichen Gründen in große Zentren oder tun sich zusammen. Wir haben einen signifikanten Rückgang der Praxen und die bestehenden werden größer. Wir sind als Ärzte im Wettbewerb."
Peter Rudolph vom Ärztenetz übersetzte das noch einmal auf das Problem in Bremen-Nord: "Uns sind hier in Nord Hausarztpraxen abhanden gekommen, weil es in Schwachhausen für die Kollegen mehr zu verdienen gab." Der Regionalausschuss der drei Bremen-Norder Beiräte nimmt das Thema auf die Tagesordnung seiner nächsten Sitzung.
Wenn die Ärzte abwandern
Mediziner und Senator auf Lösungssuche
Zitat:
"Uns sind hier in Nord
Hausarztpraxen abhanden gekommen."
Peter Rudolph, Ärztenetz