Zwischen Überseepark und Waller Sand, auf mehr oder minder grüner Wiese, hat das Bremer Sozialressort im April eine Unterkunft für bis zu 1288 geflüchtete Menschen geschaffen. Ein massiver und plötzlicher Bewohnerzuwachs für diesen Zipfel der Stadt, der weiterhin mitten im Aufwuchs steckt. Da kann es schon mal Probleme geben. Die Frage ist, wie man mit ihnen umgeht.
Inzwischen restlos genervt ist eine Anwohnerin, die mit ihrer Familie in unmittelbarer Nähe der Zeltstadt an der Herzogin-Cecilie-Allee lebt. Ständig stünden Menschen vor der Haustür, nutzten den Weg entlang des Hauses als Abkürzung zur Bushaltestelle, machten Lärm, feierten, Alkohol sei im Spiel. Die vorherige Ruhe sei entschieden gestört. Sie habe das direkte Gespräch gesucht, sei die Wiederholungen aber leid: "Jeden Abend muss ich sagen: Könnt ihr woanders hingehen und leiser sein?" Teils folgten die Angesprochenen ihrer Bitte sofort, teils seien sie zu alkoholisiert, vermutet die Frau. Sie fühle sich sehr unwohl mit der Situation.
Anwohnerin zeigt sich besorgt
Vor allem in den vergangenen zwei, drei Monaten habe sie diese Szenen nahezu täglich erlebt. Und auch den nahe gelegenen Spielplatz im Überseepark mag sie mit ihrem Kind nicht mehr besuchen, er sei vermüllt, sagt die Anwohnerin. Ihr bereite Sorgen, wie sich die Situation in Zukunft entwickele. Beschwerden bei der Hausverwaltung hätten bislang nichts gebracht, auch das Deutsche Rote Kreuz (DRK) als Betreiber der Unterkunft oder die Polizei hätten nicht dafür gesorgt, dass sich die Lage ändere. "Für die Miete, die wir hier zahlen müssen, ist es unverantwortlich, dass sich niemand darum kümmert", findet die Frau.
Ortsbesuch gegen halb neun abends an einem etwas kühlen Septembertag. Es ist schon nahezu dunkel, mehrere kleinere Gruppen von Kindern und Erwachsenen kehren vom Spielplatz zurück zur Zeltstadt. Einige Leute stehen in der Nähe des Eingangs zusammen, unterhalten sich, andere bei einem Auto, das an der Straße geparkt ist. Lärm ist vor allem aus einem der großen Zelte hinter dem Zaun zu hören: Kinder, die lachen und schreien. Von Betrunkenen oder Ausfälligkeiten ist an diesem Abend nichts zu bemerken.
DRK-Bereichsleiter nimmt Stellung
Dass es einige Schwierigkeiten gegeben hat, will Jörg Rolfs, Bereichsleiter beim DRK und unter anderem zuständig für die Unterbringung von Geflüchteten, nicht abstreiten. Aber: "Wir haben das meiner Meinung nach gut im Griff", sagt er. Es sei nicht leicht, mittlerweile rund 950 Menschen aus 41 Nationen an gemeinsame Regeln zu gewöhnen, zum Beispiel, was den Umgang mit Müll angeht. Und täglich kämen neue Leute hinzu. Zeitweise seien weggeworfene Tetrapaks ein Problem gewesen, auf dem Zeltstadtgelände und drumherum. Nun sammelten alle zwei Tage Bewohnerinnen und Bewohner gemeinsam mit DRK-Beschäftigten freiwillig Müll ein – auch außerhalb der Unterkunft.

Jörg Rolfs ist als Bereichsleiter beim DRK unter anderem für die Notunterkünfte zuständig.
Außerdem sei es mittlerweile verboten, die Tetrapaks mit nach draußen zu nehmen. Ebenso habe die Hilfsorganisation beschlossen, die Duschcontainer ab 22.30 Uhr zu verriegeln. In denen hätten nämlich zuvor teilweise laute Partys stattgefunden. "Das will man eigentlich gar nicht", sagt Rolfs über diese neue Regelung, "aber das sind Dinge, die wir umsetzen, um Problemen aus dem Weg zu gehen." Zugleich baue das DRK gemeinsam mit Freiwilligen das Angebot zur Unterstützung und Beschäftigung der Bewohnerinnen und Bewohner aus.
Von der Zeltstadt sind es nur wenige Schritte zum Überseepark mit Spielplatz, Sportbereich und Wiese. An diesem sonnigen Nachmittag nutzen viele das Gelände. Eine große Gruppe Jugendlicher spielt Fußball, der Sandkasten gehört Kleinkindern und ihren Eltern, im Parcours-Bereich turnen junge Leute. Es sei schon spürbar mehr los, seit die Zeltstadt bewohnt ist, sagt eine Mutter. Mehr ältere Kinder liefen herum, Leute veranstalteten Picknicks. Problematisch finde sie das nicht.
Dass mal Müll herumliege oder geraucht werde, sei auch vorher schon so gewesen, berichtet Mike Andrä, dessen Kind im Sand spielt. Vor dem Kiosk in der Nachbarschaft stünden manchmal Gruppen herum, da sei auch mal an die Wand gepinkelt worden. Und an der Bushaltestelle sei es voller als früher. "Aber ich find's deplatziert, sich zu beschweren", sagt er. Man müsse bedenken, wo die Menschen herkämen und wie sie untergebracht seien.
Regelmäßig ist eine Kontaktpolizistin vor Ort
Die Polizei bewerte die Situation rund um die Zeltstadt in der Überseestadt als unauffällig, teilt Sprecher Nils Matthiesen mit. Es gebe einen regelmäßigen Austausch mit den Verantwortlichen der Notunterkunft, mindestens zweimal pro Woche sei eine Kontaktpolizistin beratend und präventiv vor Ort. Bislang habe es zehn Einsätze dort gegeben, überwiegend Körperverletzungen, Diebstähle und Hausfriedensbrüche. Das DRK-Personal sei bei drohenden Konflikten sehr aufmerksam und könne diese regelmäßig verhindern.
Beschwerden aus der Nachbarschaft kämen bei der Polizei ebenfalls an, so Matthiesen. Allerdings sei zum Beispiel die Nutzung der Abkürzung kein Vergehen, weil der Weg über öffentlichen Grund führe. Auch die Tatsache, dass die Skateanlage beziehungsweise der Sportpark stärker genutzt würden als zuvor, es laut sei und Müll herumliege, habe Anlass zu Meldungen an die Polizei gegeben. Dies hätten die Beamten bei einer Überprüfung Ende August aber nicht feststellen können.