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Abschied aus der Fußgängerzone Zwei Traditionsgeschäfte schließen in Vegesack

Zwei alteingesessene Vegesacker Geschäfte schließen zum Jahresende. Die Inhaberin von „Brigitte Moden“ setzt sich zur Ruhe. Und das Fachgeschäft für Berufsbekleidung „Perko“ rentiert sich nicht mehr.
20.11.2019, 17:09 Uhr
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Von Imke Molkewehrum

Immer wieder läutet die Ladenglocke. Die Kundinnen geben sich bei „Brigitte Moden“ in der Gerhard-Rohlfs-Straße die Klinke in die Hand. Auf Kleidungsstücke gibt es bis zu 50 Prozent Rabatt, da die Inhaberin Brigitte Kemper das Geschäft am 31. Dezember schließen wird. Nach 42 Jahren. Eine Nachfolge hat sich nicht ergeben. „Die Kunden sind sehr traurig und können es gar nicht fassen, dass ich aufhöre“, sagt die 72-Jährige. „Aber umstimmen kann man mich nicht, sonst stehe noch mit 80 hier.“

Den konkreten Entschluss hat Brigitte Kemper vor sechs Monaten gefasst. Ein Auslöser war, dass ihre Mitarbeiterin Brigitte Büchler nach 36 Jahren in Rente gegangen ist. „Es fiel mir schon schwer, mich zu entscheiden, aber wir haben zusammen durchgehalten, und nun gehen wir zusammen aufs Altenteil. Ich werde versuchen, meine Freizeit zu genießen.“

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Mit Stolz blickt die gebürtige Niedersächsin zurück. Im Jahr 1977 habe sie als 29-Jährige in Osterholz-Scharmbeck ihr erstes eigenes Geschäft mit dem Namen „Brigitte-Boutique“ eröffnet. „Die Idee ist entstanden, weil mein Mann eine Handelsvertretung im Textilbereich hatte. Da hab ich mich dann eingeklinkt“, erzählt Kemper. Schon 1978 ging „Brigitte-Moden“ in Vegesack an den Start – anfangs an der Ecke Reeder-Bischoff-Straße / Breite Straße. „Das war damals eine Revolution, weil die Mode so modern und relativ hochpreisig war“, erinnert sich die Geschäftsfrau. „Aber wir haben viel auf die Beine gestellt und hatten großen Erfolg – beispielsweise mit den Modenschauen in der Strandlust.“

Eine Zeit lang hatte Kemper auch ein Geschäft für Braut- und Abendmoden in der Reeder-Bischoff-Straße, wo heute der Friseur „La Mirage“ residiert. Und sie leitete 20 Jahre lang – zwischen 1988 und 2008 – eine Dependance Am Wall in der City. „Damals hatte ich acht bis zehn Mitarbeiter in vier Läden.“ Als Grund für ihren Erfolg nennt Kemper ihr eigenes Engagement. „Etwas auf die Beine stellen kann jeder, aber sich zu halten, ist eine Kunst“, betont sie. „Aus Altersgründen habe ich mich seit 2008 aber auf das Geschäft in Vegesack konzentriert.“

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Dieser Laden hat seit 1988 seinen Sitz in der Gerhard-Rohlfs-Straße, wohin die Kunden seinerzeit noch mit dem Auto fahren konnten. „Aber dass die Straße zur Fußgängerzone geworden ist, finde ich gut“, versichert die Chefin, die nach eigener Aussage Kunden im Alter zwischen 20 und 80 Jahren betreut.

Ihre Stammkunden hat Brigitte Kemper schon Anfang Oktober über die geplante Schließung informiert. „So konnten die Frauen die Mode schon vorab zu reduzierten Preisen einkaufen. „Das sind treue, liebe Kunden“, sagt sie etwas melancholisch. Mit einem Lächeln erinnert sich Brigitte Kemper aber zurück. „Besonders schrill waren um 1977 die Stretch-Cordhosen. Die Kundinnen mussten sich zum Teil auf den Boden legen, um die zuzukriegen.“ Gut gefiel ihr dagegen die feminine Mode in den 90er-Jahren. „Die taillierten Kostüme und High Heals vermisse ich heute.“ Seit dem Jahrtausendwechsel sei ihr die Mode zu sportlich. „Mir fehlt der feminine Touch. Es muss mal was Neues her, um die Frauen wieder schöner zu machen.“

Der Laden ist voll, die Chefin widmet sich den Kundinnen. „Auf beiden Seiten gab es natürlich schon Tränen“, sagt sie leise. „Aber ich freue mich, dass die Kunden die Mode als Erinnerung zu einem guten Preis mitnehmen können.“

Nur wenige Schritte weiter in Richtung Hafen wird das Ende eines weiteren Traditionsgeschäfts in der Reeder-Bischoff-Straße eingeläutet. Die gebürtige Nordbremerin Angela Leidinger schließt „Perko“, das Spezialgeschäft für Berufs- und Wetterschutzbekleidung. Ende des Jahres ist Schluss.

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An den Regalen und Kleiderständern stehen die reduzierten Preise: Gummistiefel, Arbeitsschuhe, Regenjacken und Latzhosen – alles muss raus. „Dieses Jahr ist der Handel mit Arbeitskleidung total eingebrochen. Auch Arbeitsschuhe werden jetzt online bestellt“, bedauert Leidinger. „Das ist der Tod des Einzelhandels.“ Wie lange der vorherige Inhaber den Laden betrieben hat, weiß die 64-Jährige nicht. Fakt ist aber, dass er seinerzeit Regenbekleidung selbst geschneidert hat. „Die hat er ‚Perko‘ genannt. Und ich habe den Namen dann im Jahr 1996 für das Geschäft übernommen.“

Anfangs befand sich der Laden in der Rohrstraße. „Ich wollte wegen der Schneiderei aber den Standort verbessern und bin deshalb im März 2012 umgezogen“, erzählt die Inhaberin, die selbst gelernte Schneiderin ist. Das neue Geschäft war geteilt. Es gab die Schneiderei sowie Arbeitskleidung, Freizeitkleidung und Übergrößen. Die Arbeitskleidung ist immer gleich. Sie unterliegt keiner Mode. "Ein Troyer ist immer ein Troyer“, sagt Leidinger, die selbst einen trägt. Aber die Nachfrage sei zu gering. „Die Stammkunden waren erst mal schockiert, aber ich werde die Änderungsschneiderei zu Hause weiter machen und Arbeitskleidung oder maritime Kleidung auf Bestellung liefern“, versichert die Chefin.

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Eine Weile lockten maritime Deko-Artikel die Kunden ins Geschäft. „Damals wollte die Leute immer meine eigene Laden-Deko kaufen. Deshalb habe ich auf einer Messe in Hamburg maritime Artikel bestellt. Das war richtig gut, was über den Tisch ging. Aber auch das wird immer weniger“, erzählt die Nordbremerin. „Gut, dass ich damit durch bin. Es wird immer schwieriger. Die Lieferanten verkleinern die Lager, weil die Kosten zu hoch sind, die Lieferzeiten verlängern sich und die Konditionen werden immer härter“, sagt Angela Leidinger.

Der Onlinehandel ist ihr ohnehin ein Dorn im Auge. „Die Müllberge haben sich dadurch verdreifacht“, hat sie gelesen – ganz abgesehen von den Abgasen durch die Transporte. Die Ladenglocke klingelt. Eine Kundin schlendert durch den Laden. Ein Blickfang ist eindeutig die maritime Kindermode. Gestreifte Fischerhemden, Matrosenanzüge, kleine Gummistiefel, Regenhosen oder Ostfriesennerze.

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