Herr Loprieno, die Jacobs Universität wurde vor Jahren „Harvard an der Weser“ genannt. Das war der Traum. Ist das auch Ihr Traum und ist er heute noch realistisch?
Antonio Loprieno: Nein, dieser Traum war weder damals noch ist er jetzt realistisch. Der Grund ist, dass Harvard eine grundsätzliche Trägerschaft hat. Diese Sicherheit gab es hier damals nicht und gibt es heute nicht. Deshalb können wir nicht Harvard an der Weser sein, aber wir wollen eine sehr qualitätsvolle, in die Community eingebettete, englischsprachige Universität sein.
Ihr Vorgänger Joachim Treusch brachte 200 Millionen Euro als Spende der Jacobs-Foundation zum Amtsantritt mit. Was haben Sie in der Tasche?Es war damals eine Investition seitens eines philanthropischen Geldgebers, verbunden mit einer Transformation, die sich im Namen der Universität widerspiegelt. Das Geld war gedacht für einen periodischen Sprung. Aus sehr guten Gründen wurde der Betrag aber auch für das normale Leben der Universität verwendet. Am Anfang hatte man einen gewissen Wohlstand. Insofern ist die Situation eines jeden neuen Präsidenten nun eine ganz andere: Ich habe keine 200 Millionen Euro, hoffe jedoch, dass wir ein plausibles Modell der Jacobs Uni entwickeln, mit dem wir mehr Geld mobilisieren können.
Ich möchte Ihnen zu diesem Zeitpunkt keine Zahlen nennen, denn ich weiß nicht, ob ich sie en détail kenne. Wir befinden uns jetzt hoffentlich am Ende der von Michael Hülsmann geführten Konsolidierungsphase. Sodass wir anfangen können, an eine Wachstumsphase zu denken.
Der Finanzausschuss der Stadt musste erst kürzlich 3,9 Millionen Euro bewilligen, um die Liquidität der Uni zu sichern…Aber es geht uns gut – nach einer extremen Rosskur, die nun wirklich zum Ende gekommen ist. Mehr Speck gibt es nicht. Es hilft nur, mehr Geld zu akquirieren. Weder der Bremer Steuerzahler noch die Hansestadt Bremen haben jetzt etwas zu befürchten. Aber beide sind gefordert, dieser Uni als Unterstützer zur Verfügung zu stehen.
Immer wieder hat die Linksfraktion in der Bremischen Bürgerschaft in der Vergangenheit vom Senat ein klares Bekenntnis gegen eine weitere Subventionierung Ihrer Privathochschule gefordert. Glauben Sie, dass es unter Wirtschaftssenatorin Kristina Vogt (Linke) schwieriger für die Jacobs Uni wird, Unterstützung von Bremen zu bekommen?Ich habe keine Sorge. Jede Uni – unabhängig von der Trägerschaft – generiert volkswirtschaftlich einen Riesenerfolg im Vergleich zu dem Geld, das investiert wird. Unabhängig davon, wer die Investition trägt, ob es öffentliche oder private Gelder sind. Die Frage ist nicht, wie stehe ich zu einer Privatuniversität? Die Frage ist, was mache ich, damit eine Ressource, die schon da ist, noch besser funktioniert?
Wie sehen Ihre Pläne für die Uni aus?Das Modell der rein privaten oder rein staatlichen Universitäten ist nicht mehr aktuell. Die guten staatlichen Universitäten sind immer weniger staatlich, weil sie im Sinne der Forschung auf private Geldgeber angewiesen sind. Die Forschungskosten nehmen für alle zu. Wiederum sind die privaten Universitäten – und ich spreche weltweit – auf die Einbettung in die Gesellschaft angewiesen. Ich glaube, dass das, was uns bevorsteht, eine engere Zusammenarbeit mit Bremen voraussetzt. Das bedeutet aber auch eine bessere Präsenz der Jacobs University im wirtschaftlichen, kulturellen und gesellschaftlichen Leben dieser Stadt.
