Der Frikadellenverbrauch bei Fleischer Rossol am Steffensweg ist in letzter Zeit spürbar gestiegen. „Man merkt schon, dass hier 20 bis 30 Leute mehr rumwuseln“, sagt Juniorchefin Jona Rossol, während sie von ihrem Verkaufstresen aus durchs Schaufenster die Großbaustelle jenseits der Kreuzung betrachtet. Seit August wird der 121 Jahre alte Kanal im Steffensweg erneuert, Meter um Meter graben sich die Bagger von der Bremerhavener Straße aus 450 Meter weit in Richtung Stephanstraße voran. Gerade erst ist der Abschnitt bis zur Elisabethstraße fertig geworden, kurzzeitig war die Straße wieder zu. Manche Anwohner dürften bereits aufgeatmet haben – sie haben sich aber zu früh gefreut: Planmäßig ist am 17. März die Firma Depenbrock angerückt, um im Auftrag des Amts für Straßen und Verkehr (ASV) alles wieder aufzureißen.

Jona Rossol hat die Baustelle von der Fleischerei Rossol aus täglich gut im Blick.
Die wenige Zentimeter dünne Asphaltdecke war nämlich nur ein Provisorium, weil im Anschluss an die Kanalsanierung jetzt die Straße komplett umgestaltet wird: Die Fahrbahn wird schmaler und zum Teil verschwenkt, dafür werden Rad- und Fußweg verbreitert, und einige Kreuzungen bekommen eine Hochpflasterung. Denn der Steffensweg wird bekanntlich ein Teilstück der Radpremiumroute D.15 und bekommt deshalb nun für 4,4 Millionen Euro „eine moderne Straßeninfrastruktur“, wie Mobilitätssenatorin Özlem Ünsal (SPD) ankündigt.

Logistik, Kabel, Absperrungen: Straßenbaupolier Andreas Tluck hat alles im Blick.
Es bleibt also vorerst laut, schmutzig und teils unübersichtlich – fast täglich beobachtet Jona Rossol Beinahe-Kollisionen von Radfahrern und Fußgängern, die an der Ecke Steffensweg / Elisabethstraße unvermittelt aufeinandertreffen. „Zum Glück ist aber bislang nichts Schlimmes passiert.“ In der Elisabethstraße seien jetzt häufiger als sonst 40-Tonner unterwegs, und einige der alteingesessenen Stammkunden müssten wegen der Baustelle mit dem Auto Umwege fahren, erzählt Rossol: „Die schimpfen ganz schön. Aber die Kinder finden es super und bleiben lange stehen, um sich alles ganz genau anzugucken.“
Und das wird wohl auch noch eine Weile so bleiben. Der Fuhrpark der Straßenbauer mit Acht-Tonnen-Radlader, Acht-Tonnen-Kompaktbagger und 18-Tonnen Mobilradbagger kann sich jedenfalls sehen lassen. Damit wird jetzt die alte Straße inklusive Fuß- und Radweg komplett abgetragen und anschließend neugestaltet. „Ich habe meinen Plan und danach baue ich. Wir arbeiten mit GPS-orientierter Punktmessung. Darüber werden die Fluchten und Höhen festgelegt mit einer Genauigkeit bis zu zwei Zentimetern“, erklärt Straßenbaupolier Andreas Tluck die Vorgehensweise.
Dazu gehört auch viel Logistik – die Baustelle muss nämlich direkt bis an die Hauswände heranrücken, damit der Fußweg neu gemacht werden kann. „Und zwar so, dass die Anwohner trotzdem rein- und rauskommen“, so Tluck. Auch die Rohre und Leitungen für Fernwärme, Strom, Wasser, Gas und Telekommunikation unter dem Gehweg hat er genau im Blick: „Da gucken wir per Suchschachtung, was wo liegt.“ Aktuell hat der Polier allerdings ein anderes Problem zu lösen. „Pro Tag haben wir momentan etwa 100 vor allem jüngere Personen, die die Absperrungen öffnen und quer über die Baustelle laufen“, erzählt der Straßenbauer. Deshalb soll ein doppelt verschraubter Bauzaun aufgebaut werden: „Den kann man nur mit dem entsprechenden Werkzeug öffnen.“

In fast vier Metern Tiefe wird der 1914 gemauerte Kanal entfernt und durch Rohre aus Polyethylen ersetzt.
Die Kanalbauer sind um Weihnachten herum über die Elisabethstraße in Richtung Süden weitergewandert. Auch bei ihnen sind Bagger und Radlader im Einsatz. Neben Bergen aus Kopfsteinpflaster und Sand finden sich außerdem stapelweise Rohre in verschiedenen Farben und Größen.
Inmitten der Fahrbahn tut sich zwischen Spundwänden eine fast vier Meter tiefe Baugrube auf, in der ganz unten noch der alte gemauerte Kanal zu sehen ist. Stück für Stück kommt der jetzt inklusive Schlick und Drainage raus, dann wird die Sohle erneuert und darauf neue knapp sechs Meter lange Polyethylen-Rohrelemente mit einem Durchmesser von einem Meter verlegt. Und zwar bei laufendem Betrieb, wie Vorarbeiter Gerhard Koop erzählt. „Die Anwohner wollen ja auch weiterhin duschen und auf die Toilette gehen. Dafür müssen die Hausanschlüsse vorübergehend umgeleitet werden.“
Staunend bleiben auch hier immer wieder Kinder am Bauzaun stehen. „Vielleicht kriegen wir so dann ja auch mal wieder Nachwuchs“, hofft der gelernte Stahlbetonbauer, der selbst bereits auf 47 Berufsjahre zurückblickt: „In den nächsten Jahren hören viele Kollegen auf.“

Bevor der Kanal erneuert werden kann, muss zunächst das Kopfsteinpflaster raus.
Es ist Mittagspause. In der Flaschenpost an der Ecke Gutenbergstraße gibt es frischen Kaffee und Snacks. Torsten Hamp, der den Kiosk seit zehn Jahren gemeinsam mit Ehefrau Yvonne betreibt, hat sich damit arrangiert, dass er seit Januar eine Baustelle vor der Tür hat. „In einer Einkaufsstraße wäre das Geschäft um 30 Prozent zurückgegangen. Wir haben das Sortiment ein bisschen umgestellt und die Preise ein bisschen angepasst. Von daher ist es nicht so schlimm, wie ich es mir vorgestellt habe“, erzählt er: „Das liegt aber auch an unserem tollen Team und daran, dass unsere Kundschaft uns unterstützt.“ Die Bauarbeiter seien ziemlich fix, findet er und lobt außerdem den guten Informationsfluss: „Wenn es Änderungen gibt, zum Beispiel bei der Müllabfuhr, werden wir jeweils frühzeitig benachrichtigt.“

Stahlbetonbauer Gerhard Koop hat auch nach 47 Berufsjahren noch Freude an seinem Job.
Wenn weiterhin alles nach Plan läuft, ist der Steffensweg Mitte 2026 von der Bremerhavener Straße bis zur Stephanstraße runderneuert. Bei Hansewasser geht man davon aus, mit den Kanalarbeiten in diesem Bauabschnitt im Dezember fertig zu sein. „Wir würden dann gerne bis zur Hansestraße weiterbauen, warten aber noch auf Signale der beteiligten Behörden“, sagt Sprecher Michael Brandt.