Es gibt Leute, die schon "Puh!" stöhnen, wenn sie für nur einen selbst gebastelten Adventskalender 24 kleine Geschenke finden sollen. Was würden die erst sagen, wenn sie bis spätestens 30. November 144 Teile beisammen und auch noch rechtzeitig hinter Türchen oder in Säckchen und Kästchen versteckt haben müssen? Für Yvonne Riegel ist das seit Jahren die vorweihnachtliche Regel. Schließlich sollen sich ihre Kinder Tag für Tag in spannender Vorfreude dem Weihnachtsfest nähern. Und wenn Yvonne Riegel nicht nur den Töchtern und dem Sohn diese Freude machen will, sondern auch ihrem Mann, dann sind es sogar 168 kleine Präsente, die gefunden und verpackt werden wollen. Unwahrscheinlich ist das nicht. Thomas Riegel ist ein Weihnachtsmensch. So klingt es zumindest, wenn der 47-Jährige von der vorweihnachtlichen Stimmung in der Familie schwärmt.
Yvonne Riegel stöhnt nicht, sie strahlt. Obgleich sie auch sagt: "Es ist nicht einfach, alles zu besorgen." Und zu überlegen: Wer bekommt was. Und zu rechnen. "Es soll ja auch gerecht verteilt werden." Manchmal, erzählt die 45-Jährige, hängen die Adventskalender am ersten Dezembertag erst morgens um drei. Und damit ist der Einsatz für die vorweihnachtliche Freude noch nicht erledigt. Das Wichtelhäuschen für "Smilla", den Hauself, will auch seinen Platz haben. Schließlich schreibt "Smilla" in ihrem Häuschen bis zum Weihnachtsfest jeden Tag einen Brief an die jüngeren Kinder.
Trubel im Haus
Familie Riegel ist achtköpfig. Sechs Kinder – fünf Töchter und ein Sohn – zwischen 24 und acht Jahren bringen ordentlich Leben ins Vegesacker Haus. "Dafür, dass ihr sechs Kinder habt, seht ihr noch gut aus", bekommen die Riegels gelegentlich zu hören. Das Paar kann darüber schmunzeln. Yvonne und Thomas Riegel empfinden es als großes Glück, dass ihre Familie mir Ronja (24), Levin (20), Amalia (16), Isalie (14), Johanna (9) und Friederike (8) mehr und mehr wuchs. "Ich habe schon immer gesagt, dass ich mindestens fünf Kinder haben will", blickt Yvonne Riegel zurück. Und ihr Mann, der als Einzelkind aufwuchs, kann sich noch gut an damalige trubellose Weihnachtsfeste mit seinen Eltern erinnern. "Die Stille hat mich erschlagen." Das müssen die Riegels nicht befürchten. Mit sechs Kindern ist immer was los.
Mit sechs Kindern ist es aber auch "schwierig, Wohnraum zu finden", gibt Thomas Riegel zu bedenken. Jedes Kind brauche sein eigenes Zimmer. Da kommt einiges an notwendigen Räumen zusammen. Und die Küche muss auch üppiger ausgestattet sein. Ein einziger Kühlschrank würde gar nicht ausreichen für all die Lebensmittel der großen Familie. "Wir haben zwei Kühlschränke, aber noch fehlt uns der zweite Backofen", erzählt Yvonne Riegel. Die Familie ist kürzlich erst umgezogen. Aber das traditionelle gemeinsame Plätzchenbacken – inklusive Teignaschen – klappte auch mit nur einem Backofen. Thomas Riegel könnte wieder schwärmen, wenn er an den Duft denkt, der durchs Haus gezogen ist, nachdem sich die drei bis vier Kilo Mehl zusammen mit den anderen Zutaten in Vanillekipferl, Zimtsterne und Schwarz-Weiß-Gebäck verwandelt haben.
"Weihnachten ist für unsere Familie wichtig", sagt Yvonne Riegel. "Wir genießen die gemütliche Zeit und die besondere Stimmung." Ihr Alltag sei sehr bewegt, berichten die Eltern. "Deshalb ist es uns wichtig, Familytime zu haben. Wir schaffen uns diese Zeit, diese kleinen Inseln." Dann schaut die Familie gemeinsam Weihnachtsfilme, puzzelt oder macht zusammen Musik. Die Kinder spielen Geige, Klavier und Flöte. "Das ist immer wieder schön", sagt Thomas Riegel, "und trägt zur vorweihnachtlichen Stimmung bei."
Gelassenheit statt Stress
Es gibt eine Frage, die die Eltern spätestens dann hören, wenn alles aufs Weihnachtsfest zusteuert: "Wie macht ihr das eigentlich?" Mit der nötigen Gelassenheit, könnte eine Antwort lauten. "Man sollte sich nicht mit bestimmten Vorstellungen und Ansprüchen stressen", weiß Yvonne Riegel. "Und es bringt nichts, sich über Dinge aufzuregen, die nicht funktionieren." Die Welt und die Zeit drehen sich so schnell, sagt sie, "da ist es wichtig, auch Entschleunigung einzubauen". Hauptsache sei, dass die Famile zusammen ist. Es liege in der Vorweihnachtszeit zwar "irre viel" an, "aber es macht auch super viel Spaß". Und alle helfen mit.
Trotzdem ist Weihnachten mit sechs Kindern herausfordernder als mit einem Kind oder zweien. Es beginnt mit der Frage, wie viele Geschenke jedes Kind erhalten soll und endet mit dem Kopfzerbrechen, für den Berg an Präsenten bis zum Fest ein gutes Versteck zu finden. Bei zwölf wachsamen Augen im Haus, will das gründlich überlegt sein. "Wir haben die Geschenke auch schon mal in unserem Auto versteckt", berichten die Eltern. "Oder in unserer Firma." Beide leiten die gemeinnützige Hansea Sana Gesellschaft.
Im Übrigen bekommen ihre Kinder keine festgelegte Zahl an Geschenken. Aber es gebe ein Budget für jeden. Rund 60 Geschenke werden an Heiligabend wohl unterm Baum liegen, schätzen die Eltern und sehen schon das Weihnachtspapier, das sich nach dem Auspacken auftürmt. An das Thema Geschenke können die Eltern dann trotzdem keinen Haken setzen. "Wir haben ja auch noch sechs Geburtstage", beschreibt die Mutter ihr Gefühl von "Nachher ist auch gleich wieder vorher". Ist an Heiligabend alles ausgepackt, steht im Grunde schon die nächste Geschenkefrage im Raum.