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Runder Tisch Ölhafen-Initiative soll in Walle bleiben

Im Winter 2018/19 hat die Ölhafen-Initiative ein städtisches Grundstück am Hagenweg besetzt. Umweltsenatorin Maike Schaefer will nun den Konflikt befrieden, der dabei entstand.
16.06.2021, 16:56 Uhr
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Ölhafen-Initiative soll in Walle bleiben
Von Anne Gerling

Die Ölhafen-Initiative soll am Hagenweg in Walle bleiben: Das ist die unmissverständliche Botschaft, mit der Umweltsenatorin Maike Schaefer (Grüne) am Dienstag den Runden Tisch „Gestaltungsraum Bremer Westen/ Ölhafencrew“ eröffnete. Schon länger werde in Walle über das Thema diskutiert, so die Senatorin. „Das Ziel am Runden Tisch sollte jetzt sein: Wie kriegen wir ein gutes Nebeneinander der verschiedenen Nutzergruppen und Lebensstile hin und schaffen allen gute Perspektiven?“

Ihr sei es schon länger ein Anliegen, einen geeigneten Ort für die Wagengruppe zu finden, unterstrich Schaefer dabei. „Irgendwo muss man ihnen einen Ort geben. Das ist auch nichts Exotisches. Seit 2015 ist es erklärtes Ziel Bremens, alternative Wohnformen anzubieten, die Bremen auch bunter machen.“

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Gleichzeitig unterstütze sie aber auch das Kleingartenwesen im Bremer Westen, so Schaefer weiter. „Und ich weiß, dass dort vor allem Lärm, Veranstaltungen und die Ver- und Entsorgung Thema sind.“ Um sämtliche für die Befriedung des Konflikts und die Gleichbehandlung aller Akteure relevanten Themen zu bearbeiten, werde sich der Runde Tisch noch mindestens zweimal treffen müssen. So solle es im September – möglicherweise sogar bei einem persönlichen Treffen – um das Thema Kaisenhäuser gehen. Schrottimmobilien sollten natürlich weg, so Schaefer, „aber die Kaisenhäuser, die noch gut in Schuss sind, wollen wir erhalten. Sie gehören zur Historie dazu, und ich weiß, wie sehr die Menschen an ihren Kaisenhäusern hängen.“

Zwei Ansprechpartner für die Öffentlichkeit in Sachen Ölhafen-Initiative

Die Begleitung des Runden Tisches habe sie gerne übernommen, so Schaefer außerdem: „Für mich ist das Chefsache.“ Insbesondere zwei Mitarbeiter ihres Hauses sind in Sachen Ölhafen-Initiative dabei ab sofort Ansprechpartner für die Öffentlichkeit: Lisa Hübotter, die just am 15. Juni ihren unbefristeten Arbeitsvertrag als Leiterin des Projekts „Grüner Bremer Westen“ unterschrieben hat und nun als eine Art Ombudsfrau die Themen der Kleingärtner für den Runden Tisch sammeln soll. Und Thomas Czekaj. Er übernimmt bis auf weiteres die Aufgaben von Stadtplaner Tom Lecke-Lopatta. Lecke-Lopatta war Ansprechpartner für die Bauwagen-Gruppe, hatte lange nach alternativen Standorten für sie gesucht und schon zweimal den Runden Tisch moderiert. Mittlerweile ist er im Ruhestand.

„Wir wollen uns um Planungsrecht sowohl für die Ölhafen-Crew als auch für die Kaisenhäuser kümmern“, umriss Bau-Staatsrätin Gabriele Nießen die nun anstehenden Aufgaben. Denn: Nach geltendem Recht handelt es sich bei dem von der Bauwagengruppe im Dezember 2018 besetzten städtischen Grundstück am Hagenweg um eine öffentliche Grünfläche, auf der Wohnen verboten ist.

Dilemma soll nun mithilfe des bremischen Wohnwagengesetzes aufgelöst werden

Dieses Dilemma soll nun mithilfe des bremischen Wohnwagengesetzes aufgelöst werden, wie Andreas Eickmann, Referatsleiter für Baurecht bei der Bremer Baubehörde, erläuterte. So könne die Stadt befristet die Genehmigung erteilen, dort unter gewissen Rahmenbedingungen Wohnwagen aufzustellen. Im Zuge solch einer Zwischennutzung würde ein Experimentierfeld eröffnet, in dem Fragen zur Ver- und Entsorgung oder auch zur Nutzung ausgelotet werden könnten. Später würden dann Behörde und Wagengruppe als Grundlage für eine Änderung des Planungsrechts festschreiben, was konkret auf dem Gelände passieren soll. Das Nutzungskonzept, das die Ölhafen-Crew gemeinsam mit Julian Essig von der Zwischenzeitzentrale ausgearbeitet und im Januar dem Fachausschuss Quartiersentwicklung vorgestellt hatte, reiche dafür noch nicht aus, so Eickmann: „Das ist ein Grobkonzept. Für ein Planungsrecht müsste es ausführlicher sein. Da bräuchten wir sozusagen etwas mehr Fleisch, um mögliche Konflikte abarbeiten zu können.“

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Ein Zwischennutzungsvertrag ist bei Immobilien Bremen (IB) bereits vorbereitet und auch schon im Fachausschuss präsentiert worden. Die im Entwurf mit 150 Euro bezifferte Pacht sei mittlerweile auf 300 Euro verdoppelt worden, so IB-Mitarbeiter Steffen Scholz.

