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Kinderbetreuung Wie Bremen mehr Menschen als Tageseltern gewinnen möchte

Neuerdings können Tagesmütter und -väter auch als Angestellte in Einrichtungen arbeiten. Bremen hofft, dadurch mehr Kitaplätze anbieten zu können. Wie das funktionieren soll, war nun Thema im Bremer Westen.
28.11.2022, 07:00 Uhr
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Wie Bremen mehr Menschen als Tageseltern gewinnen möchte
Von Anne Gerling

In Bremen fehlen Kitaplätze. Es werden mehr Menschen gebraucht, die in der Kindertagesbetreuung arbeiten. Neuerdings können deshalb auch hier Tagesmütter und -väter als Unterstützungskräfte in Kindertagesstätten eingestellt werden: So hat es der Landesjugendhilfeausschuss Anfang Oktober beschlossen, womit er einem Vorstoß von Bildungssenatorin Sascha Aulepp (SPD) gefolgt ist. In deren Auftrag wirbt nun die Pflegekinder in Bremen gGmbH (PiB) als Fachdienst für die Kindertagespflege um zusätzliche Kräfte. Über die Rahmenbedingungen hat sich am Donnerstag Bärbel Bergmann, Fachberaterin Kindertagespflege bei PiB, mit den Bildungsausschüssen der Beiräte in Findorff, Walle und Gröpelingen ausgetauscht.

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Was ist Kindertagespflege?

Das Besondere an der Kindertagespflege: Die Betreuungssituation der Kinder ist hier ähnlich wie in der Familie. Bergmann zufolge integrieren viele Tageseltern auch ihre eigenen Kinder. Tageseltern betreuen jeweils eine kleine Gruppe von drei bis maximal fünf Kindern im Alter bis zu drei Jahren entweder bei sich zu Hause oder –  was seltener vorkommt  – im Haushalt der Eltern. Sie können sich auch im Tandem um bis zu zehn Kinder in eigens dafür angemieteten Räumen kümmern. Bergmann zufolge ist es allerdings schwierig, in Bremen an Räumlichkeiten zu kommen.

Was ist neu?

Bisher waren Tagesmütter und -väter in Bremen freiberuflich tätig. Wer einen Qualifizierungslehrgang zur Tagesmutter oder zum Tagesvater erfolgreich absolviert hat, kann sich nun auch bei Elternvereinen und Krippen bewerben, um dort Kinder im Alter von bis zu drei Jahren zu betreuen.

Wie viele Tageseltern gibt es?

Im vergangenen Jahr gab es in Bremen Bergmann zufolge 230 selbstständige Tageseltern, darunter zwölf Tagesväter. Die PiB-Fachberaterin geht nicht davon aus, dass alle diese Kräfte von der neuen Regelung Gebrauch machen werden. „Die meisten werden wohl bei uns bleiben. Es werden auch welche in Einrichtungen abwandern –  aber das ist nicht die Masse“, so die Sozialpädagogin, die betont: „Wir suchen jetzt neue Menschen.“

Wer ist geeignet?

Gesucht werden Bergmann zufolge Menschen mit Reflexionsvermögen und Erziehungserfahrung, die für sich und alle Angehörigen ab 15 Jahren in ihrem Haushalt ein erweitertes Führungszeugnis vorlegen können. Um den Qualifizierungskurs erfolgreich abschließen zu können, an dessen Ende ein mehrseitiges pädagogisches Konzept verfasst wird, seien außerdem gute Deutschkenntnisse (möglichst Sprachlevel B2) nötig. Auch ein Gesundheitsnachweis wird verlangt.

Wie wird man Tagesmutter?

Wer Tagesmutter oder -vater werden möchte, kann sich bei PiB bewerben und wird dort zunächst auf seine Eignung hin überprüft. Nach der sogenannten Eignungsfeststellung absolviert die Person dann einen Qualifizierungskurs mit 380 Unterrichtsstunden beim Paritätischen Bildungswerk und erhält anschließend mit einer entsprechenden Empfehlung von PiB von der Behörde eine auf fünf Jahre befristete Pflegeerlaubnis. Nach Ablauf dieser Zeitspanne muss die Eignung erneut überprüft werden.

Wie sind Kosten und Verdienst?

Die Qualifizierung ist für alle kostenfrei. Freiberufliche Tageseltern können laut senatorischer Richtlinie pro Kind und Stunde 5,65 Euro abrechnen. Darin enthalten sind Betriebskosten etwa für Essen, Strom oder Miete in Höhe von 2,10 Euro. Eine Besonderheit: Die Sozialversicherungsbeiträge selbstständiger Tagespflegeeltern werden zur Hälfte von der Stadt übernommen. Im Angestelltenverhältnis ist eine Vergütung nach TV LS-2 angestrebt, was bei einer Arbeitszeit von 40 Stunden etwa 2400 Euro brutto bedeutet.

Was sagen die Einrichtungen?

„Ich möchte davor warnen, dass die Belastungen im Kitabereich nicht wenige sind“, sagt Regionalleiterin Sandra Schmidt von Kita Bremen. Dies führe unter anderem zu einem hohen Krankenstand. Für den Einsatz von Tageseltern in Einrichtungen müsse es konkrete Stellenbeschreibungen geben, unterstreicht sie außerdem. Auch gebe es bislang keine klaren Regeln dazu, wie das Verfahren ablaufen soll. Schmidt kritisiert außerdem, dass die Pflegesätze für freiberufliche Tageseltern in Bremen deutlich niedriger als anderswo seien. Birgit Hahne vom Kinder- und Familienzentrum Haferkamp in Walle findet es „ein Unding, dass als Fachkräfte angekündigte Mitarbeiter als Ungelernte bezahlt werden.“ Tageseltern als Zweitkraft –  das werde nicht funktionieren, ist sie überzeugt: „Ich finde es gut als Drittkraft –  lernend und unterstützend.“

Wie kommen die Pläne in der Ortspolitik an?

„Ich finde die Pflegesätze unterirdisch. Bei vier Kindern, die betreut werden, bekommt man gerade mal Mindestlohn – das ist Selbstausbeutung“, kommentiert Hanspeter Halle von den Gröpelinger Grünen. „Jeder, der mal ein paar kleine Kinder betreut hat, weiß: Das ist ausgesprochen anstrengend“, pflichtet dem die Findorffer SPD-Beiratspolitikerin Helga Eule bei.

Christian Gloede (Linke, Findorff) hält Bremens Tagespflegeangebot für gut und wichtig, mahnt aber gleichzeitig: „Man muss sehr gut im Blick haben, was man den Kitas zumuten will. Denn die Arbeit dort ist eine andere, etwa, was Teamarbeit angeht. Und die fachlichen Anforderungen sind andere. Das Belastungsniveau in den Kitas ist schon sehr hoch. Da müssen wir gucken, dass die, die kommen, auch entlasten.“

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