Es ist das Jahr 2002, und die Bremer Überseestadt ist dabei, ein schickes Wohnviertel zu werden. Überall ist Aufbruch zu sehen, Rohbauten dominieren inzwischen die Flächen, die noch kürzlich allein dem Hafen vorbehalten waren. In einem dieser Rohbauten liegt eines Tages im Keller die Leiche eines Mannes – und dieser Mann ist nicht an Herzschwäche gestorben, sondern an einer Kugel. Kriminalhauptkommissar Manuel Álvarez findet schnell heraus, dass der Tote ein Mensch bosnischer Abstammung war, darüber hinaus war er in der Rotlichtszene in Walle kein Unbekannter. Und auch den Menschen, die vor den kriegerischen Auseinandersetzungen in ihrem Land nach Bremen geflüchtet sind, war der Tote wohlbekannt. War die große Politik nun schuld am Tod des bosnischen Zuhälters? Oder spielt vielleicht doch eine ausstiegswillige Prostituierte eine Rolle in dem Geschehen? Manuel Álvarez und sein Team tappen lange im Dunkeln. Auch das Privatleben des Kriminalhauptkommissars gestaltet sich schwierig: Alle Frauen verabschieden sich nach einigen Monaten wieder aus seinem Leben – er sei nicht empathisch, sagen sie übereinstimmend, und absolut ungeduldig: Doch was macht er regelmäßig falsch? Und liegt die Lösung des Problems nicht vielleicht ganz woanders?
Vielleicht sucht der Kriminalkommissar das Gleiche, was auch die Geflüchteten und die Arbeitsmigranten aus dem ehemaligen Jugoslawien suchen: „Ein sicherer Hafen“ lautet daher der Titel des ersten Krimis von dem Autor Elias Mateo, der unlängst im Kellner-Verlag erschienen ist. „Ich lese sehr viele Krimis“, meint Elias Mateo, „und das empfinde ich als sehr erholsam, wenn ich tagsüber über Sprache und Gewalt geforscht habe.“ Promoviert hat der Sprachwissenschaftler Elias Mateo über den „Sprachgebrauch von Gruppierungen mit politisch fragwürdigem Verfassungsverständnis“, wie sich der Autor ausdrückt, „und das Lesen von Krimis ist eine Art, das zu verarbeiten.“
Bereits als Jugendlicher habe er sich von den schwedischen Krimis der Autorin Maj Sjöwall und des Autors Per Wahlöö begeistern lassen: Die zwischen 1965 bis 1975 erschienenen Romane haben sich dabei nicht nur auf die kriminalistischen Aspekte beschränkt, sie gaben außerdem einen tiefen Einblick in den Zustand der schwedischen Gesellschaft. „Mich interessieren gesellschaftliche Zusammenhänge, die finde ich spannend“, sagt deshalb auch der 53-Jährige. Zu viel darf es für ihn in der Freizeit aber auch nicht sein. „Ich lese keine Thriller, die sind mir zu spannend", so Mateo.
Stadtviertel mit hohem jugoslawischen Anteil
Wobei sein in der Überseestadt spielender Krimi recht spannend geraten ist: „Das Thema Jugoslawien ist auch Verarbeitung“, sagt er. „Ich habe in postjugoslawischen Staaten gearbeitet und bin in einem Stadtviertel mit hohem jugoslawischen Anteil aufgewachsen.“ Als dann der Krieg ausgebrochen sei, hätten sich die Menschen von dem einen auf den anderen Tag nicht mehr gemeinsam an einen Tisch gesetzt. Schwierig sei das gewesen, „und für mich war es der größte Schock, dass es Mitte der 90er-Jahre plötzlich wieder Konzentrationslager auf europäischem Boden gab.“ Und auch das gab es: „Mehrere Mitschüler aus meiner Klasse waren plötzlich nicht mehr da. Die Familien wurden zuvor unter Druck gesetzt, dass die Söhne in den Krieg ziehen sollten.“
Diese Problematiken würden bis heute nachwirken, hat der Sprachwissenschaftler festgestellt, der auch in Kroatien geforscht und gelehrt hat: „Bosnien-Herzegowina, das ist noch lange nicht vorbei. Das Dayton-Abkommen von 1995 hat nur einen Waffenstillstand hergestellt. Das ist nur eine Frage der Zeit, und man hätte sich schon längst darum kümmern müssen.“
Kein hochpolitischer Roman
Nun ist der Krimi zwar kein hochpolitischer Roman, doch Elias Mateo meint: „Ich wollte dafür sorgen, dass es nicht ganz vergessen wird.“ Deshalb seien als mögliche Leserinnen und Leser auch diejenigen geeignet, die bisher wenig oder gar kein Interesse für das komplexe Thema aufbringen konnten. „Gesellschaftliches interessiert mich“, sagt er noch einmal, „das ist zwar manchmal anstrengend, aber das Tragen von Scheuklappen bringt nichts. Das bringt die Gesellschaft nicht weiter.“
Was für den in Hannover lebenden Mateo klar war: „Dass der Krimi nicht in Hannover spielen wird. Ursprünglich wollte ich den Rohbau des Sail-Hotels in Bremerhaven nehmen“, sagt er, doch Bremen sei dann doch erste Wahl gewesen: „Bremen kenne ich viel besser, außerdem ist mein Vater Bremer. Ich bin einfach viel und gerne in Bremen.“ Die Überseestadt sei dabei naheliegend gewesen: „Sie bot in der Planungsphase viele Möglichkeiten, und die Bau- und Planungsphase ist auch gut dokumentiert. Ich habe das Geschehen dann aber in einen fiktiven Rohbau verlegt, da habe ich mich erfinderisch ausgetobt.“
Weitere Bücher in Arbeit
Zwei weitere Bände der Erlebnisse rund um den Kriminalhauptkommissar Manuel Àlvarez seien bereits in Arbeit, verrät Elias Mateo, wobei sich der zweite Band eher gesellschaftlichen Gruppierungen widmen soll, der dritte Band dann wird sich mehr dem Privatleben des Kriminalhauptkommissars zuwenden. Und das nimmt, wie sich bereits im „Sicheren Hafen“ herausstellt, eine recht überraschende Wendung - für Leserschaft und Kommissar.