Dunkelrote Farbtupfen in unförmigen Konturen prangen auf schwarz lackierter Außenhaut und über 100 Jahre alter Tradition. An Deck bohren sich die Segelmaste durch eine weiße Plane hindurch. Der Motor röhrt, Abgase strömen in die Luft, sie riechen streng und reizen die Lunge. Dann wird es kurz brenzlig: Der hölzerne Klüverbaum am Bug streift an der Gangway entlang, ein paar Splitter bröckeln in die Weser. Hafen Vegesack, 10 Uhr. André Hübner hat soeben den ehemaligen Heringslogger "BV 2" um 180 Grad gegen die Windrichtung gedreht. "Gar nicht so leicht, erst recht, wenn man nichts sieht", sagt er und strahlt dabei über beide Ohren – fast so grell wie der Rotmann, den er trägt.
Seit ungefähr 14 Tagen liegt die Abdeckplane, die Hübner zu diesem Blindmanöver zwang, über dem Schiff. Sie soll Energie an Bord einsparen, vor Feuchtigkeit schützen und die Arbeit für die sogenannten Dienstagsmaler in der kalten Jahreszeit angenehmer machen. Die Dienstagsmaler, das sind Ehrenamtliche, die den Traditionslogger zurzeit auf den Winterschlaf vorbereiten. "So drei bis vier Stunden die Woche sind das", sagt Hübner. Zuletzt haben die passionierten Freiwilligen damit begonnen, Roststellen an der Schiffshaut des Backbords mit Hammer und Meißel abzuklopfen und anschließend mit Rostschutzfarbe zu überstreichen. Heute ist das Steuerbord dran, deswegen: einmal rum, die rund 150 Tonnen.
Die alljährlichen Winterarbeiten können die Maler, die zugleich der Stammcrew der "BV 2" angehören, zur nötigen Gegenfinanzierung der jüngst vom Bund bereitgestellten Fördermittel in Höhe von 680.000 Euro nutzen, verrät der selbst ernannte Kapitän. So bleibt am Ende mehr für die Sanierungsarbeiten übrig, die professionell in der Werft vorgenommen werden. Vor allem das achterliche Drittel des Unterwasserschiffs ist sanierungsbedürftig, da es zu dünn ist, wie die letzte Schalluntersuchung des TÜVs ergeben hat. Doch auch die inzwischen in die Jahre gekommene Heizung könnte so langsam mal neu, merkt Hübner an.
Charter-Events, Spenden und Segeltörns sichern die Einnahmen
Die "BV 2", die seit 2018 unter Denkmalschutz steht, finanziert sich hauptsächlich über verschiedene maritime Veranstaltungen. Dazu zählen etwa die Kieler Woche, die Hanse Sail Rostock oder der Hamburger Hafengeburtstag, wo Traditionssegler und Museumsschiffe ihr Antlitz zeigen. "Da chartern uns dann häufig Firmen, die ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zur Jubiläumsfeier oder ihre Kundschaft zu Geschäftsgesprächen einladen", sagt der 53-Jährige. Dazwischen kümmere man sich um Spendenaufrufe und fahre meist wochenweise in Richtung dänische Südsee, von wo aus es manchmal bis nach Schweden oder Polen weitergehe, ergänzt er. "Wir können mit unserem Tiefgang in fast jeden Hafen rein und auch die kleinen Inseln anfahren, anders als größere Schiffe."
Was es für ein Gefühl ist, ein altes Museumsschiff zu steuern? "Ein geiles, ich finde es einfach wunderschön", betont Hübner, der jetzt die Leiter hinuntersteigt und in den Bauch des Schiffes eindringt. "Am besten rückwärts runtergehen", rät er. In der Kombüse legt der Blick nach oben durchs Bulleye die Sicht auf die Treter einer freiwilligen Helferin an Deck frei. Hübner zeigt auf das Guckloch, dann sagt er: "Schweißarbeiten müssen wir auch erledigen, unter anderem an den Bulleyes, die eingerostet sind, das schreiben die TÜV-Auflagen vor." Die Luken fluten den Raum mit Licht, das gegen die rustikalen Holzwände fällt.
Apropos Licht: Törns bei Vollmond bietet die "BV 2"-Crew nicht an, erwähnt der Käpt'n. "Wegen des Niedrigwassers stehen wir dann fast und kommen kaum vorwärts." Würden nur Segeltörns unternommen, brauche man ungefähr zehn Jahre, um die 680.000 Euro einzunehmen, so seine Schätzung. Das genau vorherzusagen, sei aber schwer, schließlich fielen immer Sachen an, im Augenblick zum Beispiel neue Segel. Zudem könne was zu Schaden kommen. "Wenn so ein Mast kaputtgeht", sagt er, "dann sind da auch mal eben 80.000 Euro weg, deswegen kann man das nicht vorhersagen". Man schaue jetzt, ob alles, was am Schiff gemacht werden müsse, diesen Winter zu stemmen sei, ansonsten hole man es im nächsten nach – losgehen darf die Sanierung eh erst, wenn der Bund sein Okay für das Projekt gibt. Ob die 1,4 Millionen Euro am Ende ausreichen? "Wir werden sehen", so Hübner, dessen Brille dank der drei Bügelhalter an jeder Seite fest auf der Nase sitzt. "Wenn es gar nicht geht, dann werden wir um Hilfe schreien müssen. Aber ich bin Optimist, wir kriegen das schon alles hin, ich bin froh, dass wir die Crew haben, die wir haben."
Inzwischen haben die Dienstagsmaler ihre Pinsel längst gegen Hammer und Meißel getauscht. Die Tauwerke liegen um die Poller und die Gummibälle, die den Logger an der Anlegestelle polstern, hängen fest um das Schiffsgeländer. Ein Freiwilliger inspiziert das alte Fischereikennzeichen: BV 2. Vorschriftsgemäß drückt er einen Pappkarton an die Außenhaut, damit der Rost und die Lackreste nicht ins Wasser fallen und es verschmutzen. Seine Hammerschläge treffen das B und überschneiden sich mit denen seiner Kollegen. Das unrhythmische Klanggebilde hallt durch den Vegesacker Hafen.