Bremen Stadtteile Osterholz Verden Diepholz Delmenhorst Wesermarsch Oldenburg Rotenburg Cuxhaven Bremerhaven Niedersachsen

Grundschule an der Nordstraße "Jedes Kind auf der Welt sollte Theater spielen"

Seit September bereitet Theaterpädagogin Mirjam Dirks mit Waller Grundschülerinnen und Grundschülern das Stück "Ratten im Schatten" vor. Bald ist Premiere.
05.06.2025, 05:00 Uhr
Jetzt kommentieren!
Zur Merkliste
Von Anne Gerling

Mittwochnachmittag, kurz nach vier. Im Theatersaal der Grundschule an der Nordstraße gibt es Fladenbrot und Äpfel für alle. Kinder wuseln durcheinander, drei Mädchen tanzen synchron zu Hip-Hop-Musik aus einem Handy. Mirjam Dirks blickt von ihrem Manuskript auf und wendet sich an Sören-Alexander Kurth: „Ein Kind ist ausgefallen. Wir brauchen also eine Ratte, die gut spricht. Kannst du mal gucken?“ Kurth nickt – „Ich tue mein Bestes“ – und ist auch schon im Treppenhaus verschwunden. Wenige Minuten später kehrt er mit einem aufgeweckt wirkenden Mädchen im Schlepptau zurück: „Bitte sehr – eine Ratte, die gut spricht.“

Seit September arbeitet die durch die Bundesvereinigung Kinder- und Jugendbildung (BKJ) und das Bundesbildungsministerium geförderte Musiktheater-AG an ihrem neuen Stück „Ratten im Schatten, im Juni ist Premiere. Die Frau, bei der alle Fäden zusammenlaufen: Die Waller Theaterpädagogin Mirjam Dirks. Sie hat das Stück, in dem es um Vorurteile geht – und darum, wie man sie überwindet – gemeinsam mit rund 30 Kindern im Alter von acht bis zwölf Jahren anhand von Improvisationsübungen und Interviews entwickelt und führt auch Regie. Jetzt gilt es, sämtliche 19 Szenen zur Bühnenreife zu bringen. Die Pädagoginnen Ronja Stegmann und Christine Stehno sowie mehrere ehemalige Theaterkinder unterstützen Dirks dabei. Die Proben seien auch mal anstrengend und die Kinder manchmal wie der sprichwörtliche Sack Flöhe, der zusammengehalten werden müsse, gibt Dirks auf Nachfrage zu. „Aber es ist so schön, die Kinder zu erleben. Die Arbeit gibt mir Kraft, das ist das Schöne!“

Während aus der ursprünglichen Vision das fertige Stück wird, fliegen manchmal auch wieder Passagen raus. „Ich gucke, wie eine Szene rüberkommt und ob sie zur Sprache und zu den Kindern passt“, erzählt Dirks, die Anfang der 1990er-Jahre bei einem Praktikum in der Türkei ihre Leidenschaft fürs Theater entdeckte, als Schauspielerin und Performance-Künstlerin unterwegs ist und seit 1998 mit der Waller Grundschule zusammenarbeitet. „Das Skript bleibt lange Zeit eine Baustelle, und es werden immer wieder Sachen verändert, zum Beispiel, weil jemand ausfällt und ersetzt werden muss, weil wir bei den Kindern besondere Talente entdecken oder auch, weil neu zugezogene Kinder dazukommen.“

Und das geschieht gar nicht mal so selten, wie Theaterpädagogin Angelika Hofner erzählt, die die Musiktheatergruppe 1989 gegründet hat. „Für diese Kinder ist es wichtig, dass sie bei uns mitmachen können. Die Theatergruppe ist offen, und wir begrüßen ihre kulturelle Vielfalt als Reichtum.“ Und wenn Neuankömmlinge womöglich noch Schwierigkeiten mit der deutschen Sprache haben? Kein Problem: „Wir machen ja viel mit Musik und Tanz. Und Tanzen ist etwas, was viele Kinder gut können.“

Lesen Sie auch

Neben dem „Physical Theatre“ – also einer Darstellungsform, die sich auf die körperlichen Ausdrucksmöglichkeiten des Menschen konzentriert – arbeitet Theaterpädagogin Dirks aber auch gerne mit Sprache. „Ich finde es toll und wichtig, dass auf der Bühne ein Dialog gesprochen wird. Das Lernen von Texten fällt Kindern aber immer schwerer. Das hat mit Corona und der Digitalisierung zu tun“, sagt sie. „Ich möchte aber möglichst, dass jedes Kind auch mal auf der Bühne einen Satz gesagt hat und das Gefühl hat: Ich habe eine Rolle! Wenn es einen Satz gesprochen hat, Lieder mitgesungen und getanzt hat, dann hat es für sich wirklich etwas erarbeitet.“

Über eine Gesangslehrerin kam Dirks vor vielen Jahren zur Alexandertechnik, die sie seit 2007 auch selbst unterrichtet. „Das ist quasi Bewusstseinsarbeit für Körper, Stimme und Präsenz, und das ist im Theater unser Handwerkszeug. Alexandertechnik ist wie ein Schlüssel zu allen unseren Türen. Gerade die Stimme herauszuholen, wird immer schwieriger.“ Theater fördere das Selbstbewusstsein, ist die gebürtige Detmolderin überzeugt: „Und zwar im Wortsinn – Bewusstsein über dich selbst. Deshalb finde ich ja: Jedes Kind auf der Welt sollte Theater spielen! Da ist so viel drin, auch was Teamgeist und soziales Verhalten angeht. Die Kinder wissen ganz genau: Wenn sie sich beim Theaterspielen nicht gegenseitig unterstützen, dann funktioniert es nicht.“

Dass die Musiktheater-AG ein Ort ist, an dem Zusammenhalt entsteht, hat sich während der Corona-Zeit gezeigt. Damals haben ehemalige Theaterkinder und andere Jugendliche sich mit Hofner und Dirks auf öffentlichen Plätzen im Freien getroffen und eine weitere Gruppe gebildet, die gerade an ihrem zweiten Stück arbeitet. In „Zimmer frei“ geht es um das Thema Rassismus. Premiere ist am Sonnabend, 27. September, um 19 Uhr im Theater im Volkshaus.

Info

Die Premiere von „Ratten im Schatten“ ist am Freitag, 13. Juni, um 18 Uhr (Einlass 17.30 Uhr) in der Aula der Grundschule an der Nordstraße 349. Direkt vor der Aufführung zeigen die vier- bis achtjährigen Theaterkinder ihr 15-minütiges Stück "Mein Kuscheltier ist weg!" Weitere Vorstellungen am Dienstag, Mittwoch und Donnerstag, 24., 25. und 26. Juni, jeweils um 10.45 Uhr. Der Eintritt ist frei.
Zur Startseite
Mehr zum Thema

Das könnte Sie auch interessieren

Rätsel

Jetzt kostenlos spielen!
Lesermeinungen (bitte beachten Sie unsere Community-Regeln)