Das Leben am Fluss hat Menschen immer gereizt. Flüsse fungieren als Landesgrenzen, Wasserwege, Nahrungsquelle, liefern Kühlwasser für Fabriken, locken Wassersportler und Erholungssuchende. Auf 42 Kilometern fließt die Weser von Hemelingen bis Rekum durch das Stadtgebiet Bremens. Vor allem der Charakter von Bremen-Nord ist geprägt durch Schiffbau, Walfang, Fischerei, Kahnschifffahrt und Lotswesen. DIE NORDDEUTSCHE stellt Menschen vor, deren Arbeitsplatz die Weser ist.
Sein Arbeitsplatz ist das Ruderhaus, hoch oben auf der "Lemwerder II". Von dort aus hat Schiffsführer Jens Fastenau nicht nur den Verkehr auf der Weser, sondern auch seine Passagiere im Blick.
Auch wenn die Fähre an der Anlegestelle liegt, hat Jens Fastenau alle Hände voll zu tun. "Ich muss den Verkehr auf die Fähre beobachten und die Ampel am Anleger rechtzeitig auf Rot umstellen, damit keine weiteren Fahrzeuge auf die Fähre fahren", erzählt er. Anschließend zählt er vor jeder Überfahrt die Autos, Lkw und Anhänger, die sich auf der Fähre befinden. "Das ist für unsere Statistik", erläutert er.

Das Ruderhaus verfügt über etliche Knöpfe, die der Schiffsführer zum Steuern der Fähre benötigt.
Im Schnitt passen 27 Autos auf die Fähre. "Wobei ein Lkw den Platz von vier Pkw einnimmt", erklärt der Schiffsführer. Doch nicht nur deshalb muss er besonders aufpassen, wenn ein Laster übersetzen will. "Wenn ich sehe, dass ein Lkw am Anleger steht, muss ich mit der Fähre ein bisschen näher heranfahren, damit der Lastwagen nicht hinten aufsetzt", erklärt Fastenau.
Neben Lastwagen wollen an diesem Nachmittag auch etliche Autos von Lemwerder nach Vegesack. Entsprechend gibt es einen Rückstau am Anleger. Damit die Schlange nicht noch länger wird, legt Jens Fastenau eine Sonderfahrt ein. "Ich fahre jetzt in Lemwerder fünf Minuten eher ab und in Vegesack zwei Minuten später. Dann bin ich wieder im Fahrplan", erklärt er. "Wenn wir mit zwei Fähren unterwegs sind, können wir so zusätzlich bis zu 50 Autos befördern."
Den Job bei den Weserfähren macht Jens Fastenau inzwischen seit fast 30 Jahren. "Im Oktober 1993 habe ich hier angefangen", erzählt der 51-Jährige. Dabei hatte er eigentlich andere Pläne. "Ich wollte Feuerwehrmann werden und hier nur für den Übergang arbeiten", erinnert er sich. Doch weil die Feuerwehr damals keine Mitarbeiter suchte, ist er geblieben.
Gut zwei Jahre arbeitete er als Kassierer, ehe er zum Maschinisten berufen wurde. "Dann habe ich die Möglichkeit gehabt, mein Patent als Schiffsführer zu machen", erzählt er. Damit verbunden war eine mehrjährige praktische und theoretische Ausbildung, die ihn dazu befähigt, die 200 Tonnen schwere Fähre über die Weser zu manövrieren.
Mit seiner 14-jährigen Erfahrung ist der Job mittlerweile zur Routine geworden. "Das ist wie Autofahren. Irgendwann hat man ein Gefühl dafür, wie man zum Beispiel bremsen muss, obwohl man hier gar nicht richtig bremsen kann. Man muss die Maschinen in den Rückwärtsgang stellen, um die Geschwindigkeit zu drosseln", erklärt er.
Sich ein Bild von der Lage verschaffen
Legt er an einer der beiden Fährstellen ab, muss er die anderen Schiffe auf der Weser im Auge behalten. "Wir queren die Weser und alles, was längs fährt, hat Vorfahrt", sagt er. Um sich ein Bild von der Lage zu verschaffen, schaut er nicht nur auf den Fluss, sondern auch auf sein Radar. "Davon haben wir zwei Stück. Wir liegen hier in einer Kurve, und auch ein Radar kann nicht um Kurven schauen", so Fastenau. Deshalb verfügt die Fähre über ein zweites Radar, das im vorderen Bereich angebracht ist. "Dadurch kann ich ein anderes Schiff vielleicht 200 Meter eher sehen", sagt er. Zusätzlich bekommt er Informationen über Funk und von seinem Kollegen auf der anderen Fähre.
Während der Fahrt muss er zum Beispiel die Strömung beachten. "Die Strömung treibt die Fähre woanders hin. Da muss ich gegensteuern, um auf Kurs zu bleiben", erzählt Fastenau. Eine noch größere Herausforderung ist allerdings der Wind, insbesondere beim Anlegen. "Durch den Aufbau bietet das Schiff eine große Angriffsfläche", erläutert er.
In der Regel ist Jens Fastenau zwischen Vegesack und Lemwerder unterwegs. Die Fähren von Blumenthal nach Motzen und von Farge nach Berne fährt er eher selten. Wenn er dann doch einmal an einer anderen Fährstelle zum Einsatz kommt, empfindet er das als gelungene Abwechslung.
Doch auch auf seiner Stammstrecke ergeben sich immer wieder Situationen, die seinen Job nicht langweilig werden lassen. "Spannend wird es zum Beispiel, wenn wir Schwangere rüberfahren. Ich hatte mal einen Fall, da hat eine Frau ihr Kind zehn Minuten nach der Überfahrt entbunden", erinnert er sich. "Da war es also höchste Zeit, dass wir sie nach Bremen-Nord gebracht haben." Nachts, wenn die Fähre nur im Stundentakt verkehrt, sind die Schiffsführer in Bereitschaft, sollte ein Krankenwagen schnell übersetzten müssen. "Die Großleitstelle Oldenburg hat unsere Telefonnummer und kündigt uns entsprechende Fahrten an. Dann bringen wir den Rettungswagen oder auch Notärzte schnell außerhalb des Fahrplans von einer auf die andere Weserseite", berichtet Fastenau.

Mehr als 27 Autos passen nicht auf die Fähre. Ist sie voll, muss der Schiffsführer die Ampel am Anleger von seinem Ruderhaus aus auf Rot stellen.
Doch es sind nicht immer nur dramatische Ereignisse, die für Abwechslung im Fähralltag sorgen. "Im vergangenen Jahr stand eine Braut im weißen Kleid gemeinsam mit ihrer Trauzeugin an Deck und wollte zu ihrem Mann fahren", erzählt Fastenau. "Ich habe die Fähre dann auf der Weser gedreht und gehupt und alle Autos haben mitgehupt. Das war richtig schön."