Die Waller Beiratsmitglieder zeigten sich mehrheitlich froh darüber, dass nun eine konstruktive Lösung in Sicht kommt – sehen aber auch noch etliche Fragen, die geklärt werden müssen. „Wie kommt Trinkwasser zum Platz?“ wollte etwa die stellvertretende Beiratssprecherin Brunhilde Wilhelm (Grüne) wissen, die sich außerdem wünscht, die Mitglieder der Ölhafen-Crew – die sich bislang bei sämtlichen Treffen jeweils nur mit ihren Vornamen vorgestellt haben – mit ihren vollen Namen ansprechen zu können. Besonders ein Punkt im Konzept beschäftigt sie: „Mit regelmäßigen Musikveranstaltungen, wie im Konzept enthalten, habe ich Probleme.“

„Es liegt mir schon schwer im Magen, dass da 200 Leute kommen könnten – und wo bleiben dann deren Exkremente?“ gab auch Nicoletta Witt (SPD) zu bedenken. Parallel zur Bahn liege außerdem die Tonderner Straße: „Da wohnen Menschen, und wir sind hier mitten im Kleingartengebiet – wie kann sich das vertragen?“ Außerdem sehe der Wagenplatz in Natura auch längst nicht so hübsch und ordentlich aus wie auf den von der Initiative vorgelegten Plänen.

Da auf dem Platz offenbar auch an Autos geschraubt werde, seien Belastungen für die Umwelt nicht auszuschließen, ergänzte CDU-Fraktionssprecherin Kerstin Eckardt. Katharina Rosenbaum, Geschäftsführerin des Landesverbands der Gartenfreunde, wies auf die hohen Umweltstandards hin, die etwa vom Ökodorf an der Lesum erfüllt werden müssten: „Und am Hagenweg sollen bei Veranstaltungen Chemieklos aufgestellt werden? Das befremdet mich ein bisschen.“

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Die Ölhafen-Crew werde gegenüber den Kleingärtnern in keiner Weise bevorzugt behandelt, versicherte Schaefer: „Auch ich habe Interesse an einem ordentlichen Baurecht und stehe da auch in einer Haftungsfrage. Wir können da nicht nach Gutdünken was genehmigen oder mal ein Auge zudrücken“, versicherte Schaefer außerdem auch mit Blick auf das Loveparade-Unglück am 24. Juli 2010  in Duisburg. Sie könne auch verstehen, dass Parzellisten frustriert seien, die penibel auf die Höhe ihrer Hecken und andere Bestimmungen achten müssten: „Aber die Ölhafen-Crew unterliegt nicht dem Kleingartengesetz.“

Er habe das Gefühl, dass einige Konflikte hochgeredet würden, die überhaupt nicht existierten, merkte zum Thema Ungleichbehandlung schließlich noch Karsten Seidel (Grüne) an: „Was ist den Kleingärtnern an Nachteil entstanden dadurch, dass die Ölhafen-Crew da jetzt zeltet? Das müsste mir mal jemand erklären. Dadurch ist im Gegenteil jetzt ein Prozess in Gang gekommen.“

Die Bedürfnisse stehen nicht immer gegeneinander

Sie hätten diverse gute Kontakte ins Kleingartengebiet, versicherte auch eine Sprecherin der Bauwagen-Gruppe: „Und wir kennen einige Leute, die uns auch gut finden. Bedürfnisse stehen nicht immer gegeneinander, wir unterstützen auch die Bedürfnisse der Vereine.“

Um diese ersten Kontakte auszubauen, regte Ortsamtsleiterin Ulrike Pala an, die Ölhafen-Crew wenn möglich doch einfach einmal persönlich zu besuchen: „So etwas schafft häufig einen anderen Eindruck und ein bisschen mehr Verständnis.“

Sie habe fünf Seiten mitgeschrieben, beendete die Umweltsenatorin schließlich die Videokonferenz nach zwei Stunden: „Wir haben noch offene Fragen zur Ver- und Entsorgung, Lärm und Lärmschutz und Sichtschutz, die nun sauber abgearbeitet werden, damit wir zeitnah eine Genehmigung aussprechen können.“

Zur Sache

Die Ölhafen-Initiative

Die Bauwagengruppe, die Ende 2018 auf einem städtischen Grundstück am Hagenweg in Walle Halt machte, hatte fast zwei Jahre lang nach einem Ort für ihre alternative Wohn- und Lebensform gesucht: Am Hastedter Osterdeich, beim Güterbahnhof, an der Industriestraße, an der Neuenlander Straße, an der Senator-Apelt-Straße und schließlich auf einer Brache des Öl-Konzerns Esso auf der Überseeinsel. Der Waller Beirat duldete die Gruppe zunächst, forderte aber die Suche nach einem alternativen Standort.

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