Seit mehr als vier Jahren wird im Waller Beirat darüber diskutiert, einen zentralen Platz im Stadtteil nach der jüdischen Kaufmannsfamilie David zu benennen. Und genau so lange wird von den zuständigen Stellen der Waller Namensvorschlag abgelehnt. Im Rahmen der öffentlichen Sitzung des Waller Kulturausschusses rissen darob diverse Geduldsfäden. Der Ausschuss wird das Amt für Straßen und Verkehr (ASV) erneut auffordern, dem „Familie-David-Platz“ zuzustimmen. Die Gründe, die dafür sprechen, wiegen nach Ansicht der Stadtteilpolitiker schwerer als mögliche bürokratische Vorbehalte. Das Amt für Straßen und Verkehr sieht wegen der geltenden Gesetzgebung allerdings nach wie vor keinen Handlungsspielraum.
Es geht um den Platz, der von Vegesacker-, Bremerhavener- und Grenzstraße eingerahmt wird, und der bisher mangels einer besseren Bezeichnung meist als „Platz vor dem Eiscafé" tituliert wird. In Sichtweite befindet sich der schnörkellose Nachkriegsbau, der auf dem Standort des früheren „Kaufhaus des Westens" errichtet wurde. Das prägnante, spitz zulaufende Wohn- und Geschäftshaus, Bauzeit um die Jahrhundertwende, wurde im Krieg zerstört – und nur wenige Fotografien sind erhalten. Mit ihm verblasste auch die Erinnerung an den Kaufmann Bruno David und dessen Ehefrau Anna Rebecka Charlotte, genannt Betty, die das Kaufhaus führten. Seit 1994 erinnert eine Gedenktafel an der Hausfassade an der Bremerhavener Straße an das Schicksal der Waller Familie, das stellvertretend stehen soll für die Opfer des Nationalsozialismus und Rassismus.
Anfang 2017 folgte der Waller Bauausschuss dem Antrag der Wallerin Rike Fischer, den Platz nach der Familie David zu benennen. Doch das sorgt seitdem für langwieriges Hin und Her. Das zuständige Amt für Straßen und Verkehr lehnte den Vorschlag wiederholt ab und bezieht sich auf einen Senatsbeschluss aus dem Jahr 1971. Dieser schreibe vor, dass bei Benennungen nach Persönlichkeiten Namenszusätze wie „Familie“ grundsätzlich nicht verwendet werden, erklärt ASV-Sprecherin Andrea Voth. Solange dieser Senatsbeschluss unverändert gelte, seien dem Amt „leider wenige Möglichkeiten gegeben“, so Voth.
Als Alternative wurde im Beirat bereits die Option geprüft, den Platz nach Ehefrau Betty David zu benennen. Dagegen hatte nicht nur die CDU-Fraktion Bedenken angemeldet, die Verwechslungsgefahr mit der Hollywood-Legende Bette Davis befürchtete. Im Staatsarchiv betrachtet man die Namenswahl aus historischer Sicht als nicht ausreichend begründbar, wie Leiter Konrad Elmshausen den Wallern bereits 2017 erklärte. Nach Prüfung der wenigen vorhandenen Dokumente zeige sich eine „komplexe“ Familiengeschichte. Nachdem Bruno David 1936 verstorben war, habe die Ehefrau ab 1938 wieder ihren Mädchennamen Meyer geführt. Belege für eine Arisierung des Geschäftes seien nicht gefunden worden. Anders als Ehemann und der früh verstorbene Sohn sei die Ehefrau, die 1889 in Bremen geboren und evangelisch getauft worden war, nicht auf dem jüdischen Friedhof bestattet. Über das Alternativangebot der offiziellen Stellen, den Platz doch ganz einfach „David-Platz” zu nennen, und mit einer entsprechenden erklärenden Legende zu versehen, wurde in Walle erst gar nicht diskutiert.
Das Argument, dass Familiennamen als solche bei Straßen- oder Platzbenennungen in Deutschland nicht infrage kämen, wusste Ausschussmitglied Angela Piplak zu widerlegen: In anderen deutschen Städten gebe es zahlreiche Gegenbeispiele, bei denen es sich vorwiegend um Holocaust-Opfer handele, berichtete die Leiterin des Geschichtskontors im Kulturhaus Walle. In Findorff sei geplant, den Platz vor dem Kulturzentrum Schlachthof nach der Sinti-Familie Schwarz zu benennen – namentlich stellvertretend für die Schicksale der rund 300 Sinti und Roma, die im März 1943 vom Schlachthof aus nach Auschwitz deportiert wurden. Dies habe sogar der Bremer Bürgermeister kürzlich in seiner Rede anlässlich der jährlichen Gedenkveranstaltung erwähnt.
„Es leuchtet mir nicht ein, warum das hier nicht gehen sollte”,
so Piplak. Mögliche Einwände, dass eine größere Zahl an „Familiennamen” im Straßenverzeichnis der Stadt zu Problemen führen würden – etwa wegen der Verwechslungsgefahr bei Rettungseinsätzen – kämen im konkreten Fall gar nicht zum Tragen, da keines der anrainenden Häuser von einer Adressänderung betroffen würde, betonte Ausschussmitglied Karsten Seidel (Grüne). Die Tatsache, dass sich das Amt für Straßen und Verkehr seit Jahren „wie ein bockiges Kind” querstelle, sei schlichtweg peinlich, schimpfte er.
Auf einem gemeinsamen Weg befindet man sich noch lange nicht. Der Ausschuss wird auf seinem Vorschlag beharren. Den Beiratsbeschlüssen in Sachen Straßenbenennung komme man gerne nach, sofern dies „mit den gesetzlichen Grundlagen vereinbar“ sei, sagt ASV-Sprecherin Andrea Voth. Für einen weiteren „Dialog beziehungsweise Lösungsansatz“ stehe man zur Verfügung.