Werden Sie um weitere städtische Förderung nachsuchen müssen?Ich möchte nicht, dass die Jacobs University zu einer finanziellen Belastung für die Hansestadt wird, aber ich möchte, dass die Hansestadt sieht, dass die Jacobs Uni im großen Umfang zum Wohlstand des Staates beiträgt. Das habe ich Wissenschaftssenatorin Claudia Schilling bereits vor meinem Amtsantritt gesagt.
Werden Sie neue Schwerpunkte in der Forschung und Lehre setzen?Wir erleben gerade eine unglaubliche Transformation unserer Kultur, den digitalen Wandel. Wir müssen Fächer entwickeln, die diesen Übergang von der analogen Welt zur digitalen Welt ermöglichen, da wir die junge Generation von Welt-Leadern ausbilden, für die das das ABC sein wird.
Solche Details möchte ich mit dem Lehrkörper besprechen. Ich habe allen 1400 Studenten und 450 Angestellten eine Begrüßung geschickt und ihnen mitgeteilt, dass wir uns am Anfang eines Strategieprozesses befinden. Ich erwarte Mitarbeit bei der Gestaltung dieser Strategie. An diesem Prozess müssen aber auch die auswärtigen Stakeholders beteiligt werden: Ich glaube, dass man die Verantwortlichen der Freien Hansestadt Bremen abholen muss. Was erwartet der Staat von uns? Die Antwort muss in die neue Strategie einfließen.
Haben Sie bereits Kontakte zu einzelnen Firmen aufgenommen?Ich habe mich bereits orientiert. Ich weiß, welches Potenzial in und um Bremen besteht. Sie wissen, dass wir mit einem besonders relevanten Namen verbunden sind. Die Frage wird immer sein: Wie wollen wir unsere Asse so platzieren, dass es auch für andere Unternehmer attraktiv wird, in die Jacobs Uni zu investieren. Ich habe den Eindruck, dass manchmal etwas, das ein Plus für die Uni ist, die Verbindung mit der ersten großen Spende, von einigen sogar als Nachteil interpretiert werden könnte. Dafür habe ich kein Verständnis. Jacobs ist jetzt nicht mehr nur ein Personenname. Jacobs ist eine Marke, genau wie Harvard.
Die Jacobs Uni hat mehr Studenten als je zuvor. Der Großteil der Neuen strebt einen Bachelor-Abschluss an. Unabhängige Gutachter verweigerten aber bisher ihr akademisches Gütesiegel. Können Sie inzwischen die Qualität der akademischen Angebote belegen?Wir haben uns gegenüber der Stadt verpflichtet, dass bis 2021 alle Kurse akkreditiert sind. Und vier Programme sind jetzt schon ohne Auflage akkreditiert. Wir sind voll auf Kurs.
Wir werden bauen müssen, denn die Wohnsituation erachte ich als Priorität. Das Problem ist noch einmal das liebe Geld. Wir haben keine Trägerschaft. Bei uns geht darum, einfach die Euros zu sammeln.
Ihr Vorgänger blieb nur ein Jahr, wie lange bleiben Sie?Ich habe mich für fünf Jahre verpflichtet. Diesem Vertrag liegt eine gewisse Herausforderung zugrunde, eine objektive und subjektive. Ich bin Wissenschaftler und wollte mich testen, ob ich für die Privatuniversität etwas Gutes herausholen kann.
Sie sind Ägyptologe und wie ich gehört habe, betreuen Sie weiterhin Doktoranden in Basel. Nehmen Sie Ihre Projekte mit nach Bremen-Nord?Ich leite ein Projekt des Nationalfonds der Schweiz. Wir versuchen, Fragmente von ägyptischen Papyri durch maschinelles Lernen zu kombinieren, also Informatik und Ägyptologie zu kombinieren. Es gehört zwar nicht zu meinem Vertrag, aber ich habe die Hoffnung noch nicht aufgegeben, dass ein minimaler wissenschaftlicher Beitrag auch von hier aus dazu geleistet werden kann.
Das Interview führte Patricia Brandt.Antonio Loprieno
Der Schweizer Ägyptologe Antonio Loprieno, Jahrgang 1955, ist der neue Präsident der privaten Jacobs University in Grohn. Bis 2015 war er Rektor der Uni in Basel, wo er zurzeit noch mit seiner Frau lebt.