Die Neptun-Apotheke an der Elisabethstraße bekommt zum neuen Jahr eine neue Inhaberin. Diese Nachricht mag viele Kundinnen und Kunden überraschen – doch Apothekerin Christa Kling hat sich schon lange Gedanken über die Zukunft gemacht. Nun haben sich zwei Gleichgesinnte gesucht und gefunden, denen die Nähe zu den Menschen und das soziale Engagement wichtig sind.
Zum 1. Januar 2023 übernimmt Laya Pilehvari Salmasi die Leitung der ältesten aktiven Apotheke in Walle. Die 39-Jährige wuchs in der Großstadt Orumieh (Urmia) im Nordwesten des Irans auf, absolvierte in ihrer Heimat zunächst ein Studium der Veterinärmedizin und promovierte mit einer Arbeit im Forschungsgebiet der Embryologie. Ab 2011 schloss sie ein Studium der Pharmazie an der Universität Marburg an und arbeitete seit 2016 in einer Delmenhorster Apotheke. „Die Selbstständigkeit war immer mein Ziel“, erklärt Salmasi, und erzählt, dass sie aus einer Familie von selbstständig Tätigen stammt – die Mutter leitet eine Privatschule, Vater und Bruder sind Ingenieure. Aber es sollte nicht irgendein Standort sein. „Ich wünschte mir eine übersichtliche Apotheke, in der Kundenkontakt und persönliche Beratung gepflegt werden. Das Gefühl, helfen zu können, ist mir sehr wichtig”, sagt Pilehvari Salmasi, die mit ihrer Kundschaft neben Deutsch und Englisch auch auf Persisch, Türkisch und Aserbaidschanisch kommunizieren kann.
In Walle ist sie damit offensichtlich genau richtig. Die Neptun-Apotheke, Gründungsjahr 1920, punktet mit „sehr, sehr netten” Kunden, sagt ihre Vorgängerin. Christa Kling leitete die Apotheke seit 2015. Zuvor war sie beruflich viel in der Republik herumgekommen und hatte sich dabei von ihrer Heimatstadt Freiburg im Breisgau immer weiter in den Norden hochgearbeitet. „Doch von allen Apotheken, in denen ich gearbeitet habe, hat es mir in Walle mit Abstand am meisten Spaß gemacht”, erzählt Kling, die im Januar ihren 65. Geburtstag feiert. Das gute Team und die Tatsache, dass man die Gesichter und oft auch die Namen und Geschichten der Menschen auf der anderen Seite des Verkaufstischs kenne, mache die Arbeit sehr angenehm.
Gewinnspiel hat Tradition
Ihre Nachfolgerin übernimmt nicht nur eine gesunde Stadtteil-Apotheke, sondern tritt auch ein Erbe an, das ihrer Vorgängerin sehr am Herzen liegt: Das jährliche Weihnachtsgewinnspiel ist in der Neptun-Apotheke inzwischen gute Tradition. Sie entstand unter dem Eindruck der ersten von mehreren medizinischen Fortbildungsreisen, die die Expertin für Reisemedizin im Frühjahr 2017 nach Tansania führte. Zur Unterstützung der Buschklinik Endulen im Norden Tansanias initiierte die Waller Apothekerin zunächst eine Brillen-Sammelaktion, die sich in der gesamten Stadt herumsprach. Insgesamt wurden mehr als 1500 gebrauchte Sehhilfen für Kinder und Erwachsene gespendet. In der Adventszeit desselben Jahres organisierte Kling das erste Weihnachtsgewinnspiel, das weitere 500 Euro für die Buschklinik einbrachte.
Von diesen Dimensionen ist man mittlerweile weit entfernt. Die Spendenerlöse für wechselnde karitative Projekte in ärmeren Regionen der Welt übertrafen sich von Jahr zu Jahr – auch, weil zahlreiche Kundinnen und Kunden den Lospreis mitunter um ein Vielfaches aufstockten. Den aktuellen Rekord hält demnach das Weihnachtsgewinnspiel 2021, das 3200 Euro für ein Kinderprojekt in Nordindien einbrachte. Der Erlös des laufenden Gewinnspiels geht zurück an den Ort, an dem alles begann. Die Spende aus Walle soll dazu beitragen, das Studium einer jungen Allgemeinärztin aus der Buschklinik Endulen zur Fachärztin für Kinderheilkunde zu finanzieren.
Ein neuer Spendenrekord wäre auch ein Abschiedsgeschenk im Sinne der Erfinderin, die zum neuen Jahr ihren Ruhestand antritt – wenn auch nicht so ganz. Beim Übergang wird sie ihre Nachfolgerin unterstützen und hat ihr versprochen, auch danach stunden- und vertretungsweise einzuspringen. Persönlich freue sie sich darauf, künftig über ihren Tag frei verfügen zu können, zu verreisen, ohne auf den Kalender zu schauen, und mehr Zeit mit ihrem Pferd zu verbringen. Ihre Apotheke weiß sie in guten Händen, sagt Christa Kling. „Aber ich werde trotzdem ein paar Tränchen vergießen.”